Was geschah am . . . 18. März 1980?

Erich Fromm – Über die Kunst in Freiheit und Liebe zu leben

Schon vor Jahrzehnten warnte der Psychoanalytiker Erich Fromm vor einer Welt, in der Menschen ausschließlich funktionieren. Er definierte Liebe, Freiheit und Verantwortung – mit tiefgründigem Blick, der zeitlos bleibt. Am 18. März 1980 starb der Meisterdenker.

Am 18. März 2025 jährt sich der Todestag des Soziologen, Psychoanalytikers und radikalen Moralisten Erich Fromm zum 45. Mal.

© Fromm Executor/Erich-Fromm-Institut, Tübingen

Am 18. März 2025 jährt sich der Todestag des Soziologen, Psychoanalytikers und radikalen Moralisten Erich Fromm zum 45. Mal.

Von Markus Brauer/dpa/kna

Es ist der ewige Streit, was mehr wiegt: Sein oder Haben, äußerer Besitz oder innere Freiheit. Der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm hat dieser Frage eines der populärsten Wissenschaftsbücher des 20. Jahrhunderts gewidmet: „Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft“ (1976).

Darin schreibt er: „In der Existenzweise des Habens findet der Mensch sein Glück in der Überlegenheit gegenüber anderen, in seinem Machtbewusstsein und in letzter Konsequenz in seiner Fähigkeit, zu erobern, zu rauben und zu töten. In der Existenzweise des Seins liegt es im Lieben, Teilen, Geben.“

Liebe – die Utopie schlechthin

Erich Fromm wurde umschwärmt, galt als überaus gebildet und wusste die Empfindungen von Millionen Menschen in Worten einzufangen. Am 18. März jährt sich der Todestag des Soziologen, Psychoanalytikers und radikalen Moralisten Erich Fromm zum 45. Mal.

In Erinnerung geblieben ist er als ein Mann, für den Liebe nicht nur ein Wort war, sondern die Utopie schlechthin. Seine Bücher „Die Kunst des Liebens“ (1956) und „Sein und Haben“ (1976) wurden Millionenseller. Seine Analyse der menschlichen Seele in den Zwängen der „real existierenden Industriegesellschaft“ bleibt bis heute Weg weisend.

Am 23. März 1900 als Sohn eines orthodox-jüdischen Weinhändlers geboren, wuchs Erich Fromm als behütetes Einzelkind in Frankfurt am Main auf. Er studierte zunächst Psychologie, Philosophie und Soziologie, promovierte 1922 bei Max Webers Bruder Alfred und begann anschließend ein Medizinstudium, das er mit einer psychoanalytischen Ausbildung abschloss.

Neue Heimat in den USA und der Schweiz

Max Horkheimer, mit dem er bis zum Bruch im Jahr 1939 freundschaftlich verbunden war, holte ihn bald als Privatdozent in sein legendäres Frankfurter „Institut für Sozialforschung“. Doch bereits im Sommer 1931 zwang ihn eine Tuberkulose-Erkrankung, für drei Jahre nach Davos zu ziehen.

Es waren, wie Fromms Nachlassverwalter und Schüler, der Tübinger Psychoanalytiker Rainer Funk, betont, seine „schlimmsten Leidensjahre“, zumal er nach Hitlers Machtergreifung – als Jude wie als Marxist gleichermaßen in Gefahr – nicht mehr nach Deutschland zurückkehren konnte.

Fromm emigrierte im Jahr 1934 in die USA, bekleidete dort mehrere Professuren und wechselte 1951 schließlich an die Universität von Mexiko. Seit 1965 hatte der 1940 in die USA Eingebürgerte auch einen festen Wohnsitz bei Locarno in der Schweiz. Dorthin übersiedelte er 1974 gemeinsam mit seiner dritten Frau Annis Freeman endgültig. Er blieb dort bis zu seinem Tod am 18. März 1980.

