Erinnerungskultur auf dem Stadtfriedhof in Backnang
Über Grabnutzungsrechte hinaus wird an historisch wichtige Persönlichkeiten im Backnanger Lapidarium erinnert. Auch der Stein auf dem Grab von Felicitas und Heinrich Zeller soll dorthin verlegt werden. Autorin Renate von Babka plädiert für den Erhalt der Originalgrabstätte.

© Alexander Becher
Das Grab der Zellers wird bald nicht mehr an der alten Friedhofsmauer zu finden sein. Fotos: Alexander Becher
Von Ingrid Knack
Backnang. Das Lapidarium auf dem Backnanger Stadtfriedhof auf einer Wiese unweit der Aussegnungshalle ist eingerichtet worden, um Grabsteine von für Backnang wichtigen Verstorbenen oder besonders gestaltete, kulturhistorisch bedeutsame Grabsteine erhalten zu können. Wenn Angehörige das Nutzungsrecht an der Grabstelle nicht mehr verlängern wollen oder wenn es keine Nachkommen mehr gibt, schaltet sich die Stadtverwaltung im Sinne der Erinnerungskultur ein.
Ganz aktuell geht es nun um die Grabstätte von Felicitas und Heinrich Zeller an der alten Mauer, die sich mitten durch den Friedhof zieht. Felicitas Zeller war die erste Backnanger Stadträtin. 1919 hatte sie ihr Amt angetreten, das bis zu diesem Zeitpunkt nur von Männern ausgeübt worden war. Neben vielen anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten arbeitete sie bis 1922 im Gemeinderat mit. Ihr Ehemann war Arzt. Das Grab soll aufgelöst und der Grabstein mit dem mächtigen Natursteinkreuz ins Lapidarium versetzt werden. Dies empfindet Renate von Babka, die 2017 den Bildband „Backnanger Gräber. Stille Zeugen auf dem Stadtfriedhof“ herausgebracht hat, als „Missachtung der eigenen Geschichte“.
„Ich bin ganz traurig, dass sie die Originalgrabstätte entfernen wollen“, versichert Renate von Babka. Die Grabstätte oder nur den Grabstein zu erhalten, das ist für sie ein riesiger Unterschied. Zumal auch noch die steinernen Buchstaben Alpha und Omega für Anfang und Ende, die in die Friedhofsmauer eingelassen sind, zum Grabensemble gehören. Zudem weist sie auf Heinrich Zeller als „historische Persönlichkeit“ und die bedeutenden Vorfahren des Arztes hin. Mit ihrem Anliegen wandte sie sich per E-Mail an Oberbürgermeister Maximilian Friedrich, an Heiner Kirschmer, der sich unermüdlich für die Stadtgeschichte einsetzt, an die Steinwerkstätte Wenzler&Vogt in der Stuttgarter Straße und an Andreas Gärtner von der Friedhofsverwaltung. Von der Stadtverwaltung meldete sich daraufhin Erster Bürgermeister Siegfried Janocha. Dieser habe ihr keine Hoffnung gemacht, dass das Originalgrab so bleiben könne, wie es ist, gibt sie Auskunft.
Beispiele für Grabsteine,die ins Lapidarium versetzt wurden
Siegfried Janocha spricht auf Nachfrage unserer Zeitung von zwei Kriterien, nach denen die Verwaltung vorgeht, wenn es um nicht mehr erneuerte Grabnutzungsrechte geht. Es existiere zum einen eine Liste von Persönlichkeiten, die für die Stadtgeschichte wichtig seien. Auch Felicitas Zeller stehe auf dieser Liste. Wollten Angehörige das Grab einer dieser Personen der Backnanger Geschichte nach abgelaufener Ruhezeit nicht weiter aufrechterhalten, „fragen wir sie, ob wir das Grabmal erhalten dürfen“, so Janocha. Zum anderen gehe es um „künstlerisch wertvolle Grabmale“. Ein Originalgrab einfach so zu belassen, „würde unserem Vorgehen widersprechen“, so Janocha.

© Alexander Becher
Im Lapidarium wird an Persönlichkeiten der Geschichte Backnangs erinnert.
Hermann-Krimmer-Grabstein kommt ebenso ins Lapidarium
Zurück zu Felicitas und Heinrich Zeller. „Die Grabnutzungsberechtigten wohnen auswärts, sie wollen keine Verlängerung mehr“, erklärt Janocha. Die Restaurierung des Grabsteins und die Versetzung ins Lapidarium zahle die Stadt Backnang. Am Rande erwähnt er noch eine weitere Würdigung der ersten Backnanger Stadträtin. Wie bei Fritz Munz, zu dessen Ehren 1997 ein Weg im Biegel benannt wurde, sei auch Felicitas Zeller bei der Benennung eines Weges berücksichtigt worden: Es gibt die Felicitas-Zeller-Staffel, die zu ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Albertstraße in Richtung Murr führt. Und wie bei Munz soll auch eine Tafel mit einem Text von Stadtarchivar Bernhard Trefz über das Wirken Zellers neben dem Grabstein im Lapidarium aufgestellt werden. Übrigens: Auch der Grabstein von Hermann Krimmer wird nach den Worten Siegfried Janochas in absehbarer Zeit ins Lapidarium kommen.
Umzug nach Backnang Felicitas Zeller (sie wurde 1867 in Ingelfingen bei Künzelsau geboren und starb 1947 in Backnang) heiratete 1891 in Markgröningen den Arzt Heinrich Zeller, der im selben Jahr eine Praxis in Backnang eröffnete, in der seine Frau mitarbeitete. 1895 zog die Familie in die Albertstraße 10. Die Zellers hatten sieben Kinder.
Erste Stadträtin Bei der ersten Gemeinderatswahl nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1919 ließ sie sich als Kandidatin der Liste der Liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) aufstellen und wurde auch gleich gewählt. Dem Backnanger Gemeinderat gehörte sie bis 1922 an.
Soziales Engagement Die Backnangerin half bei der Armenfürsorge und beim Roten Kreuz. 1916 bekam sie das Charlottenkreuz verliehen, weil sie sich um Kriegsverwundete gekümmert hatte. Auch im Kirchengemeinderat war sie Mitglied.