Erfolgreiches Engagement gegen das Artensterben

Bürgerpreis 2021: Steinkäuze gehören zu den gefährdeten Vogelarten in Deutschland. Im Rems-Murr-Kreis waren im Jahr 2000 nur noch zwei Brutstätten bekannt. Dass sich der Bestand erholt hat, ist den rund 30 Ehrenamtlichen des Steinkauz-Projekts mehrerer Nabu-Gruppen im Landkreis zu verdanken.

Ein Steinkauz-Jungvogel bei einer Beringungsaktion des Nabu in Großaspach. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Ein Steinkauz-Jungvogel bei einer Beringungsaktion des Nabu in Großaspach. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

ASPACH. Ohne das Steinkauz-Projekt des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) wäre die Eulenart im Rems-Murr-Kreis heute wohl nicht mehr heimisch. Um das Jahr 2000 waren im Altkreis Backnang gerade einmal noch zwei Brutstätten (Bruten) der gefährdeten Vögel bekannt, in Cottenweiler und Burgstetten. Mittlerweile hat sich der Bestand erholt. 2020 waren 54 Bruten im Landkreis erfolgreich, 162 Jungvögel schlüpften aus ihren Eiern. Dass der Steinkauz im Februar und März, zur Balzzeit, frühmorgens wieder auf den Feldern zu hören ist, das ist dem Engagement der rund 30 Ehrenamtlichen zu verdanken, die sich im Rems-Murr-Kreis beim Nabu für die dämmerungs- und nachtaktiven Eulen engagieren. Mit ihrem Steinkauz-Projekt bewerben sie sich um den Bürgerpreis der Kreissparkasse Waiblingen, der in diesem Jahr unter dem Motto steht: „Umwelt und Natur schützen – nachhaltig für morgen sorgen“.

Ins Leben gerufen haben das Projekt 2002 in Aspach Erich Gassmann, heute 85, und Reinhard Buhl, 71. Wobei sein Kollege schon früher, vor 25, 30 Jahren, „mit den Steinkäuzen“ angefangen habe, inzwischen aber in Nabu-Rente sei, berichtet Buhl, der seinerseits seit mehr als 39 Jahren Nabu-Mitglied ist. Warum er sich schon so lange engagiert? „Wenn man sich als kleines Kind mit den Eltern in der Natur bewegen darf, dann hat man irgendwann das Gefühl: Man muss etwas tun, man muss seine Umwelt schützen“, erklärt er.

Angefangen habe er „mit den Mehlschwalben“, inzwischen hat er sich bei der Arbeitsgemeinschaft Artenschutz Aspach, einer Untergruppe des Nabu Aspach, auf den Steinkauz spezialisiert. „Ich halte ihn für einen faszinierenden Vogel“, sagt Buhl. „Wenn ich im Februar höre, wie er balzt, stehen mir die Haare zu Berge. Das ist einfach toll.“ Um die Eule zu hören, muss Buhl jedoch früh aufstehen. Den Vogel, erklärt er, werde ein Spaziergänger selten sehen, „aber wenn er um 5 Uhr morgens, in der Dämmerung, außerorts umhergeht, kann er ihn mit ein bisschen Glück hören“.

Erfolgreiches Engagement gegen das Artensterben
Die Vögel mit dem wissenschaftlichen Namen „Athene noctua“ sind eine kleine, kurzschwänzige Eulenart aus der Familie der Eigentlichen Eulen (Strigidae). Ihr Gefieder ist auf der Oberseite dunkelbraun und dicht weißlich gefleckt. Die Unterseite ist weißlich und breit dunkelbraun gestreift. Die Augen sind gelb.

Was den Steinkäuzen im Rems-Murr-Kreis beinahe zum Verhängnis wurde: Ihr Lebensraum ist in den vergangenen Jahren stark geschrumpft. Die streng geschützten Vögel brüten eigentlich in den Löchern hohler Bäume. Doch inzwischen sind diese sogenannten Naturbruten sehr selten, da alte Bäume – beispielsweise auf Streuobstwiesen – in der Regel nicht mehr stehen gelassen werden. Gassmann und Buhl fingen 2002 also damit an, künstliche Niströhren aufzuhängen. „Uns blieb nichts anderes übrig, sonst wären die Vögel ausgestorben“, so Buhl.

Zu den Aufgaben der Gruppe gehört es, Nistkästen aufzuhängen und zu pflegen, Jungvögel zu beringen.

Zwei Jahre kümmerten sich die beiden allein um die Steinkäuze im Altkreis Backnang, im Jahr 2004 riefen sie beim Nabu Rems-Murr an, wollten wissen, ob sich dort schon jemand mit der Vogelart beschäftigte. Daraufhin wurde die Steinkauzgruppe Rems-Murr-Kreis gegründet. „Wir haben uns die Gebiete dann ein bisschen aufgeteilt, sodass es keine Überschneidungen gab“, berichtet Buhl. Zu den regelmäßigen Aufgaben der Gruppe gehört es, die Nistkästen aufzuhängen und zu pflegen, den Bestand der Tiere zu erfassen und die Jungvögel in Zusammenarbeit mit der Vogelwarte Radolfzell zu beringen, sobald sie alt genug sind.

