„Es lohnt sich, sich für etwas einzusetzen“
Die Jugendvertreterinnen Natalia Grabke und Selina Häußer erzählen von gelungenen Projekten und Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre. Die Wahl für die neuen Jugendvertreter der Stadt Backnang läuft seit gestern online.

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Natalia Grabke (links) und Selina Häußer vor dem Rathaus in Backnang bei ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren. Archivfoto: T. Sellmaier
Von Kristin Doberer
BACKNANG. Zeitgleich zur Präsidentschaftswahl in Amerika startet auch in Backnang ein Kampf um Wählerstimmen. Denn 13- bis 27-Jährige können seit gestern darüber abstimmen, wer sie in den kommenden zwei Jahren in der Stadt vertreten soll. Sechs junge Leute haben sich für die Position beworben, zwei Jugendvertreter sowie zwei Stellvertreter werden gewählt. Die Jugendvertretung tritt gegenüber dem Oberbürgermeister, dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung für die Interessen der Backnanger Jugend ein. Außerdem organisieren sie Aktionen, um die Bedürfnisse der Jugendlichen abzufragen. Selina Häußer und Natalia Grabke hatten die Position in den vergangenen beiden Jahren inne. Angetreten sind sie 2018 mit großen Plänen: WLAN im Freibad, ein Skatepark für Backnang und rundum eine für Jugendliche attraktivere Stadt. Wie viel konnten sie davon tatsächlich anschieben oder sogar umsetzen?
Ein Projekt konnten sie relativ schnell in die Wege leiten: die Sportgeräte am Annonayspielplatz. „In der Jugendumfrage kam raus, dass viele Jugendliche sich kostenlose und öffentlich zugängliche Sportmöglichkeiten wünschen. Das haben wir dann gleich in einer der ersten Sitzungen angesprochen“, erzählt Selina Häußer. „Die Stadt war da sehr willig und hat uns wirklich viel Freiheit bei der Auswahl und der Platzierung gelassen“, ergänzt Grabke. Zwar kam es zu kleineren Verzögerungen, doch konnten die Sportgeräte im März aufgestellt werden. Mit dem Projekt seien sie sehr zufrieden, gleichzeitig ist es aber das Einzige, das in ihrer Amtszeit geklappt hat.
Was sich Grabke eigentlich gewünscht hat, war der Abschluss von zwei Dauerthemen, die schon auf der Projektliste verschiedener Jugendvertreter gestanden haben. Zum einen die Einrichtung von WLAN im Freibad und eventuell auch in der Innenstadt, zum anderen ein Skatepark für die Stadt. „Wir hatten sogar schon einen Ort dafür im Blick, aber auf eine Anfrage an das Regierungspräsidium bezüglich Bauzeit mussten wir lange warten“, sagt Grabke. Durch Corona habe sich das dann alles etwas verlaufen. Sie hofft aber, dass ihre Nachfolger weiter an dem Skatepark dranbleiben und er irgendwann auch umgesetzt wird. „Die Rollbrettfreunde haben das schon vor Jahren angeschoben. Es wäre schade, wenn sich jetzt niemand mehr für den Skaterpark einsetzt“, sagt Grabke.
Trotz ihres Alters wurden sie im Gremium ernst genommen.
