Zukunftsvertrag für Volkswagen

Einigung bei VW: Jobgarantie trotz Stellenabbau

Der Vorstand und die IG Metall einigen sich auf eine Vereinbarung „Zukunft Volkswagen“. Bis Ende 2030 sind betriebsbedingte Kündigungen zwar ausgeschlossen – und Werke werden nicht geschlossen. Dennoch ist ein Abbau von 35 000 Stellen geplant.

IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger und Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo stellen in Hannover das Ergebnis der Marathonverhandlungen vor – unabhängig vom Auftritt des VW-Managements in Berlin.

© dpa/Moritz Frankenberg

IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger und Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo stellen in Hannover das Ergebnis der Marathonverhandlungen vor – unabhängig vom Auftritt des VW-Managements in Berlin.

Von Matthias Schiermeyer

Noch vor wenigen Tagen hatte die IG Metall der Volkswagen-Führung mit dem „Streikhammer“ im neuen Jahr gedroht und die Manager um VW-Chef Oliver Blume als „Sonnenkönige“ hingestellt. Nun soll zeitig zum Fest wieder Betriebsfrieden herrschen. Vorstand und Gewerkschaft einigten sich bei historisch langen Verhandlungen von 70 Stunden auf eine Vereinbarung „Zukunft Volkswagen“ für 120 000 Beschäftigte – ein weitreichendes Paket zur Sicherung von Standorten und Beschäftigung.

Die IG Metall sprach vom „Weihnachtswunder von Hannover“, gemessen an den Plänen des Managements zu Beginn des dreimonatigen Konflikts, rund 55 000 Beschäftigte zu entlassen und mehrere Werke zu schließen. Vorgestellt wurde der Kompromiss in zwei getrennten Veranstaltungen: in Hannover von der IG Metall und in Berlin von VW. Was er beinhaltet, dazu ein Überblick.

Stellenabbau trotz Jobgarantie Kein Standort werde dichtgemacht, niemand werde betriebsbedingt gekündigt und der Haustarif werde langfristig abgesichert, sagten die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo und IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger. Alle ihre „roten Linien“ seien eingehalten – wobei der sozialverträgliche Abbau um mehr als 35 000 Stellen an den deutschen Standorten bis 2030 bei ihrem Auftritt unerwähnt blieb. Davon soll die technische Entwicklung in Wolfsburg mit rund 4000 Stellen betroffen sein.

Immerhin gelang es der IG Metall, eine neue Jobgarantie durchzusetzen, nachdem Volkswagen die bisherige Beschäftigungssicherung im September gekündigt hatte: Nun sind betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2030 ausgeschlossen. Sollte nach Auslauf keine Anschlussregelung vereinbart werden, müsste das Unternehmen eine Milliarde Euro an die Beschäftigten ausschütten.

Zeitweiser Verzicht auf Lohnerhöhung Der im November von der Gewerkschaft vorgestellte und zunächst von der VW-Führung abgelehnte Zukunftsplan soll nun in der Praxis angewendet werden. Demnach beläuft sich beiden Seiten zufolge der Beitrag der Arbeitnehmerseite oder die Entlastung bei den Arbeitskosten auf 1,5 Milliarden Euro.

Konkret konnte „eine Entkopplung vom Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie im Kern abgewendet werden“, betont die Gewerkschaft. Das für die Fläche erzielte Tarifergebnis mit einem Einkommensplus im Volumen von 5,5 Prozent wird bei Volkswagen zunächst ausgesetzt. Bis 2030 diene es zur Teilfinanzierung von Instrumenten, um Überkapazitäten auf die diversen Standorte zu verteilen und ohne betriebsbedingte Kündigungen zu bewältigen. Gemeint sind etwa Kurzarbeitergeld oder Weiterbildungen; Arbeitszeitabsenkungen sollen mit teilweisem Entgeltausgleich erfolgen und erweiterte Altersteilzeitangebote finanziert werden können. Vom 1. Januar 2031 würden die Tabellenentgelte um die gut fünf Prozent angehoben. Schon von 2027 an können künftige Tarifrunden auch bei VW für neue Lohnzuwächse vor 2030 sorgen.

