Erste Hilfe für die Igel in der Region
Wer einen verletzten, ausgehungerten oder zu schwachen Igel findet, kann oft mit einigen wenigen Hausmitteln den nachtaktiven Tieren viel Gutes tun. Doch für die richtige Igelpflege gilt es, einige Fehler zu vermeiden. Tipps gibt es von der Igelstation im Raum Backnang.
Von Kristin Doberer
Rems-Murr. Mit kugelrunden Knopfaugen begutachten die sieben Igelbabys aufmerksam ihre Umgebung. Neugierig wuseln sie durch die Box und verstecken sich auch mal unter dem Handtuch. Im Gegensatz zu ihren wilden Artgenossen rollen sie sich aber nicht sofort zusammen, wenn man über ihre noch ganz weichen Stacheln streicht. „Die mussten per Hand aufgezogen werden“, erklärt Elke Weinstein die Zutraulichkeit der kleinen Wildtiere. Die mittlerweile etwa sieben Wochen alten Igelkinder kamen als verwaiste Babys auf Weinsteins Igelstation, die einzige im Raum Backnang. In der ersten Zeit mussten sie alle zwei bis drei Stunden gefüttert werden. Elke Weinstein hilft mit ihrer Igelstation seit etwa vier Jahren verletzten und verwaisten Tieren. Für Igel setzt sie sich aber schon deutlich länger ein, seit sie vor einigen Jahren einen verletzten Igel vor ihrer Haustür gefunden hat. Gerade wenn es auf den Winter zugeht, füllt sich Elke Weinsteins Igelstation, zum Teil kann sie schon gar keine Tiere mehr aufnehmen. Den Stacheltieren kann man aber schon mit wenigen Hausmitteln helfen und auch das Aufpäppeln bis zum Winterschlaf kann man zumindest bei gesunden Tieren auch zu Hause hinbekommen. Was genau man beachten muss, wenn man einen Igel findet, der Hilfe braucht, erklärt Elke Weinstein. Doch woran erkennt man, dass ein Igel Hilfe braucht? „Wenn ein Igel apathisch ist und tagsüber unterwegs oder schon mit Parasiten bedeckt ist, braucht er Hilfe“, erklärt Weinstein.
Wasser „Wasser ist das A und O für Igel, es ist wichtig, dass sie als Erstes Flüssigkeit bekommen“, erklärt Weinstein. Findet man einen apathischen Igel, kann man diesem Zuckerwasser hinstellen. Alternativ geht auch Wasser mit etwas Honig oder auch Fencheltee mit etwas Honig. „Wenn das Tier nicht von alleine trinkt, kann man versuchen, ihm mit einer Spritze ohne Nadel etwas einzuträufeln.“ Entgegen vieler Vorurteile sollte man aber unbedingt darauf verzichten, handelsübliche Milch zu geben. „Das vertragen die nicht“, betont sie. Anfassen sollte man die Tiere übrigens immer mit Handschuhen oder einem Handtuch, denn sie können ganz schön zubeißen.
Igelhilfe Als Laie sollte man sich immer an die Igelhilfe wenden. Selbst wenn sie in ihrer Igelstation mal keinen Platz mehr hat, um Tiere aufzunehmen, steht Weinstein beratend zur Seite. Sie gibt gerade Laien wichtige Tipps und sagt, was man unbedingt vermeiden sollte, damit man die Situation nicht noch verschlimmert. Gerade bei verletzten Tieren sei ein Besuch beim Tierarzt oder in der Tierklinik unumgänglich.
Futter „Der Igel ist ein Fleischfresser, Obst oder Salat frisst er nicht“, betont die Tierschützerin. Als Futter sei Kittenfutter, also Futter für Katzenkinder, am besten geeignet. Sowohl für kleine als auch für erwachsene Igel sei darin alles enthalten, was diese benötigen. Am besten nehme man Rind oder Huhn, von Kaninchen oder sonstigen Geschmacksrichtungen seien die Stacheltiere eher nicht angetan. „Allerdings sollte man unbedingt Futter ohne Getreide oder mit nur sehr wenig Getreideanteil nehmen“, betont Weinstein. Denn von getreidehaltigem Futter können die Igel Pilze bekommen. Außerdem gebe es in den üblichen Tierfachgeschäften auch spezielles Trockenfutter für Igel, das man füttern könne. Kann man gerade nicht extra einkaufen gehen, könne man dem Tier zur Erstversorgung aber auch normales Hunde- oder noch besser Katzenfutter geben. Außerdem kann man dem Tier Rührei machen, allerdings ohne Gewürze und mit wenig Öl. Auch Rinderhack kann man so zubereiten.
