„Es wird zu süß und zu fett gegessen“

Interview Heute ist der Tag der gesunden Ernährung. Elke Walther, Ernährungsberaterin bei der AOK Rems-Murr, erklärt, welche Fehler häufig gemacht werden und gibt Tipps, wie man mit dem Thema entspannt umgeht.

„Es wird zu süß und zu fett gegessen“

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Was haben Sie heute bisher gegessen?

Mein Standardfrühstück unter der Woche ist ein selbst gemachtes Müsli mit Haferflocken, Nüssen, Ölsaaten wie geschroteter Leinsamen, Sesam, Kürbiskerne sowie Joghurt und Obst. Heute Morgen gab es einen Apfel. Damit komme ich bestens zurecht und bin lange satt. Dazu gab es noch einen Kaffee.

Und was gab es zu Mittag?

Ein Vollkornbrötchen mit Käse und Rohkost. Meine Hauptmahlzeit nehme ich abends ein, gemeinsam mit meinem Mann. Essen hat ja auch einen sozialen Charakter. Dann hat es heute noch zu einer Mandarine gereicht. Und ich nehme mir immer einen Liter Tee mit ins Büro.

Es ist ja extrem schwierig, aus der Fülle der Ernährungsempfehlungen das Richtige für sich herauszufinden. Was hilft beim Weg aus dem Empfehlungsdschungel?

Es gibt ganz viele Möglichkeiten, für sich den individuell besten Weg zu finden. Mit vielen Ernährungsformen kann man sich gut ernähren. Ob man dreimal am Tag essen möchte oder alternativ fünfmal, wichtig dabei ist, dass das Essen dementsprechend gut verteilt wird. Und somit auch die Kalorien. Denn am Ende möchte man ja nicht zunehmen. Um sich gut in diesem Ernährungsdschungel zurechtzufinden, sollte man sich für eine Ernährungsform entscheiden: Ob vegan, vegetarisch oder möglichst CO2-freundlich. Ein weiterer Schritt wäre dann die Umsetzung und die Integration in das Berufs- oder Familienleben. Ein kurzer Check über eine Ernährungsberatung bringt Sicherheit in Bezug auf optimale Versorgung mit allen notwendigen Nährstoffen.

Drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst pro Tag sollten es bei einer ausgewogenen Ernährung schon sein. Ich habe das Gefühl, das schafft kein Mensch jeden Tag.

Es gibt dabei durchaus mehr Spielraum als vielfach angenommen wird: Bleiben wir mal bei den drei Portionen Gemüse und schauen uns ein ganz simples Essen an: Spaghetti mit Tomatensoße und einen grünen Salat dazu. Die Tomatensoße zählt als Gemüseportion. Da steckt vielleicht sogar eine Zwiebel drin, wenn ich sie selber mache, plus Salat. Schon habe ich zwei Gemüseportionen.

Sollte man Mikronährstoffe als Nahrungsergänzungsmittel einnehmen?

Beim Thema zusätzliche Vitamine oder Mineralstoffe sage ich erst einmal Nein. Mit einem ausgewogenen Essen nach den Empfehlungen der DGE, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, ist man mit allen Nährstoffen gut versorgt. Bei einer veganen Ernährung allerdings fehlt das Vitamin B 12. Und die Mineralstoffe Zink und Eisen sollte man im Auge behalten. Am besten man bespricht sich mit seinem Arzt. In besonderen Situationen können Supplemente sinnvoll sein – zum Beispiel bei älteren und kranken Menschen.

Was sind die häufigsten Fehler, die bei der Ernährung gemacht werden?

Das sind die Klassiker: Es wird zu süß und zu fett gegessen. Das zeigt sich klar am Lebensmittelangebot wie auch bei der Datenlage zum Thema Übergewicht. Und: immer wieder dem neuesten Trend hinterherzurennen oder jede Diät mitmachen zu wollen. Man könnte die Orientierung und sich selbst dabei verlieren. Weil man sich ständig neu organisieren und in die Umsetzung gehen muss. All das bedeutet, anders einzukaufen und anders zu kochen, was in der Konsequenz auch den Alltag und das Familienleben beeinflusst.

Wie sieht es beim Protein aus? Einige Ernährungskonzepte setzen ja auf sehr viel Protein. Ist das noch gesund?

Das ist ein größeres Thema. Wichtig zu wissen ist dabei: Ältere Menschen, ab zirka 65 Jahren, brauchen etwas mehr Eiweiß. Auch Leistungssportler brauchen mehr. Erkrankte Menschen mit Nieren- oder Harnsäureproblemen sollten auf die Eiweißaufnahme achten. Der Körper benötigt Eiweiß und es macht satt. Mit 60 bis 80 Gramm Eiweiß am Tag sind wir auf jeden Fall gut versorgt.

