Bauvorhaben in Ulm
Einsteins Erbe groß gedacht
Seit Jahren sammelt ein Ulmer Bürgerverein Spenden für ein so genanntes Einstein Discovery Center. Dann wurde der renommierte Architekt Daniel Libeskind engagiert. Am Sonntag präsentierte der US-Amerikaner einen spektakulären Gebäudeentwurf. Kann er je finanziert werden?
Von Rüdiger Bäßler
Der Architekt Daniel Libeskind ist Amerikaner, Nancy Hecker-Denschlag ist Amerikanerin, und ganz und gar undeutsch, weil endlos euphorisch, klang, was die beiden am Sonntag am Ulmer Donauufer zu sagen hatten. „Wer hat Bilbao gekannt, bevor das Guggenheim-Museum dort war?“, rief die Vorsitzende des Vereins Einstein Discovery Center mit Emphase in eine einberufene Journalistenrunde.
Etwas von ähnlichem, riesenhaften Format soll eines Tages auch in Ulm entstehen und die Stadt damit auf die kulturelle Weltkarte heben. Der Stararchitekt, der nun schon mehrmals für Sondierungen unter den Münsterturm gereist ist, zeigte erstmals seinen Entwurf eines gewaltigen Erlebniszentrums im Namen und Geist des großen Physikers, der 1879 in Ulm geboren wurde. Dieses Modell mit seinen riesigen, geschwungenen Linien folge den „radikalen Gedanken Einsteins, die Welt zu verändern“, sagte Libes-kind, der auch die Einstein-Archive auf dem Gelände der hebräischen Universität Jerusalem, genannt „The Einstein House“, entwarf.
Ein Spendenbarometer? Lieber nicht
Zahlen gab es an diesem Abend zunächst nur in Bezug aufs Gebäude. Dessen Grundfläche soll sich nach Fertigstellung über 2500 Quadratmeter ausbreiten, die Bruttogeschossfläche wird mit 7800 Quadratmetern, verteilt über fünf Stockwerke, beziffert. Maximale Raumhöhe: 50 Meter. Dazu Technikräume und eine Tiefgarage.
Im Jahr 2016 gründete sich dieser Verein Discovery Center, in dessen Vorstand bekannte politische Namen aus der Region fehlen. Ziel war es, so die Selbstbeschreibung, „eine öffentliche Einrichtung zu schaffen, die Einsteins Bedeutung für Wissenschaft und Technik, aber auch für Pazifismus, Humanismus und Völkerverständigung“ erlebbar mache. Nicht ein Museum mit ollen alten Kleidungsstücken, Füllfederhaltern oder Büchern aus altem Besitz des Meisters ist das Ziel, sondern ein interaktiver, multimedialer Ort, der Einsteins Theorien „in aktueller Technik“ zeigt, mit Experimentierstationen, Ausstellungen, Workshops oder Vorträgen. Eine Schau, die nicht zuletzt Kinder und Jugendliche für Wissenschaft begeistert.
Ein Bild, ein öffentlicher Befreiungsschlag?
Über die letzten Jahre hat der Verein dann immer wieder einmal Pressemitteilungen verbreitet, in denen örtliche Unternehmen mit Spenden genannt wurden, die als Vorschuss fürs Projekt gedacht waren. Wie viel da bisher zusammengelaufen ist, will Hecker-Denschlag nicht sagen, auch nicht, wie viele Millionen Euro Libeskinds Gebäude am Ende kosten würde. Letztere Frage müsse sich in den nächsten Monaten klären, sagte sie. Aber dass nun, da die Öffentlichkeit ein Bild von diesem Einstein-Zentrum habe, die Hoffnung auf eine deutlich ausgeweitete Spendenbereitschaft besteht, das verhehlt sie nicht. Bisher „kriegen wir mehr Geld aus den USA als von hier.“
Aus den Reihen und mit der Kraft der Bürgerschaft wollen die Initiatoren ihr Riesenvorhaben stemmen. Das „Government“, so die Vorsitzende, und auch das klingt ja höchst ungewohnt diesseits des großen Teiches, wolle man gar nicht, brauche man nicht. Das Ulmer Münster, heißt es, sei schließlich auch durch Wille und Arbeit der Bürgerschaft gebaut worden, und nicht durch Erlass von Fürsten oder Bischöfen.
Die Stadt würde ein riesiges Grundstück geben
Die Ulmer Obrigkeit hat sich dennoch schon geneigt gezeigt. Der Gemeinderat mit dem Oberbürgermeister Martin Ansbacher an der Spitze hat dem Verein die kostenfreie Überlassung des gut 13 Hektar großen Grundstücks am nördlichen Stadtrand zugesagt, auf dem zurzeit die alte gläserne Zentrale der Stadtwerke steht. Das, obwohl man im Rathaus mit Sicherheit vom Namen Ulm glaubt, dass er schon heute überregional nicht ganz unbekannt ist.
Vermutlich hören die Stadtoberen auch nicht so gerne, was Libeskind am Sonntag auf die Frage zum Familienmuseum „Die Einsteins“ zu sagen hatte, das vergangenen Juli nach jahrelangem Wägen im historischen Gebäude der einstigen Bettfedernfabrik der Einstein-Großeltern eröffnet wurde (wir berichteten). Das war durch und durch eine Ulmer Government-Initiative. Er sei dort gewesen, sagte der 78-jährige Libeskind, der mit seinen Eltern 1957 zunächst von Polen nach Israel emigriert war, bevor er in die Vereinigten Staaten weiterzog. Diese Schau sei „nostalgisch“ und „sentimental“, aber: „Einstein braucht mehr als das.“
Der Architekt als Spendensammler
Libeskind, das dürfte wiederum besänftigend wirken, will sich über eigene Netzwerke am Spendensammeln innerhalb der USA beteiligen. Die Hoffnung sei da, heißt es wiederum aus dem Verein, dass die Bagger Ende dieses Jahrzehnts auffahren könnten.