Eine Woche mit Bus, Bahn, Rad und zu Fuß
Serie: Unser ökologischer Rucksack (4) Klimafamilie Sator versucht sieben Tage lang auf das Auto zu verzichten
Für viele Menschen ist der Verzicht aufs Auto schon in der Theorie nicht vorstellbar. Für unsere Serie „Unser ökologischer Rucksack“ haben wir Familie Sator das Auto weggenommen – nicht wörtlich natürlich. Aber sie sollten sieben Tage lang versuchen, zu Fuß, mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln ihren Alltag zu bewältigen. Wie gut oder schlecht das geklappt hat, haben sie uns am Ende der Woche erzählt.
Von Silke Latzel
BACKNANG. Mobilität, vor allem der Individualverkehr, spielt in der Klimadiskussion eine große Rolle – und wird oftmals heftig und kontrovers diskutiert. Die einen wollen aufs Auto nicht verzichten, die anderen würden gerne, können aber nicht, weil die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs ihnen kaum eine andere Möglichkeit lässt, als sich mit dem Auto fortzubewegen.
Familie Sator wohnt in Backnang-Maubach. Und ist somit relativ gut angebunden – die nächste Bushaltestelle ist fast direkt vor der Tür und auch die S-Bahn-Haltestelle ist nur wenige Hundert Meter entfernt. Für Michaela Sator und Tochter Jule hat der Verzicht aufs Auto erst einmal keine direkten Auswirkungen, „denn vieles erledigen wir sowieso immer zu Fuß. Jules Kindergarten ist nicht weit weg, Orte, an denen ihr Musik- oder Turnunterricht stattfinden, lassen sich auch problemlos ohne Auto erreichen.“ Nur das Einkaufen kostet sie etwas Überwindung: „Etwa zwei Kilometer entfernt gibt es einen Bioladen, dort bin ich mit dem Fahrrad hin. Das hat insgesamt, Hin- und Rückfahrt inklusive Einkauf, etwa 45 Minuten gedauert. Zeitlich finde ich das vollkommen in Ordnung. Aber ich fahre einfach nicht gerne Fahrrad. Und es erfordert schon eine genaue Planung des Einkaufs. Denn ich habe ja nur begrenzt Platz zur Verfügung.“ Michaela Sator hat sich vorbereitet auf ihren Einkauf, eine genaue Liste mit Dingen gemacht, die sie kaufen möchte – und trotzdem ist es beim ersten Mal schiefgegangen, erzählt sie lachend: „Vor lauter Fahrrad-aus-dem-Schuppen-holen hab ich meinen Rucksack daheim vergessen, den ich eigentlich mitnehmen wollte. Aber ich hatte zum Glück meinen Fahrradkorb dabei.“
Der Weg zur Arbeit mit Bus und Bahn klappt nicht wirklich gut
Zu Fuß zum Bioladen zu gehen, kann sich Michaela Sator übrigens nicht vorstellen: „Wenn ich meine Tochter um 9 Uhr in den Kindergarten bringe und sie um 12.30 Uhr wieder abhole, ist mir die Zeit dazwischen einfach zu knapp, das wird alles zu eng.“ Allerdings sei sie offen dafür, es in Zukunft weiter mit dem Fahrrad zu versuchen– und sich mit ihm dadurch vielleicht sogar anzufreunden. „Ich vermute, es ist wohl einfach eine Gewohnheitssache. Ich kann mir durchaus vorstellen, auch weiterhin die Einkäufe mit dem Rad zu machen. Im Sommer dann halt nicht gerade in der größten Hitze, sondern sehr früh am Tag oder sehr spät.“ Denn eines mag Michaela Sator nicht: schwitzen ohne explizit Sport zu machen. „Und es ist für eine ungeübte Radfahrerin wie mich schon etwas anstrengend, wenn es immer mal wieder bergauf geht“, sagt sie lachend.
Für Benedikt Sator ist schwitzen weniger ein Problem. Er kann auch bei der Arbeit duschen. Und er mag das Radfahren. In der Vergangenheit hat er in den warmen Monaten immer mal wieder die Strecke zur Arbeit und zurück mit dem Rad auf sich genommen – knapp neun Kilometer pro Strecke. Für das Klimaexperiment wollte er es mit Bus und Bahn versuchen – auch weil es morgens und abends auf dem Rad ziemlich kalt gewesen wäre und er Angst vor Bodenfrost hatte. Nachdem er sich am ersten Tag der autofreien Woche noch mit Homeoffice „helfen“ konnte, wagt er es – und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis. „Die Verbindung hat geklappt, wie sie im Fahrplan stand. Nur: Sie ist einfach nicht gut.“ Für eine Strecke, für die er von der Haustür bis zur Stempeluhr mit dem Auto 20 Minuten und mit dem Rad 30 Minuten braucht, benötigt er mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Stunde. Besonders nervig für ihn: 15 Minuten Wartezeit in Winnenden, bis es weitergehen kann. „Und auf dem Heimweg dann das genaue Gegenteil: Die Umsteigezeit ist so knapp kalkuliert, dass der Bus auf keinen Fall Verspätung haben darf, sonst ist die S-Bahn weg. Geklappt hat das an dem Tag nur, weil auch die S-Bahn schon zu spät dran war.“
Der Wochenendausflug gestaltet sich unproblematisch
Als Option sieht Benedikt Sator tatsächlich das Fahrrad. „Das werde ich jetzt wohl öfter machen.“ Außerdem habe er vor, einen Kollegen, der ebenfalls in Backnang wohnt, anzusprechen, ob es nicht möglich wäre, eine Fahrgemeinschaft zu bilden. Das wiederum bedürfe dann genauer Absprachen, was den Feierabend oder den Arbeitsbeginn angeht.