Macht eine personalisierte Ernährung für einen gesunden Menschen Sinn?

Die personalisierte Ernährung gehört in diesem Jahr zu den wichtigsten Trends in Sachen Essen und Gesundheit. Konkrete wissenschaftliche Grundlagen gibt es bis jetzt noch nicht. Und somit sind die DNA-Diäten mit Vorsicht zu genießen.

„Gesundheit liegt im Darm“ ist so ein Satz, den man immer wieder hört. Bekommt man alles, was man braucht, einfach ganz normal mit, wenn man sich an der Ernährungspyramide orientiert, die Sie ja auch empfehlen?

Definitiv ist es so. Wenn ich mich nach der Ernährungspyramide ernähre, habe ich in aller Regel alles, was ich brauche und auch ein gutes Mikrobiom.

Was kann jeder in Sachen klimafreundlicher und nachhaltiger Ernährung tun?

Das Thema zaubert mir ein Lächeln herbei. Was ich schon immer empfohlen habe: Sich regional, saisonal und mit möglichst wenig Fleisch zu ernähren, reduziert die CO2-Emissionen, weswegen dieser Ansatz absolut sinnvoll ist.

Haben Foodblogger das Thema gesunde Ernährung positiv vorangebracht?

Ja, tatsächlich. Das erfahre in meinem Berufsalltag immer wieder. Immer mehr Menschen interessieren sich für ein gesundes Essen. Es ist sicherlich nicht immer alles richtig, was im Netz erzählt wird, aber wir haben einen positiven Effekt: Die Leute kochen mehr und befassen sich mit dem Thema Essen.

Man ernährt sich nicht gesund, wenn man auf das verzichtet, was man mag, ist so eine Aussage. Was halten Sie von der intuitiven Ernährung – wenn man einfach seinem Gefühl folgt?

Ich versuche, mit einer persönlichen Erfahrung darauf zu antworten. Als Studentin bin ich oft zum Blutspenden gegangen. Dies hatte einen Eisenmangel zur Folge. Und plötzlich hatte ich Hunger auf alle eisenhaltigen Lebensmittel. Ein intuitives Essen ist also möglich, garantiert aber keine ausgewogene Ernährung.

Was ist, wenn ich zum Beispiel sage: Ich könnte den ganzen Tag Schwarzwälder Kirschtorte essen. Dann habe ich es wahrscheinlich verlernt, intuitiv zu essen, oder?

Das hat sicherlich nichts mit intuitivem Essen zu tun. Es könnte Gewohnheit sein oder auch Stress. Bei Stress neigen wir dazu, bevorzugt süß und fettig zu essen. Ich glaube, wir Menschen können intuitiv essen, vor allem wenn wir mit uns achtsam unterwegs sind. Trotzdem brauchen wir unseren Verstand und natürlich ganz viele gute Essroutinen, die unser Essverhalten ein Stück vereinfachen. Hier meine ich Einkaufsroutine, Standardrezepte und eine clevere Vorratshaltung, die das Umsetzen eines guten Essens erleichtern.

Könnten Sie den Lesern noch einen hilfreichen Leitsatz mitgeben?

Essen und Trinken ist Genuss und Freude am Leben!

Das Gespräch führte Ingrid Knack.

Foto: privat
„Es wird zu süß und zu fett gegessen“
Gesundes Mittagessen

Elke Walther ist seit 1996 für das AOK-Gesundheitszentrum Backnang als Diplom-Ernährungswissenschaftlerin tätig. Wir baten Sie um ein Rezept, das insbesondere auch Kindern schmeckt und gesund ist. Viel Spaß beim Nachkochen!

Spaghetti mit Gemüsebolognese

Für 4 Personen

Zutaten:

250 gMöhren

200 g Pastinaken

300 gLauch

1 Dosegewürfelte Tomaten

1Zwiebel

1 EL Olivenöl oder Rapsöl

2-3 ELTomatenmark

Salz, schwarzer Pfeffer

400 gVollkornspaghetti

Zubereitung:

Möhren und Pastinaken waschen, schälen und in kleine Würfel schneiden oder mit dem Blitzhacker mittelfein hacken.

Lauch putzen und der Länge nach halbieren, gründlich waschen, dann in dünne Ringe schneiden.

Die Zwiebel schälen und fein würfeln. Das Öl in einer großen Pfanne erhitzen, die Zwiebel darin glasig dünsten. Das Gemüse dazugeben und unter Rühren 3 Minuten braten. Das Tomatenmark einrühren und kurz mitbraten und die Tomatenwürfel dazugeben. Die Soße mit Salz und Pfeffer würzen und offen unter gelegentlichem Rühren in etwa 15 Minuten dicklich einköcheln lassen.

Inzwischen die Nudeln in Salzwasser nach Packungsangabe bissfest kochen.

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Erstellt:
7. März 2022, 11:30 Uhr

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