Ungleiche Steuerbelastung

Erbschaftsteuer alarmiert Familienunternehmer

Die Familienunternehmer sorgen sich um die aus ihrer Sicht hohe steuerliche Belastung bei der Übertragung betrieblichen Vermögens. Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz zeigt mögliche Eckpunkte einer Erbschaftsteuerreform auf.

Betriebliche Vermögen zu übertragen, kann mit hohen oder niedrigen Steuern belegt werden – das hängt auch von der Planung ab.

© imago/Christian Ohde

Betriebliche Vermögen zu übertragen, kann mit hohen oder niedrigen Steuern belegt werden – das hängt auch von der Planung ab.

Von Matthias Schiermeyer

Deutschland ist spitze – bei der Besteuerung von Erbschaften aus Betriebsvermögen. Zu diesem Ergebnis kommt eine unserer Zeitung vorliegende Vergleichsstudie des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen. Danach liegt die Bundesrepublik, gemessen an der Steuerbelastung, unter 33 einbezogenen Ländern bei Vererbungen an den Ehegatten ganz vorne und bei Vererbungen an ein Kind hinter Japan und den USA auf Rang drei.

Sorge um Unternehmensnachfolge

14 Länder erheben keine Erbschaftsteuer, weitere zwölf stellen die Begünstigungen von Ehegatten und Kindern von der Steuer frei. Nicht berücksichtigt beim Ländervergleich sind die jeweiligen Möglichkeiten zur Steuerplanung, mit der zumindest ein Teil der mittelständischen Unternehmen die effektive Belastung beim Betriebsübergang reduzieren kann. was wiederum laut den ZEW-Forschern zu Ungleichbehandlungen führt.

Die Familienunternehmer sehen die deutsche Ausnahmestellung mit Sorge. „Die steuerliche Belastung beeinflusst die Entscheidungen der potenziellen Nachfolger für oder gegen die Unternehmensfortführung“, mahnt der Vorstand der Stiftung, Rainer Kirchdörfer. Zudem „müssen wir in dieser Debatte die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts in den Blick nehmen“.

Alarmiert zeigt sich der Verband von den Engpässen in den Haushalten der Länder, denen das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer zusteht und die darin eine verstärkte Einkommensquelle sehen können. Aber auch die Debatte über eine gerechtere Vermögensverteilung beunruhigt die Familienunternehmer. Kritiker des Systems stören sich besonders daran, dass der Staat sehr große Vermögen niedriger besteuert als kleinere Erbschaften, was mit den Ausnahmen für Unternehmensübertragungen zu tun hat.

Das Potenzial ist in jedem Fall riesig: Laut dem Statistischen Bundesamt betrug die vom Fiskus festgesetzte Erbschaftsteuer im vorigen Jahr 7,7 Milliarden Euro. Aktualität gewinnt das Thema auch durch eine mögliche neue Rechtsprechung: Vor dem Bundesverfassungsgericht ist eine Verfassungsbeschwerde zu den Verschonungsregeln für Betriebsvermögen anhängig (AZ 1 BvR 804/22). „Ein Entscheidungstermin ist derzeit nicht absehbar“, sagt ein Sprecher.

Karlsruhe könnte Wende einleiten

2016 hatte der Gesetzgeber für Erbschaften und Schenkungen über 26 Millionen Euro die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung eingeführt. Danach kann dem Erwerber die auf das übertragene Vermögen entfallende Steuer erlassen werden, wenn er nicht in der Lage ist, diese Steuer aus seinem verfügbaren Besitz zu begleichen. Karlsruhe könnte die Privilegien der besonders reichen Firmenerben für verfassungswidrig erklären.

Bisher lassen nur wenige Länder echtes Interesse an einer Reform erkennen, etwa um Umgehungen der Verschonungsbedarfsprüfung zu begrenzen. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) sagte unserer Zeitung: „Das Ziel sollte eine einfache, gerechte und substanzerhaltende Erbschaftsteuer sein – dazu sollten allzu großzügige Ausnahmen eingeschränkt und im Gegenzug großzügige Freibeträge und Stundungsregeln gewährleistet werden.“

Das vererbte Familienheim müsse steuerfrei bleiben. Für Betriebsvermögen sei zentral, dass es langfristige Stundungsregeln gebe, damit die Substanz der Unternehmen erhalten bleibe und Liquiditätsprobleme vermieden werden. „Die damit zusätzlich erzielten Steuereinnahmen könnten zielgenau in Bildung investiert werden“, so Bayaz. „Damit leisten hohe Erbschaften einen Beitrag für die gesamte nächste Generation.“ Die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Bund.

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Erstellt:
4. September 2024, 00:14 Uhr

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