Als Michaela Sator etwas in der Backnanger Innenstadt zu erledigen hat, nimmt sie den Bus. „Die Verbindung ist wirklich gut. Aber es ist schon teuer. Das, denke ich, wird besser, wenn das Stadtticket kommt. Fünf Euro für Hin- und Rückfahrt tun uns jetzt nicht weh, aber ich denke, es gibt genug Menschen, für die das einfach viel Geld ist. Da sehen die 70 Cent, die das Parken kostet, natürlich gleich viel günstiger aus. Wenn ich beispielsweise in die Bücherei, zur Post und in die Drogerie muss, ist es mit dem Auto viel komfortabler. Ich kann dann auch direkt wieder fahren, wenn ich fertig bin, und muss nicht, im schlimmsten Fall, noch 30 Minuten auf den nächsten Bus warten.“
Das Wochenende nutzen Sators, um einen Ausflug nach Stuttgart zu machen. Und was liegt näher, als die S-Bahn zu nehmen, die S-Bahn fährt ja ab Maubach. „Das war völlig unproblematisch, wir hatten ja keinen festen Termin, das macht, denke ich, viel aus.“ Aber auch hier stört sie der Preis: „Schade, dass es kein Wochenendticket für Familien gibt. Das ist vermutlich für viele einfach ausschlaggebend, das Auto zu nehmen.“
Ebenfalls am Wochenende waren Benedikt Sator und Tochter Jule mit dem Fahrrad beim Baumarkt („Unproblematisch“) und im Kaufland. Dort über den Parkplatz zu kommen, war wohl allerdings eine größere Herausforderung, „da der Parkplatz unübersichtlich ist und das Rad teilweise die Treppen runtergetragen werden musste“.
Auch in der Theorie haben die Sators darüber nachgedacht, für welche Wege sie das Auto bräuchten und wann sie darauf verzichten könnten: Benedikt Sators Physiotherapeut wäre beispielsweise mit dem Rad gut zu erreichen, zeitlich wäre es sogar kürzer als mit dem Auto. Momentan haben Sators noch zwei Autos. „Sollte das eine kaputtgehen, ist es für uns durchaus eine Option, nur noch ein Auto zu haben“, sagt Michaela Sator. Auch hier sei das vermutlich nur eine Sache der Gewohnheit und man müsste einfach gut planen und sich absprechen. Ganz aufs Auto verzichten möchten sie allerdings nicht. „Schon allein wegen Jule. Unser Kinderarzt ist zu weit weg, um ihn mit öffentlichen Verkehrsmitteln schnell zu erreichen. Und ich kann mir sowieso nur schwer vorstellen, mit einem kranken Kind Bus zu fahren.“
Als Fazit der autofreien Woche nimmt Familie Sator aber mit, dass sie in Zukunft das Auto durchaus öfter mal stehen lassen können – und auch wollen. Und: „Der Arbeitsweg mit den Öffentlichen ist für Benedikt nur eine Notfalloption. Hier ist aber noch Raum für Fahrgemeinschaften und Radfahren.“
In der Serie „Unser ökologischer Rucksack“ beleuchten wir die einzelnen Komponenten der CO2-Bilanz genauer und suchen nach alltagstauglichen Möglichkeiten, die per- sönliche Klimabilanz zu verbessern.
Das Bundesumweltamt gibt Tipps, wie die Nutzung von öffentlichem Verkehr einfacher wird. Es rät vor allem dazu, mit Kindern das Bus- und Bahnfahren zu üben, denn „positive Familienerlebnisse bei der Reise schaffen die Basis für eine langfristige Bindung an umweltfreundliche Verkehrsmittel“. Des Weiteren rät es zu Fernbussen bei Reisen und die Nutzung von Park-and-ride-Angeboten.
Wer aufs Fahrrad umsteigen will, spart nicht nur Geld und CO2 ein, sondern, je nach Strecke, auch Zeit. Und tut gleichzeitig etwas für die Fitness. Ein weiterer Vorteil: Die Parkplatzsuche ist kein Problem mehr, denn das Fahrrad kann fast überall angeschlossen werden.