Belauschte Gespräche
„Es verletzt mich, dass du mir das nicht zutraust!“
Am Nebentisch des Cafés offenbaren zwei Freunde einander ihre Gefühle auf der Suche nach dem richtigen Platz im Leben. Ein weiterer Teil unserer Serie „Lauschangriff“, in der wir Gespräche von Fremden aufschnappen.

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Beim Bier geht es um abgebrochene Studienfächer und überzogene Gehaltsvorstellungen.
Von Lisa Welzhofer
Kürzlich Besuch des alten Studienorts, einer weinseligen Stadt am Rhein. Erinnerungsschnipsel liegen an jeder Ecke, ein Museum der Melancholie tut sich auf. Hier zig Weißweinschorle konsumiert, da Sommernächte durchgrillt, dort an der Bar zu viele pseudo-tiefschürfende Gespräche mit diesem Typen geführt. Und auf dem Campus hin und wieder einen recht nichtsnutzigen Magister studiert, rauchend in den Hörsälen und nie vor 10.15 Uhr morgens freilich. Eine alles verklärende Nostalgie übernimmt, wenn man das junge Gör, das man vor unvorstellbaren 25 Jahren war, so träumeschwer durch die Gassen mäandern sieht. Das einzig wirkliche Problem seinerzeit: Wird die Seminararbeit rechtzeitig fertig? Wir waren jung und wussten es nicht.
Psycho-Talk zweier Schmerzensmänner
Verschnaufpause von der Biografiearbeit in einem der Altstadtcafés. Die Weinschorle steht bereit, als das Gespräch am Nebentisch Aufmerksamkeit verlangt. „Es verletzt mich, dass du mir das nicht zutraust“, sagt ein junger Mann zu seinem Gegenüber, wohl einem guten Freund. „Doch, doch!“, sagt der, „ich traue dir das schon zu intellektuell. Aber du bist doch so ungeduldig.“ Das klingt interessant. Worum mag es gehen? Jedenfalls scheinen da zwei zu sitzen, die kein Problem mit offenen Worten haben. Ist das so ein typischer Psycho-Talk zweier Schmerzensmänner, wie die „Zeit“ mal den neuen empfindsamen Mann mit Vollbart und Fischermütze betitelt hat?
Im weiteren Verlauf offenbart sich, dass hier eine Art Berufs- und Lebensberatung stattfindet. Der Gekränkte hat schon Verschiedenes angefangen und wieder gelassen: Betriebswirtschaft, Psychologie. Fuß scheint er in keinem von beiden Felder bislang gefasst zu haben. Jetzt will er was mit Technik machen, weil doch Künstliche Intelligenz das Thema sei. Er ist überzeugt: „So einen Bachelor schafft wirklich jeder!“
Sein Freund scheint gefestigter im beruflichen Leben zu stehen, wobei nicht herauszulauschen ist, was er macht. Von den Technik-Träumen seines Kumpels ist er jedenfalls nicht recht überzeugt, rät eher, sich für einen Job zu bewerben.
Das hat der offenbar schon probiert, aber nicht erfolgreich. Woran hat es gelegen? „Vielleicht waren meine Gehaltsforderungen mit 90 000 Euro zu hoch“, mutmaßt er. „Auf jeden Fall! Ohne abgeschlossenes Studium kannst du nur 60 000 verlangen“, sagt sein Ratgeber. Fachkräftemangel hin oder her. Dann fasst er das Dilemma zusammen, in dem diese Generation Z wohl öfter steckt: „Du weißt, was du kannst. Aber wissen das auch die anderen?“ Das hat man selbst doch glatt verdrängt, wie mühsam es mal war, sich – mit so einem nichtsnutzigen Magisterstudium – für den richtigen Platz zu entscheiden.
Was bringen sie zur Party mit?
Und während man noch sinniert und abgleicht, was sich das junge Gör fürs Leben vorgestellt hat, und wie es nun gekommen ist, sind die zwei Freunde schon bei anderen Themen angelangt: Wer bringt was zum Grill-Picknick am nächsten Tag am Rheinufer mit? Was schenken sie dem Freund, der demnächst Party feiert? „Vielleicht einfach einen Kasten Bier?“, meint der eine. Klarer Fall: Sie sind jung und wissen es nicht.
Lauschangriff In loser Folge erzählen wir in unserer Serie von Gesprächen aus dem Alltag, die nicht zu überhören sind.