Astronomische Erkenntnis
Es gab doch keine Riesengalaxien im jungen Universum
Die Entdeckung vermeintlicher Riesengalaxien aus der Frühzeit des Universums stellte im vergangenen Jahr das kosmologische Standardmodell infrage. Doch es handelte sich um eine optische Täuschung.
Von Rainer Kayser (dpa)/Markus Brauer
Zu den Hauptaufgaben des James-Webb-Weltraumteleskops gehört die Entdeckung und Beobachtung der allerersten Galaxien, die sich nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren bildeten.
Forscher hatten dabei eher kleine Galaxien erwartet und waren überrascht, als das Teleskop zahlreiche sehr große Galaxien in der kosmischen Frühzeit aufspürte. Denn ein so rasches Wachstum der Sternsysteme stand im Widerspruch zu den theoretischen Vorstellungen von unserem Universum, dem kosmologischen Standardmodell.
Doch jetzt scheint die Welt der Himmelsforscher wieder im Lot zu sein: Wie ein internationales Team im Fachblatt „Astrophysical Journal“ berichtet, sind die verdächtigen Galaxien viel kleiner als zunächst angenommen.
KBSS-InCLOSE I: Design and First Results from the Inner CGM of QSO Line Of Sight Emitting Galaxies at z~2-3. Evan Haze Nunez (Caltech) et. al. https://t.co/CizNuWFlRHpic.twitter.com/Kf0BU0t1Vs — AstroArxiv (@AstroArxiv) August 28, 2024
Kosmische optische Täuschung
„Wir sehen zwar immer noch mehr Galaxien als erwartet, aber keine von ihnen ist so groß, dass sie unser Modell des Kosmos zerstört“, erläutert Katherine Chworowsky von der niversity of Texas. Die vermeintlichen Riesengalaxien entpuppten sich nämlich als optische Täuschung.
Die Astrophysiker hatten aus der Helligkeit der Galaxien auf die Anzahl ihrer Sterne und damit auf die Menge an Materie, die sie enthalten, geschlossen. Tatsächlich stammt ein Großteil des Lichts dieser Sternsysteme aber nicht von Sternen, sondern von Schwarzen Löchern.
Doch keine Krise der Kosmologie
Im kosmologischen Standardmodell besteht das Universum nur zu einem kleinen Teil von etwa fünf Prozent aus sichtbarer Materie, also Sternen und Galaxien. Es sind hauptsächlich die mysteriöse Dunkle Materie und die Dunkle Energie, die über das Schicksal des Kosmos entscheiden.
Das James-Webb-Teleskop empfängt Licht, das bereits vor vielen Milliarden Jahren ausgesendet worden ist. Deshalb erlaubt das Weltraumteleskop einen Blick zurück in die kosmische Vergangenheit. Die Beobachtungen von Chworowsky und ihren Kollegen bringen die kosmische Geschichte nun wieder in Einklang mit den Vorhersagen des Standardmodells.
Zumindest so weit in Einklang, dass die Wissenschaftler nicht länger von einer „Krise der Kosmologie“ sprechen, wie Steven Finkelstein, Leiter der Forschungsgruppe, betont.
Doppelt so viele Galaxien im jungen Kosmos
Gleichwohl zeigt das Webb-Teleskop im jungen Kosmos immer noch etwa doppelt so viele Galaxien wie erwartet. „Vielleicht konnten im jungen Kosmos Sterne leichter entstehen als im heutigen Kosmos“, spekuliert Chworowsky.
Dann wären die Galaxien heller und das Webb-Teleskop könnte sie leichter aufspüren – und deshalb auch mehr von ihnen finden. Folglich müsse nicht das theoretische Modell des Kosmos überarbeitet werden, sondern die Theorie der Sternentstehung im jungen Kosmos, so die Wissenschaftlerin.
Info: Big Bang - der Moment, in dem alles begann
Bing-Bang-Theorie Der Big-Bang-Theorie zufolge ist unser Universum vor knapp 14 Milliarden Jahren aus einem extrem heißen und dichten Zustand hervorgegangen – dem Urknall. „Diese Hypothese geht davon aus, dass die gesamte Materie im Kosmos in ferner Vergangenheit in einem einzigen Big Bang entstanden ist“, erklärte der Astronom und Mathematiker Fred Hoyle (1915-2001).
Universum Der Samen des Universums war dabei viel kleiner als ein Atom und enthielt alle Materie und Energie, die sich heute über viele Milliarden Lichtjahre verteilen. Aus diesem Stoff ist alles entstanden: Sonne und Sterne, Materie und Strahlung – und das Leben. Einfach alles. Irgendwann – den Grund kennen die Physiker nicht – fing dieser winzige, jenseits aller Vorstellungskraft dicht gepackte und unvorstellbar heiße Raum schlagartig an sich zum Universum auszudehnen. Und das tut er bis heute.
Katholischer Priester hörte als Erster den Big Bang Es war ein katholischer Priester, der als erster den Urknall des Universums hörte und so den Big Bang entdeckte: der belgische Jesuitenpater und Astrophysiker Georges Lemaitre (1894-1966). Im Jahr 1927, und damit zwei Jahre vor dem US-Astronomen Edwin Hubble, dem die Urknall-Theorie heute zugeschrieben wird, veröffentlichte Lemaitre seine Studie über die Expansion des Universums. Ausgehend von Albert Einsteins (1879-1955) Allgemeiner Relativitätstheorie und der Theorie eines dynamischen Universums des russischen Mathematikers Alexander Alexandrowitsch Friedmann (1888-1925), kam er zu der Erkenntnis, dass das Universum nach seiner Entstehung vor rund 14 Milliarden ständig im Raum expandiert.