Gesetz zur Entwaldung
Eine neue Runde im Kampf um den Green Deal
Das Europaparlament stimmt in Straßburg dafür, das EU-Gesetz gegen Abholzung um ein Jahr aufzuschieben. Doch dieser Streit ist nur Teil einer größeren Auseinandersetzung.
Von Knut Krohn
Im Europaparlament weht inzwischen ein rauer Wind zwischen den politischen Fraktionen. „Die Konservativen sind mit ihrem Angriff auf das EU-Waldschutzgesetz gescheitert“, jubilierte die Grünen-Abgeordnete Jutta Paulus am Dienstag in Straßburg. Das „bizarre Schauspiel der Christdemokraten“ habe ein Ende gefunden, assistierte ihre Parteigenossen Anna Cavazzini.
Grund für die Aufregung war die Abstimmung über ein seit Monaten heftig umstrittenes EU-Gesetz gegen Abholzung. Die Abgeordneten stimmten dafür, die neuen Vorschriften für große Unternehmen auf Ende nächsten Jahres zu verschieben, für kleine und mittlere Firmen auf Mitte 2026. Ein grundsätzliches Abschwächen der Regeln ist hingegen vorerst vom Tisch, was den Jubel bei den Grünen erklärt. Allerdings soll das Gesetz im Jahr 2028 noch einmal überarbeitet werden, der Streit über mögliche Abschwächungen wird dann wahrscheinlich von vorne beginnen.
Großer Widerstand gegen das neue Gesetz
Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten verbietet den Verkauf von Produkten, deren Anbaugebiete nach 2020 abgeholzt wurden, etwa Regenwald in Brasilien. Neben Kaffee, Palmöl und Soja gilt dies auch für Kakao, Kautschuk und Rindfleisch. Die Unternehmen sollen die Einhaltung der Regeln mit Hilfe von satellitengestützten Ortsdaten sicherstellen. Wirtschaftszweige wie die Süßwarenindustrie, die Zeitungsverleger und Forstwirte fürchten deshalb einen hohen zusätzlichen Aufwand.
Aber auch die von den Grünen gescholtenen Konservativen sehen sich als Gewinner. „Es ist gut, dass die einjährige Verschiebung der Entwaldungsverordnung nun auch mit breiter Mehrheit vom Parlament beschlossen wurde“, erklärte die CDU-Europaparlamentarierin Christine Schneider nach der Abstimmung in Straßburg. Die Waldbauern hätte nun mehr Zeit, sich vorzubereiten. Zudem seien wichtige Vereinfachungen angestoßen worden, die den Abbau von Bürokratie erleichtern würden. Und auch Christine Schneider macht deutlich, dass die Konservativen im Europaparlament beim Zwischenbericht im Jahr 2028 „weitere Vereinfachungen“ prüfen wollten.
Sorge der Grünen um den Green Deal
Dass die Diskussionen um das EU-Gesetz gegen Abholzung im Parlament bisweilen in einen scharfen Schlagabtausch ausarteten, haben einen Grund. Die Grünen befürchten, dass die Konservativen gezielt daran arbeiten, den bereits beschlossenen Green Deal auszuhöhlen. Der Umbau Europas zu einem Klimaneutralen Kontinent stand in den vergangenen fünf Jahren noch ganz oben auf der EU-Prioritätenliste. Doch die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch CDU und CSU angehören, hat im Juni die Europawahl auch mit dem Versprechen an ihre Wähler gewonnen, zentrale Forderungen des Green Deal in den kommenden Jahren zu entschärfen.
Das EU-Gesetz gegen Abholzung ist da nur ein Bereich. Mit wesentlich härteren Bandagen wird um das sogenannte Verbrenner-Verbot gekämpft. Auch hier wollen die Konservativen ihren Machtzuwachs im Parlament nutzen, um die bereits beschlossenen Regelungen deutlich aufzuweichen. Zwar wollen auch sie ab 2035 nur noch die Zulassung von klimaneutralen Neuwagen in der EU erlauben. Dies solle aber „technologieoffen“ gestaltet werden. Das heißt konkret: nicht nur mit Elektrofahrzeugen, sondern auch mit Kraftstoffen wie E-Fuels, also mit synthetischem Sprit. Das würde das Überleben des Verbrenners sichern.
Die Konservativen weichen den Green Deal auf
Nichts deutet darauf hin, dass sich die Stimmung zwischen den rivalisieren Fraktionen in den kommenden Monaten im Europaparlament wesentlich entspannen wird – im Gegenteil. Denn der Green Deal sieht vor, dass im Jahr 2026 ein erstes Fazit der Gesetzgebung gezogen wird. Im Rahmen dieser sogenannten Revisionsklauseln könnte das Klimapaket an zentralen Stellen noch einmal aufgeschnürt und entschärft werden.
Diese Gefahr ist in den Augen der Grünen sehr real, denn die Konservativen haben in den vergangenen Monaten immer wieder zusammen mit Parteien aus den extrem-rechten Fraktionen im Parlament gestimmt und auf diesem Weg etwa Erleichterungen für Europas Landwirte herausgeholt. Diese taktische Zusammenarbeit etwa mit der postfaschistischen italienischen Partei Fratelli d’Italia schade aber nicht nur dem Green Deal, sondern der gesamten Demokratie, warnen nicht nur die linken Fraktionen im Europaparlament.