Debatte um Rassismus
Erlebt Bundeskanzler Olaf Scholz gerade seinen Laschet-Moment?
Armin Laschet kostete 2021 ein falscher Lacher die Wahl. Manche meinen, dass die „Hofnarr“-Äußerungen des Kanzlers ein vergleichbarer Patzer sind.
![Erlebt Bundeskanzler Olaf Scholz gerade seinen Laschet-Moment? Sieht sich plötzlich Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).](/bilder/sieht-sich-ploetzlich-rassismus-vorwuerfen-ausgesetzt-873540.jpg)
© Michael Kappeler/dpa
Sieht sich plötzlich Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Von Norbert Wallet
Schon ganz früh in der Debatte um die umstrittenen Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz kommt der Hinweis auf Armin Laschet. Und er kommt von sehr prominenter Stelle. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Karin Prien, twitterte am Dienstag folgende sehr interessante Bemerkung: „Bin jetzt auf die Reaktion der Medien wirklich gespannt: Armin Laschet ist für ein unangemessenes Lachen medial hingerichtet worden. Für den Bundeskanzler müsste es das mit dieser rassistischen Äußerung gegenüber Joe Chialo ja dann gewesen sein.“
Seither dreht sich eine erhitzte Debatte vor allem darum, ob die von Scholz in Hinblick auf Chialo gewählte Bezeichnung „Hofnarr“ tatsächlich einen rassistischen Unterton gehabt hat. Dabei lohnt sich auch zumindest ein kurzes Verweilen beim Laschet-Vergleich. Erlebt der Bundeskanzler nun seinen Laschet-Moment? Sind die beiden Vorgänge tatsächlich vergleichbar?
Armin Laschets Umfragewerte brachen ein
Zur Erinnerung: Am 17. Juli 2021, also mitten im Bundestagswahlkampf, war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ins vom Hochwasser besonders betroffene Erftstadt gekommen, um den Menschen der Stadt sein Mitgefühl auszudrücken. Kameras erwischten Laschet dabei, wie er im Hintergrund stehend und offenbar auf eine Bemerkung eines Umstehenden reagierend mit Belustigung und Lachen reagierte. Das unpassende Verhalten wurde zu einem breiten Medienthema und die Umfragewerte der Union brachen deutlich ein.
Hat also Scholz – das meint ja der Hinweis auf Laschet eigentlich – einen wahlentscheidenden Fehler gemacht? Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae hat da seine Zweifel. „Nein“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung, „das hat dann doch nicht dasselbe Momentum.“
Tatsächlich gibt es zwei beträchtliche Unterschiede zwischen den beiden Vorgängen: Anders als bei Laschet kann man nun wirklich nicht sagen, dass Scholz oder seine Partei in Gefahr stünden, die Führungsposition in den Umfragen zu verlieren. Die SPD ist von der Pole-Position meilenweit entfernt, insofern könnte der Fall Chialo allenfalls die schlechte Ausgangslage weiter verfestigen. Es gibt also schon mal einen erheblichen Unterschied in der potenziellen Dramatik der Geschehnisse.
Olaf Scholz machte Bemerkungen im privaten Rahmen
Der zweite Unterschied: Während Flut und Hochwasser Themen waren, die die gesamte Bevölkerung massiv beschäftigten und deshalb jedes politische Ereignis rund um diese Notlage auf größte Beachtung stieß, handelt es sich bei Scholz um einige Bemerkungen anlässlich eines Treffens im privaten Rahmen. Und Joe Chialo dürfte nur wenigen Bürgern ein geläufiger Name sein.
Was natürlich kein Grund sein kann, den Vorgang zu verharmlosen. Angesichts der allgemeinen Aufregung in der heißen Phase des Bundestagswahlkampf ist es nicht ganz leicht, die richtige Einordnung zu finden. Da helfen vielleicht zwei Beobachtungen von Politikern, deren Parteien nicht unmittelbar involviert sind und die Dinge wenigstens mit etwas Abstand betrachten können. Für den FDP-Politiker Stephan Thomae „schießt die Debatte derzeit über das Ziel hinaus“. Es sei „abwegig, dem Kanzler zu unterstellen, er habe vorsätzlich eine rassistische Bemerkung platziert“. Und es sei schade, „dass nun im Wahlkampf der Fokus von den Zukunftsthemen weggenommen wird, die uns eigentlich beschäftigen sollten.“
Auch der stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei Ates Gürpinar findet die Reaktionen des politischen Gegners zu heftig: „Dass Spahn und Merz sich als Rächer der rassistisch Beleidigten aufspielen, ist absurd und durchschaubar“, sagte er unserer Zeitung.
Thomae und Gürpinar sind allerdings in der Sache weit davon entfernt, den Kanzler zu verteidigen. „Ich frage mich natürlich, was Scholz eigentlich ausdrücken wollte“, sagt Gürpinar. „In jedem Fall ist das eine Herabwürdigung von Chialo, weil Scholz dessen politische Position nicht ernst nimmt, indem er ihn zum Hofnarren herabsetzt, und damit unterstellt, er sei zum Amusement da und nicht, wie die anderen, um für eine politische Richtung auch innerhalb der Partei zu argumentieren.“
Thomae sieht das ähnlich: „Für einen Bundeskanzler kann es nie eine Entschuldigung sein, dass etwas im privaten Rahmen stattgefunden habe. Für einen Regierungschef gibt es keinen privaten Rahmen“, sagt Thomae. „Was er gesagt hat, war beleidigend und respektlos.“
Der Rassismus-Vorwurf wird auch innerhalb der Union nicht wirklich aufrechterhalten. „Ich halte Olaf Scholz nicht für einen Rassisten“, sagte Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer im Bundestag, unserer Zeitung. „Doch seine unsägliche Entgleisung ist kein Einzelfall mehr.“ Er reihe sich vielmehr ein „in eine Reihe ähnlich gelagerter Fehltritte“. Frei nennt „seinen herabwürdigenden Nachruf auf Christian Lindner und seine Beleidigung gegen Friedrich Merz“. Das mache deutlich, dass sich Scholz „nicht im Griff hat“ und „kein Kanzlerformat“ habe. Das unterstreiche auch, „die Unfähigkeit, sich zu entschuldigen“.