Land gibt Millionen Euro für Denkmalschutz
Einst Tabakscheune, bald Wohnpalast auf dem Lande
Das Land Baden-Württemberg spendiert mehrere Millionen Euro für die Sanierung alter Ställe, Schlösser und Schulen. Ist das Steuergeld gut angelegt?

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Eine Tabakscheune aus dem 19. Jahrhundert im Ortenaukreis in Baden-Württemberg wird in ein Wohnhaus umgebaut und mit 300 000 Euro durchs das Land dabei unterstützt.
Von Nicole Golombek
Einer der meist bestaunten Orte und Showrooms jüngst bei der Mailänder Möbelmesse war eine prächtige alte Wohnung mit zehn Zimmern, reich verzierte Stuckdecken, Fischgrätparkett und so – einst Wohntraum reicher Städter, heute temporärer Ausstellungsort für polnisches Design und Handwerk, das im alten Gemäuer seinen besonderen zeitgemäßen Charme entfaltete. So ein altes Gemäuer zu erhalten, ist aufwändig und teuer, erst recht, wenn es unter Denkmalschutz steht. Und nicht jede Schloss- und Burgenherrschaft kann sich das leisten. Ja, selbst ein uraltes Bauernhaus im Schwarzwald zu sanieren, kostet mitunter Millionen Euro.
Ist solch ein Gebäude aber vor Verfall und Abriss gerettet, hat auch die Allgemeinheit etwas davon. Die Passanten, die daran vorbei gehen und sich an der sanierten Bau- und Handwerkskunst erfreuen, die Touristen staunen über die alte Architektur und bleiben vielleicht länger in so einem Schwarzwalddörfchen, darüber freut sich dann auch das Tourismusamt und die Steuerbehörde, wenn die Übernachtungszahlen steigen.
Baden-Württemberg und die Baukultur
Folgerichtig stellt das baden-württembergische Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Geld für Kulturdenkmale zur Verfügung – in einer ersten Tranche rund 6,6 Millionen Euro für den Erhalt und die Sanierung von 56 Kulturdenkmalen. Davon entfallen 23 auf private Vorhaben wie etwa die Instandsetzung eines Bauernhauses in Tannheim und die Sanierung eines Dachstuhls eines Wohnhauses in Baden-Baden.
17 kommunale Projekte werden gefördert, darunter die Multihalle in Mannheim mit dem spektakulären Dach von Frei Otto und für die Generalsanierung der Wandelhalle im Kurpark in Bad Mergentheim (jeweils 500 000 Euro). 16 kirchliche Projekte stehen auf der Liste, weitere 500 000 Euro sind für die Steinsanierung am Freiburger Münster eingeplant.
Und weil mit dem Erhalt schützenswerter Baukultur auch Wohnraum geschaffen werden kann, wird das Sonderprogramm „Wohnen im Kulturdenkmal“ neu aufgelegt. Dies gab die Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi jüngst bekannt. Mit dem von der Landesdenkmalpflege konzipierten Programm unterstützt das Land die Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden dabei, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen oder auch vorhandenen Wohnraum wieder nutzbar zu machen.
Wohnen in ehemaligen Fabriken
Mit dem Sonderprogramm „unterstützen wird bereits entsprechende Konzepte und fördern verstärkt die Umsetzung besonders spannender Projekte, die beispielhaft zeigen, was man aus einem Denkmal machen kann“, sagt die Ministerin. „Ich denke da zum Beispiel an leer stehende Gasthöfe, an alte Scheunen, an historische Bahnhöfe, ehemalige Rathäuser oder frühere Schulgebäude. Aber auch Gebäude, die früher gewerblich genutzt wurden, gehören für mich dazu – wie etwa ehemalige Lagerhäuser, Fabriken oder Werkstätten, die denkmalgeschützt sind.“
Förderanträge können bis zum 30. Juni beim Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD) gestellt werden. Bis zu 20 000 Euro an Förderung in Form von Konzeptgutscheinen ist hier möglich. Zum anderen können mit dem Geld ein oder zwei weitere sogenannte Leuchtturmprojekte unterstützt werden – mit einer Summe von bis zu 300 000 Euro pro Projekt.
„Ich freue mich, dass wir für dieses und das nächste Jahr insgesamt eine Million Euro für eine Neuauflage des Sonderprogramms bereitstellen können“, sagte Razavi bei einem Ortstermin in Neuried-Schutterzell im Ortenaukreis, gerade wird dort an einem von bislang neun geförderten Leuchtturmprojekten gearbeitet – dem Tabakschopf aus dem 19. Jahrhundert, das Land unterstützt die Umbaumaßnahmen mit 300 000 Euro.
Momentan ist das Kulturdenkmal mit ihren imposanten Dimensionen von 40 Metern Länge, 15 Metern Höhe und lediglich acht Metern Breite noch eine Baustelle, der Rohbau steht. Es soll zunächst ein Zuhause für fünf Menschen geschaffen werden, darüber hinaus könnte noch weiterer Wohnraum geschaffen werden.
Ministerin Razavi dankte den Besitzern des Tabakschopfes, Alexandra Lunow und Andreas Hauser, für ihren Einsatz. „Wohnen in Kulturdenkmalen ist möglich und hat einen einzigartigen Charme“, so Razavi. „Einem historischen Gebäude wieder Leben einzuhauchen ist nachhaltig im besten Sinne.“ In der Tat: Was Qualität hat und was man liebt, reißt man nicht ab.
Info
Denkmalschutz fürs WohnenFörderanträge fürs Sonderprogramm „Wohnen im Kulturdenkmal“ können bis zum 30. Juni 2025 beim Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD) gestellt werden. Die Antragsunterlagen finden sich auf der Homepage des LAD (https://www.denkmalpflege-bw.de/geschichte-auftrag-struktur/bau-und-kunstdenkmalpflege/ausschreibung-wohnen-im-kulturdenkmal). Konkret gefördert werden können Konzepte zur denkmalverträglichen Wohnnutzung von Kulturdenkmalen (Instandsetzung, Umnutzung oder Ausbau). Bis zu 20 000 Euro an Förderung in Form von Konzeptgutscheinen ist möglich. Zudem können mit dem Geld ein oder zwei weitere sogenannte Leuchtturmprojekte unterstützt werden – mit einer Summe von bis zu 300 000 Euro pro Projekt.
LeuchtturmprojekteDas erste Sonderprogramm „Wohnen im Kulturdenkmal“ war im Mai 2022 gestartet worden und erwies sich als erfolgreich: Innerhalb der fünfmonatigen Antragsfrist verzeichnete das LAD weit über 100 Anfragen und Anträge. Freigegeben wurden über einen Zeitraum von rund drei Jahren insgesamt 2,64 Millionen Euro für neun Leuchtturmprojekte und 33 Konzepte. Ausgewählt als Leuchtturmprojekte im erstes Sonderprogramm wurden das Bahnwärterhaus Lauffen am Neckar, die Tabakscheune Neuried-Schutterzell, die Schlossbrauerei Stockach-Espasingen, die Klosterscheune Tübingen-Bebenhausen, das Ehemalige Schulhaus Tübingen-Derendingen, die Scheune Tübingen-Weilheim, das Ehemalige Pfarrhaus Weinsberg.

