Endlich wieder gemeinsames Fastenbrechen

Wegen der Pandemie mussten die Mitglieder der Türkisch-Islamischen Gemeinde während des Ramadans zwei Jahre auf das gemeinschaftliche Fastenbrechen verzichten. Jetzt ist das wieder möglich. In der Backnanger Moschee speisen samstags und sonntags viele Gläubige zusammen.

Nach einer Suppe gibt es Hähnchenfleisch mit Reis und Linsen, zum Abschluss ein süßes Stück Baklava. Foto: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Nach einer Suppe gibt es Hähnchenfleisch mit Reis und Linsen, zum Abschluss ein süßes Stück Baklava. Foto: T. Sellmaier

Von Klaus J. Loderer

Backnang. Erstmals seit zwei Jahren kann in diesem Ramadan die Türkisch-Islamische Gemeinde in der Eyüpsultan-Moschee wieder das traditionelle gemeinsame Fastenbrechen veranstalten. Durch die Coronaverordnungen waren größere Treffen 2020 und 2021 nicht möglich gewesen. Am Ostersonntag kommen rund 350 Menschen in der Moschee zusammen. Das freut den Vereinsvorsitzenden Metin Kazan. „Wir haben das gemeinsame Fastenbrechen vermisst“, sagt er. „Das Gefühl ist wieder da. Alle möchten wieder da sein.“

In diesem Jahr fielen das jüdische Pessach- und das christliche Osterfest zusammen. Das kommt bei diesen im Frühjahr gelegenen Festen immer wieder vor. Was seltener vorkommt, ist eine Überschneidung der christlichen von Aschermittwoch bis Ostern dauernden Fastenzeit und des islamischen Fastenmonats Ramadan. Genau das aber war dieses Jahr der Fall. Da der islamische Fastenmonat Ramadan sich nach dem Mondkalender berechnet, dessen Jahr etwas kürzer ist als das Jahr des Sonnenkalenders, wandert dieser durch die Jahreszeiten. Noch größer ist dieses Jahr die Überschneidung zwischen Ramadan und der großen Fastenzeit der orthodoxen Kirchen.

Dass Christen und Muslime die Tradition einer Fastenzeit pflegen, wertet Murat Haber von der Türkisch-Islamischen Gemeinde Backnang als eine wichtige Gemeinsamkeit. Dass das Fasten zumindest über zwei Wochen gleichzeitig erfolgte, sollte nach Haber zum Anlass genommen werden, die gemeinsamen Wurzeln zwischen Christentum und Islam hervorzuheben: „Die Aufmerksamkeit sollte auf die Gemeinsamkeiten gelenkt werden. Dadurch könnten Hürden abgebaut werden. Ich hoffe, dass dadurch Vorurteile und Islamophobie abgewandt werden könnten. Es sollten mehr die Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden und weniger die Unterschiede.“

Als Sekretär der Türkisch-Islamischen Gemeinde war Murat Haber auch zuständig für die Umsetzung der Coronamaßnahmen. Das bedeutete vor allem eine Vergrößerung der Abstände zwischen den Betenden in der Moschee. Durch die Coronaverbote mussten aber Veranstaltungen wie das Fastenbrechen zwei Jahre lang komplett ausfallen. Es konnte nur im Familienkreis gefeiert werden. Allerdings verteilte der Verein in Hilfsaktionen Lebensmittel an die Menschen in den Flüchtlingsunterkünften, damit diese wenigstens privat das Fastenbrechen feiern konnten. „Wir haben Pakete für Asylbewerber gemacht“, berichtet Metin Kazan, und auch jetzt freue man sich über Gäste. Wohltätigkeit gegenüber Bedürftigen sei ein wichtiges Element im Islam, betont der Vereinsvorsitzende.

Mit dem Auslaufen der Coronaverbote konnten die Abstände in der Moschee wieder verringert werden. Und es findet erstmals wieder das traditionelle gemeinsame Fastenbrechen in der Moschee statt. Seit dem Abend des 1. April ist Ramadan. Samstags und sonntags veranstaltet die Türkisch-Islamische Gemeinde das gemeinsame Fastenbrechen Iftar. Früher war das sogar täglich. Nun musste alles sehr kurzfristig organisiert werden. Darum konzentriert man sich auf das Wochenende, weil da Vorstandsmitglieder und die Jugendgruppe mehr Zeit haben.

Am Ostersonntag hat die Türkisch-Islamische Gemeinde den Oberbürgermeister und die Gemeinderatsfraktionen eingeladen. Die Stadträte Mustafa Gül (Grüne) und Erdal Demir (Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit, BIG) begrüßen ihre Ratskollegen Heinz Franke (SPD) und Steffen Degler (AfD). Stadtoberhaupt Maximilian Friedrich betont im Gespräch die Signalwirkung des Zusammenfallens von Ostern und Ramadan: „Das ist eine wichtige Symbolik.“ Über „das Zusammenkommen und das schöne Miteinander“ freut sich Ebubekir Yaliniz (BIG).