Ein Humanist, der die Hoffnung nie aufgab

Erich Fromm selbst sah sich als einen Humanisten, der auch im hohen Alter „die Hoffnung nicht aufgeben“ wollte, dass sich die Menschen bessern könnten. Eine seiner großen Leistungen war es, das Individuum in den gesellschaftlichen Kontext zu stellen und „die Spaltung zwischen Herz und Hirn“ zu überwinden, die er als das Resultat des „selbstsüchtigen Materialismus“ der modernen Gesellschaft begriff.

So warnte er immer wieder vor krank machenden Lebensbedingungen, in denen der Mensch zur „Ware“ herabgewürdigt werde, und forderte eine neue Gesellschaftsform, die nicht länger den Profit, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen sollte.

Fromms Fundament: Freud und Marx

Anfangs eng mit der Lehre Sigmund Freuds verbunden, gab er schließlich dessen Triebtheorie auf, um die Psychoanalyse mit den marxistischen Ideen zu verbinden und mit Impulsen aus dem jüdischen Kulturkreis zu nähren. „Wir Psychoanalytiker der zweiten Generation“, erklärte Fromm einmal, „stehen auf Freuds Schultern – und darum sehen wir weiter.“

Im Gegensatz zu den Kollegen in Horkheimers Institut in Frankfurt verstand es Fromm, selbst hoch differenzierte Theorien in verständliche Sprache zu kleiden. Nicht zuletzt deshalb war vielen seiner rund 40 Werke ein enormer Erfolg beschieden.

Wunsch nach Autorität in unsicheren Zeiten

Als eines seiner bedeutendsten Bücher gilt das 1941 veröffentlichte Werk „Furcht vor der Freiheit“, in dem Fromm sowohl das Phänomen des Nationalsozialismus analysiert als auch seine Ideen des „autoritären Charakters“ zusammenfasst.

Fromm führte Ideen von Sigmund Freud oder Karl Marx weiter, bezog etwa Marx’ Ausspruch von Religion als „Opium für das Volk“ auf Fernsehen oder Sportveranstaltungen: Blieben sie den Menschen längerfristig verweigert, drohten Nervenzusammenbrüche oder Angstzustände. Die Übertragung auf Smartphone und Streaming-Dienste scheint aus heutiger Perspektive ein kleiner Gedankensprung zu sein.

Wer wiederum Erich Fromms Überlegungen zu Autoritarismus und Narzissmus liest, wird fast zwangsläufig manch zeitgenössischen Politiker vor Augen haben: Menschen, die Großartigkeit erleben wollten, neigen nach Worten des Analytikers eher dazu, narzisstischen Personen zu folgen. In „Die Flucht vor der Freiheit“ beschreibt er den Wunsch nach strikt vorgegebenen Linien in unsicheren Zeiten.

Liebe – ein aktives Bemühen und kein sentimentaler Kitsch

Auch zählt Fromm zu jenen Wissenschaftlern, die früh den Zwiespalt des modernen Menschen beschrieben, zwar in größerem materiellem Wohlstand und größerer Freiheit zu leben als je zuvor, aber zugleich massiv von psychischen Erkrankungen betroffen zu sein.

Einen Grund dafür sieht er darin, dass der Einzelne zumeist nach seinem „Marktwert“ beurteilt werde, austauschbar und unpersönlich, und sich äußeren Verpflichtungen anpassen müsse, um zu bestehen. Auf Dauer führe dies zu einer Entfremdung von sich selbst und von anderen, erklärt Fromm. Wachstum müsse menschlich vonstatten gehen, und Sinn sei eher jenseits von Konsum zu finden.

Seine Definition menschlicher Grundbedürfnisse – Verbundenheit, Kreativität, Verwurzelung, Gefühl für Identität sowie ein Orientierungsrahmen – wird heute ebenso wie seine Auffassung von Liebe immer wieder zitiert. Liebe sei nicht einfach ein schönes Gefühl, sondern erfordere aktives Bemühen, könne und müsse eingeübt werden.

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Erstellt:
13. März 2025, 15:00 Uhr
Aktualisiert:
13. März 2025, 16:07 Uhr

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