Etwas Lärm und ein bisschen Staub
Ein Jahr im Weinberg (6): Redakteurin Silke Latzel erlebt aufregende Mäharbeiten mit Sonnenbrille und Gehörschutz
Vor ein paar Jahren musste im Sommer etwa viermal das Gras im Weinberg gemäht werden – heute nur noch zweimal, Grund ist die Trockenheit. Natürlich steht diese Arbeit auch auf der Agenda von Redakteurin Silke Latzel. Da ihr Weinberg allerdings etwas steiler ist, darf sie erst einmal in einem etwas flacheren üben. Und dabei wirbelt sie ganz schön Staub auf.
Von Silke Latzel
ASPACH. Es ist mein sechster Tag im Weinberg und wieder darf ich „schwere“ Maschinen bedienen: einen „John Deere X540 Multi Terrain“ mit 19 PS. Denn heute steht Rasenmähen auf dem Plan. „Das ist gar nicht schwer und eigentlich auch nichts anderes als Rasenmähen zu Hause“, sagt Günther Ferber, Vorsitzender der Weingärtnergenossenschaft Aspach, als er den Aufsitzrasenmäher von seinem Hänger fährt und für mich in Position bringt. „Ich hab aber auch zu Hause noch nie Rasen gemäht“, entgegne ich und hebe leicht die Schultern. Immer wenn Ferber sagt, dass etwas nicht schwer ist, weiß ich, dass er eigentlich recht hat und ich das am Ende unseres Arbeitseinsatzes bestätigen kann. Aber eben erst dann, wenn alles vorbei ist, und nicht, wenn ich etwas zum ersten Mal machen soll und kurzzeitig von den vielen neuen Eindrücken überfordert bin – und so ist es dieses Mal natürlich auch wieder.
Die Blümchen müssen aus Versehen auch dran glauben
„Mit diesem Hebel bewegst du das Mähwerk, dort wird die Geschwindigkeit eingestellt, die Bremse brauchst du eigentlich nicht, nur das Gaspedal. Und wenn du rückwärtsfahren willst, dann geh‘ mit dem Fuß hier drauf, aber wir fahren heute nur vorwärts. Und das hier ist die Differenzialsperre, aber wozu du die brauchst, erklär ich dir später.“
Mein Kopf schwirrt – wie immer. Und wie immer ist alles nur halb so wild, denn natürlich lässt Ferber mich nicht einfach ins kalte Wasser fallen. „Keine Angst, wir üben zuerst mal an einem eher flachen Stück.“ Für meinen Geschmack reicht das „eher flache“ Stück schon, denn es hat 15 Prozent Steigung beziehungsweise Gefälle. Ich gebe zu, ich bin in dieser Beziehung ein kleiner Angsthase – und noch dazu ein merkwürdiger. Ich habe zum Beispiel keine Probleme damit, einen Berg zu besteigen. Aber sobald es wieder runter geht, zittern mir die Knie. Oder daheim: Ich wohne an einem Hang mit 18 Prozent Gefälle. Mit dem Fahrrad hoch: machbar, obwohl es anstrengend ist. Aber runter? Die Bremsen fast bis zum Anschlag angezogen, fahre ich oft so langsam, dass man mir die Reifen dabei wechseln könnte.
Und jetzt 15 Prozent Gefälle. Das sind ja fast 18 Prozent und das ist fast wie zu Hause... Hilfe! Der Mäher ist in Position gebracht, der Gehörschutz sitzt, ich hocke fest im Sattel – zumindest dem Anschein nach. Eine Sonnenbrille muss ich aufsetzen, um meine Augen zu schützen. Außerdem sehe ich damit verdammt cool aus, auch wenn ich innerlich gerade alles andere als das bin. Ferber stellt sich hinter mich auf den Mäher und gibt mir das Zeichen, loszulegen. Ich trete das Gaspedal und wir tuckern gaaaaanz langsam los. „Los, gib richtig Gas“, schreit er gegen den Motorenlärm an. Ein bisschen schneller werden wir noch, dann sind wir auch schon oben. Ich bin erleichert, dann fällt mir ein, dass wir ja wieder runter müssen...