Obwohl der Erfolg auf sich warten ließ, blieb die Gruppe am Ball. Die ersten beiden Jahre waren von Rückschlägen geprägt, „die erste Brut ist draufgegangen“, erinnert sich der Vogelkenner. 2005 gab es die erste erfolgreiche Brut in Aspach, in den Jahren danach steigerte sich der Bestand langsam. Inzwischen verharrt er – mit leichten Schwankungen – auf einem ähnlichen Niveau.

Denn wie es dem Steinkauz und seinem Nachwuchs geht, hängt nicht nur von den Brutbedingungen, sondern auch von anderen Faktoren ab, wie etwa dem Zustand der Mauspopulation. „Das ist nicht wie ein Hühnerhof, auf dem man die Tiere einfach füttern kann“, sagt Buhl. Wenn ein Jahr sehr nass ist, viele Mäuse auf den Feldern ertrinken, haben die Käuze weniger Futter. Regenwürmer sind eine Ersatzmahlzeit, „aber der Altvogel muss den Jungen erst mal einige Regenwürmer reinbringen, um eine Maus zu ersetzen“, so Buhl. Darüber hinaus komme es ab und zu auch vor, dass Altvögel von größeren Greifvögeln geschlagen oder von einem Auto erfasst werden. Ihre Brut ist dann verlassen. Ob der Kauz noch brütet, auch das kontrolliert die Nabu-Gruppe bei ihren Rundgängen zu den Nistkästen. Am Samstag vor einer Woche war Reinhard Buhl zuletzt mit seinen Mitstreitern in Aspach unterwegs, um die Brutplätze zu begutachten und Jungvögel zu beringen. Der Erfolg war mäßig, berichtet er, „wir hatten schon bessere Tage“. So sei es aber oft am Ende der Saison, die von Mitte Mai bis Anfang Juli dauert. Nur eine Brut mit vier Jungvögeln entdeckten die Naturschützer. In den beiden Wochen davor waren es jeweils sechs Bruten, sagt Reinhard Buhl.

Die ganze Angelegenheit sei „extrem aufwendig“, sagt er. Das liegt daran, dass man den richtigen Zeitpunkt abpassen muss, um die Jungvögel zu beringen: Ist man zu früh dran, kann man sie noch nicht beringen, kommt man zu spät, ist der Nachwuchs schon ausgeflogen. Oder er sitzt als sogenannter Ästling auf einem Ast des Baums, „dann können Sie ihm hinterherhüpfen“, sagt Buhl.

Morgens um 7.30 Uhr haben sich die Nabu-Mitglieder getroffen, um die Vögel, die zwischen 17 und 27 Tage alt sind, zu messen, wiegen, kartieren und beringen. Mit von der Partie waren vier Beringer, die nach einer zweijährigen Ausbildung vom Regierungspräsidium für diese Aufgaben zugelassen sind, sowie mehrere Ehrenamtliche, die unter anderem dabei halfen, die dreiteilige Schiebeleiter zu den Bäumen zu tragen und zu sichern.

An jedem Baum mit einer Niströhre wird normalerweise die Leiter angelehnt, der Beringer steigt hinauf, schaut mit einer Taschenlampe in der Röhre nach der Brut und verstopft das Einflugloch. Anschließend wird die Leiter umgestellt. Der Beringer holt den Jungvogel aus der Klappe am hinteren Ende der Niströhre. Der junge Steinkauz kommt in einen Beutel, wird unten beringt und gleich wieder zurück ins Nest gesetzt.

Nachwuchskräfte, die bei der Aktion helfen, gebe es derzeit genug, sagt Buhl, „wobei wir nie zu viele Helfer haben können“. Sollte das Steinkauz-Projekt Rems-Murr-Kreis den Leserpreis beim Bürgerpreis gewinnen, würde die Gruppe mit dem Preisgeld die Biotoppflege fördern, insbesondere den Erhalt der Streuobstwiesen. „Das Geld würde auf jeden Fall dem Umweltschutz im Landkreis zugutekommen“, betont Reinhard Buhl.

In einer Serie stellen wir die Kandidaten aus unserem Verbreitungsgebiet vor, die beim Bürgerpreis Rems-Murr für den Leserpreis der Backnanger Kreiszeitung und der Murrhardter Zeitung nominiert sind. Abstimmen für den eigenen Favoriten kann man vom 3. bis 11. Juli auf www.bkz.de.

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Erstellt:
29. Juni 2021, 11:30 Uhr

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