Krieg in Nahost

EU-Chefdiplomat will Dialog mit Israel aussetzen

Wegen der Art der Kriegsführung plant Josep Borrell eine schärfere Gangart gegenüber Israel. Deutschland und andere EU-Staaten lehnen das aber ab.

Der EU-Außenbeauftragte Borrell überrascht die EU mit seinem Vorschlag, den Dialog mit Israel auszusetzen.

© AFP/Sergei Gapon

Der EU-Außenbeauftragte Borrell überrascht die EU mit seinem Vorschlag, den Dialog mit Israel auszusetzen.

Von Knut Krohn

Josep Borrell überrascht wieder einmal die gesamte EU. Der Chefdiplomat schlägt den Mitgliedstaaten vor, den regelmäßigen politischen Dialog mit Israel auszusetzen. Diesen Vorschlag will der Spanier am Montag beim nächsten Treffen den Außenministern vorlegen. Mehrere Länder, darunter Deutschland, brachten allerdings sogleich ihre Ablehnung zum Ausdruck.

Grund für den Vorstoß Borrells sind Berichte, dass Israel bei seinem Vorgehen in Gaza die Menschenrechte missachte. So hatte das UN-Menschenrechtsbüro in diesen Tagen erklärt, dass fast 70 Prozent der verifizierten Kriegstoten Frauen und Kinder seien und dies als systematische Verletzung der Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts verurteilt. Israel wies den Bericht zurück.

Kein gemeinsames Vorgehen der EU

Die EU streitet sich seit Monaten über ein gemeinsames Vorgehen angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten. So haben etwa Spanien und Irland vorgeschlagen, das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Israel auf den Prüfstand zu stellen. In diesem geht es neben dem Dialog auch um die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bereichen wie Industrie, Energie, Verkehr und Tourismus. Beide Staaten erkannten zudem in einem symbolträchtigen Schritt einen eigenständigen Palästinenserstaat an.

Die Schwierigkeit in der EU ist, dass einige der Mitgliedstaaten einen völlig unterschiedlichen Blickwinkel auf Israel und den Konflikt im Nahen Osten haben. So ist die Sicht Irlands, das sich seine eigene Unabhängigkeit in einem Bürgerkrieg erkämpfen musste, eine andere als in Deutschland, das für den industriellen Massenmord an den Juden verantwortlich ist. Auch andere Länder wie etwa Spanien haben immer wieder ihre Sympathien für die Palästinenser zum Ausdruck gebracht, die in ihren Augen seit Jahrzehnten unter einem übermächtigen Besatzer leiden.

Die gekränkte Eitelkeit des Josep Borrell

Im Fall von Josep Borrell kommt wohl auch eine gekränkte Eitelkeit hinzu. Unmittelbar nach dem Überfall der Hamas-Terroristen reisten die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola nach Israel, um dem angegriffenen Staat die Solidarität Europas zu versichern. Der EU-Außenbeauftragte befand sich derweil auf einer China-Reise und schrieb verärgert: „Und die Position ist sehr klar, dass wir das Recht Israels auf Selbstverteidigung anerkennen, aber jedes Recht hat seine Grenzen. Und diese Grenzen sind das internationale Recht und die internationalen humanitären Rechte.“

Dass der Vorschlag Borrells für ein Aussetzen des Dialogs am Montag die notwendige einstimmige Zustimmung unter den Außenministern findet, ist unwahrscheinlich. Grund sind nicht nur die ablehnende Haltung Irlands, Spaniens und einiger anderer Länder, auch Ungarn dürfte sich klar an die Seite Israels stellen. Premierminister Viktor Orban wird seinen Freund Donald Trump nicht enttäuschen. Der zukünftige US-Präsident hat Israel mehrfach seiner unverbrüchlichen Solidarität versichert.

Eine heikle Diskussion soll gedämpft werden

Im Kreis der EU-Diplomaten wird nun versucht, den Vorstoß Borrells einzuordnen, offensichtlich auch mit dem Ziel, die heikle Diskussion nicht eskalieren zu lassen. Sie betonen, dass das Aussetzen des institutionellen politischen Dialogs auf keinen Fall bedeute, das sogenannte Assoziationsabkommen aus dem Jahr 2000 auszusetzen, in dem die Beziehungen zwischen Israel und der EU geregelt sind. Auch wird diskutiert, dass Borrell lediglich das Ziel hatte, innerhalb der Union eine Diskussion anzustoßen, um damit ein politisches Signal an Israel zu senden. Das zumindest ist dem Chef-Diplomaten geglückt.

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Erstellt:
14. November 2024, 15:46 Uhr
Aktualisiert:
14. November 2024, 15:49 Uhr

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