Parasiten Bei kranken Tieren kommt es immer wieder vor, dass sie von Parasiten befallen sind. Bei Flöhen kann schon ein Hausmittel helfen, erklärt Elke Weinstein. Sie benutzt Wasser mit etwas Spülmittel, das sie mithilfe einer Sprühflasche vorsichtig auf den Igel sprüht. Allerdings müsse man genau auf Augen, Mund und Ohren achten. Auch Zecken kann man ganz einfach mit der Hand oder einer Zeckenzange selbst entfernen. Bei Wurmbefall ist die Behandlung deutlich schwieriger. Ohne einen Tierarzt oder Hilfe von einer Igelstation geht es dann nicht, denn für eine Wurmbehandlung sind mehrere Spritzen nötig.
Igelhaus „Igel sind sehr genügsame Tiere“, betont Weinstein, das gelte auch für ihre Unterbringung, wenn man sie aufpäppelt. Ein Karton oder eine größere Kiste mit Zeitungspapier, Zellstoff oder trockenen Blättern sowie ein Rückzugsort – zum Beispiel ein Schuhkarton oder ein Holzhäuschen – reichen den Tieren, nicht schaden kann auch etwas Totholz von draußen.
Winterschlaf Aktuell benötigen viele Jungigel deshalb Hilfe von Menschen, weil sie sich eigentlich auf den Winterschlaf vorbereiten sollten, oft aber noch lange nicht das dafür benötigte Gewicht von etwa 600 bis 700 Gramm haben. Gleichzeitig wird es schon kälter, das Nahrungsangebot nimmt ab. Päppelt man die Tiere auf, bis sie das richtige Gewicht haben, kann man die Jungtiere in einem Gehege im Garten oder in der Garage überwintern, zumindest wenn die Temperatur dort der draußen ähnlich ist. Denn damit die Tiere in den benötigten Winterschlaf gehen, muss die Temperatur fallen und das Futter nach und nach entzogen werden. „Wasser sollte man aber weiterhin anbieten“, betont Elke Weinstein.
Am besten ist es natürlich, wenn es gar nicht dazu kommt, dass ein Igel die Hilfe von Menschen braucht. Auch dafür gibt die Igelexpertin einige Ratschläge. „Zu den größten Gefahren für die Igel zählen Autos, Laubsauger und Rasenmähroboter“, sagt Weinstein. Wenn man auf letzteren gar nicht verzichten will, sollte ihn zumindest nicht nachts laufen lassen. Denn dann sind die Igel aktiv und werden leicht Opfer der Mähroboter. Wenn man einen Teich im Garten hat, sei es außerdem wichtig, dass es aus diesem Ausstiegsmöglichkeiten über Steine oder sogar eine kleine Treppe gibt. Auch Hausschächte sollte man abdecken, wenn man Igel im Garten hat. Immer wieder komme es vor, dass Igel und andere Wildtiere dort hineinfallen und nicht mehr herauskommen.
Der Igelnachwuchs wird in seiner Kiste so langsam hungrig. Neugierig wuseln die Kleinen in alle Ecken und werfen auf der Suche nach etwas zu knabbern auch mal einen Blick auf den Kistenrand. Die niedlichen Tiere schließt Elke Weinstein natürlich in ihr Herz, besonders die, die sie mit der Hand aufgezogen hat. Trotzdem macht sie ganz deutlich: Die Tiere müssen spätestens im Frühjahr, wenn sie aus dem Winterschlaf erwachen, ausgewildert werden. „Das sind keine Haustiere, sondern Wildtiere. Und die gehören in die freie Wildbahn.“ Hält man einen Igel, der keine Hilfe benötigt oder verletzt ist, im Haus, kann das sogar hohe Strafen nach sich ziehen, denn die Tiere stehen unter Naturschutz. Da Igel Einzelgänger sind, muss Weinstein die sieben Igelkinder demnächst trennen, für einige von ihnen sucht sie aktuell noch Überwinterungsplätze bei Igelfreunden.
Tierheim Infos zur Igelstation sowie Nummern und Adressen gibt es auf der Website des Tierschutzvereins unter www.tierschutzverein-backnang.de. Dort findet man auch Kontaktdaten zum Tierheim Großerlach, wo es auch außerhalb der Öffnungszeiten eine Bandansage mit nötigen Infos gibt.
Spenden In der Igelstation von Elke Weinstein sind aktuell etwa 30 Igel untergebracht. „Für Medikamente, Futter und sonstige Materialien sind wir auf Spendengelder angewiesen“, sagt sie. Spenden kann man ebenfalls über das Großerlacher Tierheim, Spendenquittungen seien möglich. Wer möchte, dass eine Spende direkt an die Igelhilfe geht, kann das mit angeben.