Der Mäher lässt sich einfach fahren, ich korrigiere immer wieder leicht die Richtung, sodass ich nicht in die Weinstöcke abdrifte. Zum Glück habe wir Sonnenbrillen auf, denn vor allem am Anfang und Ende der Reihe wirbelt der Mäher mächtig Staub auf. Das gemähte Gras wird nicht gesammelt und wegtransportiert, sondern direkt beim Mähen unter den Weinstöcken verteilt. Dadurch fliegen kleine und größere Steinchen, die ebenfalls im Mäher landen und wieder ausgespuckt werden, nur so durch die Gegend, prallen gegen die Stämme und uns ins Gesicht oder gegen den Körper – tut ein paar Mal richtig weh. Das abgeschnittene Grüngut wirkt für die Weinstöcke als natürlicher Wasserspeicher, fängt Morgentau sowie – wenn er denn kommt – auch Regen auf.
„Früher haben wir etwa viermal in einem Sommer gemäht“, erzählt Ferber. „Im vergangenen Jahr nur zweimal. Und in diesem Jahr vermutlich auch nur noch ein weiteres Mal.“ Es ist insgesamt zu trocken, es regnet wenig, das Gras wächst langsam. „Wir haben Glück, dass es in den vergangenen Tagen etwas geregnet hat, sonst würdest du nachher aussehen, als wärst du mit Mehl überzogen“, sagt mein Weinberg-Lehrer und lacht.
Nach ein paar Reihen lässt Ferber mich alleine fahren, ich bin mittlerweile sehr sicher und drücke das Gaspedal voll durch. „Sie fährt ja fast so schnell wie ich, da darf sie ruhig noch eine Weile arbeiten“, sagt er zu unserem Fotografen Alexander Becher, wie dieser später berichtet. Die beiden gucken mir zu, wie ich den Weinberg hoch- und runtersause. Einmal muss ich sogar – bei einer Halbreihe – ein Stück rückwärtsfahren, obwohl angekündigt war, dass das heute nicht auf dem Programm steht. Aber hey, kein Problem für mich.
Dann habe ich fast 35 Ar auf dem flachen Übungsstück gemäht. In meinem Elan bekomme ich allerdings nicht mit, dass Ferber am Ende einer der Reihen möchte, dass ich anhalte, das Mähwerk einfahre und die Blumen stehen lasse, die dort wachsen. Klappt irgendwie nicht, der Gehörschutz erschwert die Kommunikation – und zack, ab sind die Blümchen. „Ach herrje, die waren für die Bienen“, ruft Ferber, Fotograf Alex will sich vor Lachen ausschütten, ich bin etwas bedröppelt. „Oh nein, tut mir leid“, brülle ich gegen den Lärm an. „Nicht so schlimm“, ruft Ferber zurück, „versuch halt, beim nächsten Mal rechtzeitig anzuhalten.“ Gesagt, getan. In der nächsten Reihe hab ich den vollen Durchblick, die Blümchen leben. Ich bin erleichtert.
21.30 Uhr: Die Sonnenbrille bleibt auf
Wir ziehen um, ab in „meinen“ Weinberg. Gut, dass ich das Mähen jetzt schon richtig drauf habe, denn der hat sage und schreibe 35 Prozent Steigung! Und dieses Mal muss ich zuerst von oben nach unten. Oh oh... Zudem ist es jetzt schon 21.30 Uhr und es wird langsam dunkel. Aber die Sonnenbrille bleibt auf. Jetzt kommt auch die Differenzialsperre zum Einsatz. Sie sorgt dafür, dass sich der Allradantrieb einschaltet, die Räder alle greifen und auch alle auf die Bremse reagieren. Dadurch hat der Mäher mehr Grip. Und Grip ist gut, ich möchte schon gern unversehrt unten ankommen, weder mit gebrochenen Beinen noch abgetrennten Gliedmaßen, weil der Mäher umkippt oder so. Also drücke ich mit dem linken Bein auf den kleinen Knopf, als würde mein Leben davon abhängen. Bloß nicht abrutschen. Unten angekommen sind meine Zehen fast taub, aber hurra, geschafft. „Herzklopfen gehabt, oder?“, fragt Ferber. Ich nicke. „Versteh ich. Wenn ich mein Stück mit 48 Prozent Gefälle fahre, vor allem wenn es nass ist, dann geht mir das auch manchmal so.“
Wir sind fertig für heute. Zu Hause angekommen merke ich, dass ich von einer feinen Staubschicht überzogen bin und muss schmunzeln. Und duschen.