Um auf die Gäste vorbereitet zu sein, hat die Gemeinde Zelte im Hof aufgestellt. Rund 350 Menschen finden sich ein. Schon bald bilden sich lange Schlangen vor den Essensausgaben. Diese erfolgen getrennt für Männer und Frauen. Überhaupt bleiben die Geschlechter strikt getrennt beim gemeinsamen Fastenbrechen. Zehn Familien der Gemeinde treten als Gastgeber auf, berichtet Mustafa Gül. Metin Kazan weist darauf hin, dass auch ein Syrer und zwei Frauen aus Bulgarien mithelfen.

Am Ostersonntag ist der Zeitpunkt für das Fastenbrechen um 20.23 Uhr. Durch die länger werdenden Tage verschiebt sich dieser Zeitpunkt jeden Tag leicht. Der exakte Zeitpunkt des Sonnenuntergangs wird für jeden Ort errechnet. Früher war der Zeitpunkt in der Dämmerung gekommen, wenn man einen weißen nicht mehr von einem schwarzen Faden unterscheiden konnte.

Imam Mustafa Caldiran ruft den traditionellen arabischen Gebetsruf und spricht ein kurzes Gebet zum Thema des Fastens. Die Teilnehmer warten mit einer Dattel am gedeckten Tisch. Denn das Fasten wird mit einer Dattel gebrochen. So hatte es der Prophet Mohamed vorgemacht. Dann beginnt das gemeinsame Mahl. Das Essen wird schon bald durch ein weiteres Gebet unterbrochen. Der Imam dankt nun auf Türkisch für das Mahl. Das Essen wird fortgesetzt. Nach einer Suppe gibt es Hähnchenfleisch mit Reis und Linsen und zum Abschluss ein süßes Stück Baklava. Dann ziehen sich die Männer und Frauen – wiederum getrennt – in die oberen Räume zum Abend- und Nachtgebet zurück.

Nach dem Abschluss der Gebete leert sich die Moschee. Einer Männerrunde wird noch Tee gereicht. „Endlich hält wieder Normalität Einzug. Hoffen wir, dass sie bleibt“, freut sich Mustafa Gül. Bis zum Morgengrauen ist essen und trinken erlaubt. Dann ist wieder fasten angesagt.

Den Ramadan über wird das gemeinsame Fastenbrechen weiterhin samstags und sonntags stattfinden. In der 27. Nacht des Ramadans wird zur Nacht der Bestimmung (Türkisch „Kadir gecesi“, Arabisch „Lailat-al-Qadr“) die Moschee besonders geschmückt. In dieser Nacht sollen Mohamed erste Teile des Korans offenbart worden sein, erläutert Mustafa Gül.

Der 30. und letzte Ramadantag ist dieses Jahr der 1. Mai. Am 2. Mai folgt das Ramadanfest, das wegen der zahlreichen Süßigkeiten als Zuckerfest bekannt ist. Am Ramadanfest findet ein großes Gebet statt. Außerdem gehen an diesem Opferfest die Jüngeren ins Elternhaus und gratulieren zum Ramadanfest und erweisen den Älteren ihren Respekt. „Die Kinder bekommen dann Geschenke“, erzählt Murat Haber.

Was passiert im Fastenmonat Ramadan?

Fastenmonat Der Ramadan (Arabisch für „heißer Monat“) ist der Fastenmonat der Muslime und der neunte Monat des islamischen Mondkalenders. Nach islamischer Auffassung wurde in diesem Monat der Koran herabgesandt.

Verzicht Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang verzichten gläubige Muslime auf das Essen und Trinken. Untersagt sind außerdem Rauchen, Geschlechtsverkehr, aber auch üble Nachrede und schlechtes Verhalten. Die Zeit des Fastens soll mit Gebeten, dem Lesen des Korans sowie Besuchen der Moschee verbracht werden. Darüber hinaus soll für wohltätige Zwecke gespendet werden. Das Fastenbrechen am Abend heißt „Iftar“.

Ausnahmen Schwangere, Stillende, menstruierende Frauen, Kranke, Alte, Reisende, Kinder und Menschen, die harte körperliche Arbeit verrichten, sind vom Fasten ausgenommen.

Zeitpunkt Jedes Jahr verschiebt sich der Anfang des Ramadans um etwa zwei Wochen. 2022 dauert der Fastenmonat vom Abend des 1. April bis zum Abend des 1. Mai. Im Anschluss wird das Fest des Fastenbrechens gefeiert (auf Türkisch „Ramazan Bayramı“, auf Arabisch „Eid al-Fitr“, auf Deutsch „Zuckerfest“). Es gilt als eines der wichtigsten muslimischen Feste. Die Festivitäten dauern je nach Land und Region zwei bis drei Tage.

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Erstellt:
19. April 2022, 11:30 Uhr

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