Die Ergebnisbeteiligung wird gekürzt Von 2026 an bringen die Beschäftigten im Tarifbereich für zwei Jahre (2026 und 2027) vollständig die Mai-Zahlung der Ergebnisbeteiligung als Beitrag ein. Von 2028 an wird die Mai-Zahlung nur reduziert ausgezahlt, bis die Beschäftigten für das Geschäftsjahr 2030 die volle Ergebnisbeteiligung erhalten.

Der sogenannte Tarif Plus-Bonus wird rund 35 Prozent des Jahresbonus der untersten Entgeltgruppe im Management betragen – bislang waren es 50 Prozent. Dafür habe man, so die IG Metall, einen großen Angriff auf die Tarif Plus-Systematik abgewendet. Sichergestellt werde, dass sich Management und Vorstände in einem größeren Maße finanziell beteiligen. Dies falle „überproportional“ aus, wie die Arbeitgeberseite betont.

Das bisher gezahlte erhöhte Urlaubsentgelt (rund 1290 Euro) entfällt. Ab 2027 wird ein Bonus für Mitglieder der IG Metall eingeführt. Das bedeutet für 2027 zunächst 254 Euro, für 2028 schon 508 Euro und für 2029 sogar 636 Euro. Ab 2030 beträgt der Mitgliederbonus dann 1271 Euro. Gekürzt werden die Jubiläumsgratifikationen, die der Vorstand ganz abschaffen wollte: Künftig wird es für 25 Jahre Betriebszugehörigkeit eine pauschale Zahlung von 6000 Euro und für 35 Jahre von 12 000 Euro geben.

Die Arbeitszeit wird teilweise verlängert Die Arbeitszeit wird vereinheitlicht: Beschäftigte aus dem Haustarif I, also alle vor dem 1. Januar 2005 Eingestellten, arbeiten vom 1. Juli 2025 an einheitlich 35 Stunden pro Woche – bisher arbeitete diese Beschäftigtengruppe im indirekten Bereich 34 Stunden pro Woche und im direkten Bereich 33 Stunden pro Woche. Die Mehrarbeit wird teils kompensiert.

Standorte erhalten teils neue Aufgaben Dem Unternehmen zufolge wird mit dem Haustarifabschluss mittelfristig eine Ersparnis von mehr als 15 Milliarden Euro pro Jahr erzielt. Hinzu kämen jährlich mehr als vier Milliarden Euro durch die Verhandlungsergebnisse zu den Arbeitskosten, den Struktur- und Produktionsmaßnahmen sowie Werksbelegungen. Außerdem sei als Reaktion auf die verringerte Nachfrage und den verschärften Wettbewerb eine „technische Kapazitätsreduzierung“ von 734 000 Einheiten in den deutschen Werken vorgesehen.

Vereinbart wurde ein Zielbild, wonach VW bis 2030 „als Kernmarke weltweit technologisch führender Volumenhersteller“ werden solle. Das bedeutet: Zwar werden am Stammsitz weiter die Modelle ID.3 und Cupra Born gefertigt. Die Produktion der Modelle Golf und Golf Variant wird jedoch ab 2027 nach Puebla in Mexiko verlagert. So soll die Produktion des elektrifizierten ID-Golf vorbereitet werden – die nächste Generation werde „mit einem innovativen Produktionsansatz“ in Wolfsburg gebaut, sagte Cavallo.

In Dresden wird die Fahrzeugfertigung in der Gläsernen Manufaktur Ende 2025 eingestellt. VW will Alternativen erarbeiten und weiter am Standort „präsent sein“. In Osnabrück soll die Produktion des T-Roc-Cabrios im Spätsommer 2027 enden. Dort soll eine „Zukunftsperspektive“ entwickelt werden.

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Erstellt:
20. Dezember 2024, 21:04 Uhr
Aktualisiert:
20. Dezember 2024, 21:28 Uhr

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