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Ortstermin in Neuried-Schutterzell (Ortenaukreis). Dort wird gerade an einem von bisher neun vom Land Baden-Württemberg geförderten Leuchtturmprojekten gearbeitet – dem Tabakschopf. Bei dem Tabakschopf aus dem 19. Jahrhundert handelt es sich um einen langgestreckten Holzbau mit Satteldach und aufsitzender Lüftungslaterne. Er gehört zu einem der wenigen überlieferten und charakteristischen Zeugnisse des Tabakanbaus der Rheinebene. Nach langem Leerstand . . .

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. . . konnte ein denkmalverträgliches Konzept für Wohnen erarbeitet werden, bei dem die Charakteristika von Tragkonstruktion, Kubatur mit Lamellenstruktur und Dachform sowie die Erlebbarkeit der Großräumigkeit erhalten bleiben. Ministerin Nicole Razavi (re.) besuchte die Baustelle. Sie sagte über das Engagement des Landes in Sachen Denkmalschutz: „Der Schutz und die Pflege von Kulturdenkmalen sind von großer Bedeutung für unsere Identität. Denn durch den Erhalt unseres kulturellen Erbes können wir aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen.“

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Die Sanierung der Multihalle in Mannheim wird – wie schon 2024 – mit 500 000 Euro unterstützt. Zur Bundesgartenschau 1975 wurde im Mannheimer Herzogenriedpark die Multihalle erbaut. Entworfen hat den Bau der Mannheimer Architekt Carlfried Mutschler. Der Pritzker-Preisträger Frei Otto, der an der Universität Stuttgart lehrte, schuf eine Dachkonstruktion, die die Halle zum architektonischen Meisterwerk macht.

