Fund in Syrien

Eine Million Captagon-Pillen verbrannt

Es sollte Patienten mit ADHS helfen und gilt heute als wirtschaftliche Lebensader Syriens. Was hinter dem ehemaligen Medikament steckt.

Kleine Pille mit großen Folgen.

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Kleine Pille mit großen Folgen.

Von Lenya Trautmann/Michael Bosch

Die neuen Machthaber in Syrien haben am Mittwoch große Mengen an Drogen verbrannt, darunter etwa eine Million Pillen des amphetaminähnlichen Aufputschmittels Captagon. Ein Videojournalist der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, wie in der Hauptstadt Damaskus im Hof eines Gebäudes des früheren syrischen Sicherheitsapparats Feuer an die Drogen gelegt wurde. "Wir haben eine große Menge Captagon gefunden, etwa eine Million Pillen", sagte ein Vertreter der neuen Machthaber.

Captagon als Medikament

Ursprünglich war Captagon ein Medikament gegen Narkolepsie und Aufmerksamkeitsstörungen. Zollfahnder hatten Mitte des vergangenen Jahres die bislang größte in Deutschland gefundene Menge der Droge Captagon sichergestellt. Insgesamt seien 461 Kilogramm Tabletten im Wert von 64,5 Millionen US-Dollar gefunden worden, teilten die Zollfahndung Essen und die Staatsanwaltschaft Aachen damals mit. Das entspricht rund 59 Millionen Euro.

Was ist Captagon - und wie wirkt es?

Captagon war urspünglich der Markenname eines psychoaktiven Medikaments mit dem Wirkstoff Fenetyllin. Es gehört zur Gruppe der Amphetamine und Methamphetamine und wurde 1961 vom deutschen Pharmakonzern Degussa auf den Markt gebracht. Captagon sollte ursprünglich zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eingesetzt werden.

Wegen schwerer Nebenwirkungen wurde es aber bereits 1986 wieder vom Markt genommen und verboten. Die Droge kann zu Depressionen, Halluzinationen und Schlaflosigkeit - aber auch Euphorie - führen. Seither wird es nur noch illegal mit dem Betäubungsmittel Amphetamin als Hauptwirkstoff produziert und als Droge verkauft. Die Einnahme des Aufputschmittels unterdrückt Müdigkeit und Hungergefühl sowie Angst.

Captagon in der Golfregion

„Inzwischen gelten die Tabletten – vor allem in den arabischen Golfstaaten – als eine der meistkonsumierten synthetischen Drogen“, erklären die Pharmazeuten. Es werde heute größtenteils in Syrien produziert - teils auch im Libanon - und als Rauschgift in andere Länder exportiert. Schätzungen zu Folge konsumieren rund 40 Prozent aller saudi-arabischen Männer zwischen 12 und 25 Jahre Captagon. Im Nahen Osten ist Saudi-Arabien der größte Markt. Dort ist Captagon die Partydroge der reichen Elite und weit weniger tabu als Alkohol. Aber auch einfache Arbeiter putschen sich damit auf, um dem höllischen Arbeitstempo standhalten zu können.

Captagon in Syrien

Der Handel mit Captagon hatte Syrien unter dem gestürzten langjährigen Machthaber Baschar al-Assad zum größten Drogenstaat der Welt gemacht. Captagon war das mit Abstand wichtigste Exportgut Syriens und stellte alle legalen Ausfuhren in den Schatten, wie Recherchen von AFP auf der Grundlage offizieller Daten 2022 ergeben hatten.

Mit Material von afp und dpa.

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Erstellt:
25. Dezember 2024, 15:58 Uhr

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