Die zwei Jugendvertreter haben im Gremium zwar kein Stimmrecht, doch sie sind Beisitzer im Jugend- und Sozialausschuss – wie auch der Seniorenrat. Sie nehmen an den Sitzungen teil und können Anträge stellen. Trotz ihres Alters seien sie dort meist ernst genommen worden. „Die Fraktionsvertreter haben uns auch immer angeboten, dass wir mit Vorschlägen auf sie zukommen können“, meint Häußer. Auch Grabke betont die gute Zusammenarbeit mit den Stadträten. Ihren Nachfolgern rät sie, sich so bald wie möglich mit den Fraktionen zu treffen und Kontakte zu knüpfen, durch diese konnten sie auch Themen in den Gemeinderat einbringen. Nicht immer problemlos funktioniert habe dagegen die Arbeit mit der Stadtverwaltung, manchmal hat Grabke die Rückmeldung der Stadt gefehlt. „Zum Teil hat es wirklich lange gedauert, bis Anträge bearbeitet wurden. Ich hätte nicht erwartet, dass alles nur so schleppend vorangeht.“
Trotzdem haben beide viel aus ihrer Zeit als Jugendvertreterinnen mitgenommen. Man bekomme mehr Verständnis dafür, wie Kommunalpolitik funktioniere. „Mir ist jetzt viel bewusster, was alles nötig ist, um etwas konkret umzusetzen“, sagt Grabke. Auch das Hintergrundwissen, wie eigentlich ein Haushalt aufgestellt wird, und die Kontakte zu den Räten sei etwas, das sie mit in die Zukunft nehmen will. „Außerdem haben wir weitere Kompetenzen mitgenommen, zum Beispiel wie man am besten für seine Projekte argumentiert.“ Ob sie sich irgendwann noch mal politisch engagieren will, weiß sie noch nicht. Zunächst steht für die ehemalige Jugendvertreterin das Studium der Religionswissenschaft in Heidelberg auf dem Plan.
Auch für Selina Häußer waren die Erfahrungen und die Zusammenarbeit mit den anderen im Ausschuss, wie den Seniorenvertretern, lehrreich. „Ich habe vor allem mitgenommen, dass es sich immer lohnt, sich für eine Sache einzusetzen. Wenn man nicht nachgibt, kann man auch mit 16 schon was erreichen“, betont die mittlerweile 18-Jährige.
Zumindest vor Corona haben sich die Jugendvertreter etwa einmal im Monat für eine Besprechung getroffen. Der Jugend- und Sozialausschuss tagt zwischen drei- und viermal pro Jahr. Zeitlich sei das sowohl mit Schule wie auch mit anderen Hobbys und ehrenamtlichen Aufgaben problemlos vereinbar gewesen.
Selina Häußer wollte sich nicht nochmal aufstellen lassen, sie macht gerade ein FSJ und will im nächsten Jahr studieren. Dass sich in diesem Jahr sogar sechs Kandidaten um die Position bemühen, hat sie besonders gefreut. „Ich finde es richtig cool, dass sich so viele für die Jugend einsetzen wollen. Ich hoffe, dass die Wahlbeteiligung jetzt auch hoch ist.“ Denn viele Backnanger Jugendliche wüssten leider nicht einmal, dass es die Vertretung überhaupt gibt und dass jeder mit Vorschlägen auf sie hätte zukommen können. Das hat Häußer bei einem Besuch an der Schickhardt-Realschule festgestellt. „Bei dem Termin sind dann trotzdem so viele Ideen zusammengekommen, was man noch verbessern könnte, das war richtig cool“, sagt sie.
Vom 3. bis 17. November (20 Uhr) findet die Online-Abstimmung der Backnanger Jugendvertreter für den Jugend- und Sozialausschuss statt. Die Jugendvertretung tritt gegenüber dem Oberbürgermeister, dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung für die Interessen der Jugendlichen ein.
Zur Wahl stehen: Felix Knietsch (16), Schüler am Max-Born-Gymnasium Backnang; Lennart Kemmler (17), Schüler an der Eduard-Breuninger-Schule; Silvan Vollmer (26), Masterstudent in Hohenheim; Anna Bauer (22), ausbildungsbegleitendes Studium als Physiotherapeutin; Axel Ulrich Bauer (26), Zimmererlehrling; Daria Stümke (22), Ausbildung als Justizfachangestellte.
So wird gewählt: Backnanger zwischen 13 und 27 Jahren erhalten automatisch einen Registrierungscode für die Online-Abstimmung per Post zugeschickt. Nicht-Backnanger, die ihren Lebensmittelpunkt aber in Backnang haben (wie Schule oder Verein), können sich mithilfe eines Identitätsnachweises an das Haupt- und Personalamt der Stadt Backnang (organisation@backnang.de oder telefonisch unter 07191/894-220) wenden und einen Berechtigungscode erhalten. Jeder hat zwei Stimmen.
Weitere Infos zu den sechs Kandidaten, ihren Vorstellungen für Backnang sowie zur Wahl gibt es auf www.stadtjugendring-backnang.de/jugendvertreter-wahl-2020.