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Auch mit Holz erbaut – Fachwerkschönheit in Bad Wimpfen. Mit 104 160 Euro unterstützt das Land die Instandsetzung des Alten Spitals im Landkreis Heilbronn im nördlichen Baden-Württemberg. Mit Bauteilen aus dem 13. Jahrhundert ist es eines der ältesten Bauwerke der früheren Reichsstadt. Seit 1992 sind dort das Reichsstädtische Museum und die städtische Galerie untergebracht.

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Für die Generalsanierung der Wandelhalle im Kurpark in Bad Mergentheim gibt es 500 000 Euro, hier ein Blick auf Teile der Wandelhalle und des Trinktempels.

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Archivfoto der denkmalgeschützten Wandelhalle. Das Gebäude wurde 1934/35 vom Architekten Eduard Krüger zwischen den einige Jahre früher errichteten Gebäuden des Parkhotels und des Trinktempels erbaut. Stilistisch steht sie zwischen der Heimatschutzarchitektur und dem Neuen Bauen.

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In Ulm ist nicht nur das Münster sehenswert. Das Ulmer Rathaus zählt nicht zuletzt wegen der Fassaden-Wandmalereien und einer astronomischen Uhr zu den herausragenden Baudenkmälern der Stadt Ulm. 47 580 Euro stellt das Land bereit für die Sanierung der Westfassade am Rathaus in Ulm.

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Bemalte Fassade und Fenster mit vier mittelalterlichen Menschenskulpturen am Ulmer Rathaus. Seine komplexe Baugeschichte begann im 14. Jahrhundert. Sein jetziges Aussehen geht im Wesentlichen auf die Frührenaissance zurück.

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Unter den kommunalen Vorhaben befinden sich beispielsweise 500 000 Euro für den zweiten Bauabschnitt bei der Sanierung des Hohenstaufen-Gymnasiums in Göppingen (Bild). 118 550 Euro wird für die Sanierung der Gutenbergschule in Karlsruhe hinzugegeben.

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Auch kirchliche Bauten werden unterstützt. Für die Steinsanierung am Freiburger Münster gibt es 500 000 Euro vom Land.

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Glockenturm der Rumänisch-Orthodoxen Kirche in Baden-Baden, das Kuppeldach schmückt ein orthodoxes Kreuz. 463 770 Euro Zuschuss ist für die Konservierung und Restaurierung des Gotteshauses eingestellt. Die Stourdza-Kapelle (erbaut 1863-1866) ist ein vollendetes Meisterwerk des Münchner Baumeisters Leo von Klenzes. Diese Grabkapelle wurde zu Ehren der Familie des moldawischen Fürsten Stourdza erbaut. „Der atemberaubende Blick von hier auf die Stadt lässt besonders im Frühjahr einmal mehr den mediterranen Charakter Baden-Badens erkennen“, so bewirbt die Stadt Baden-Baden die Sehenswürdigkeit.

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Hier eine historische Ansicht der Stourdza-Kapelle in Baden-Baden aus dem Jahr 1898.

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Ausflugsziel für Literaturfans soll sehenswert bleiben: 154 530 Euro sind geplant für die Gesamtinstandsetzung des Hermann Hesse Museums in Calw im Nordschwarzwald.

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Ausflugsziel für Schlossliebhaber: 125 000 Euro gibt es für die Sanierung des Schloss Brenz in Sontheim-Brenz. Seit mehr als 100 Jahren ist das Schlossmuseum für Besucher offen. Die Geschichte des Schlosses und seiner Erbauer ist dort zu erleben. „Nur dank des großen Engagements zahlreicher Privatpersonen, Vereine und Initiativen, Kirchen und Kommunen ist es möglich, unser kulturelles Erbe zu erhalten. Ich freue mich, dass wir diese Menschen mit der Denkmalförderung des Landes dabei unterstützen können“, sagt Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi.