Gesundheit

EU-Pläne zum Verbot von Ethanol alarmiert die Pharma-Branche

Eine mögliche Einstufung des schwer ersetzbaren Stoffes als krebserregend würde die Firmen Millionenbeträge kosten.

Über 80 Prozent der deutschen Bio-Ethanol-Produktion kommt aus Futtergetreide.

© dapd/Andre Penner

Über 80 Prozent der deutschen Bio-Ethanol-Produktion kommt aus Futtergetreide.

Von Norbert Wallet

Ein Vorhaben der EU hat die deutsche Pharmabranche in Alarmzustand versetzt: In Brüssel wird geprüft, ob der Stoff Ethanol künftig als krebserregend, mutagen, also Veränderungen des Erbgutes hervorrufend und reproduktionstoxisch, das heißt, als die Fortpflanzung beeinträchtigend, eingestuft wird.

Das Vorhaben ist ausgesprochen heikel. Ethanol ein natürliches Produkt der alkoholischen Gärung. Viele Lebensmittel enthalten geringe Mengen Ethanol. Der Stoff ist in der Pharmazie ein Universalmittel: Er wird gebraucht als Lösungs-, Extraktions- und Konservierungsmittel. Er ist durch seine umfangreiche Anwendungspalette in der gesamten pharmazeutischen Industrie nicht wegzudenken. Bei der Gewinnung pflanzlichen Wirkstoff gilt er als praktisch unersetzbar. Aber er ist in seinem Einsatz nicht auf pflanzliche Arzneimittel beschränkt. Auch viele chemische Wirkstoffe werden in Ethanol aufgenommen und als Arzneimittel angeboten, etwa Paracetamol und zahlreiche Krebsmittel.

Bioethanol wird vorwiegend aus Futtergetreide erzeugt

Seine Anwendung geht aber weit über den medizinischen Bereich hinaus. Die gängigen Haushaltsreiniger und Desinfektionsmittel, wie sie zum Beispiel auch in Kliniken eingesetzt werden, enthalten Ethanol. Das Volumen der Nutzung ist beträchtlich: Nach Angaben des Fachverbandes wurden 2023 in Deutschland 670 585 Tonnen Bioethanol erzeugt. 86,7 Prozent der Produktion stammt aus Futtergetreide.

Die Brüsseler Pläne lösen in der deutschen Pharmabranche erhebliche Besorgnis aus. „Die Verwendung von Ethanol im Gesundheitsbereich und in allen anderen Industriezweigen ist längst sicher und gut geregelt“, sagt Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland. „ Soweit wir wissen, ist in Deutschland kein einziger Fall einer Berufskrankheit bekannt, die im Zusammenhang mit Ethanol steht.“ Tatsächlich beziehen sich die Studien, die zu den EU-Überlegungen geführt haben, auf die Konsequenzen eines massiven Missbrauchs, etwa durch die regelmäßige orale Aufnahme großer Mengen Ethanols. Wenn es nicht gelinge, die Verfahren zu stoppen oder ihnen eine andere Richtung zu geben, werde „die Herstellung von Arzneimitteln in Deutschland erheblich erschwert oder sogar unmöglich gemacht“, sagte Brakmann.

Dass die Warnungen Brakmanns mehr sind als das übliche rhetorische Getöse in einem politischen Abwehrkampf, zeigt ein Gespräch unserer Zeitung mit Hanke Wohlers, Vorstand bei der Firma Bionorica. Das Unternehmen mit Sitz in Neumarkt in der Oberpfalz ist ein traditionsreicher Hersteller pflanzlicher Arzneimittel mit insgesamt rund 2300 Mitarbeitern und einem Umsatz von 471 Millionen Euro im Jahre 2023.

Wohlers sagt, dass eine neue Einstufung von Ethanol „sofortigen Einfluss auf die Betriebe, die mit dem Stoff arbeiten müssen“, hätte. „Entweder würde ein komplettes Verbot des Einsatzes in Produktionsprozessen folgen. Dann müsste es zahlreiche Ausnahmen geben, was in der Folge eine überbordende Bürokratieflut zur Folge hätte.“ Die Alternative sieht nicht besser aus: „ Oder es würden Bedingungen des Einsatzes festgelegt, der unmittelbare Auswirkungen auf die Produktion hätte. Das gilt vor allem für arbeitsschutzrechtliche Vorschriften. Wir könnten dann Auszubildende und schwangere Personen nicht mehr bei Arbeitsschritten einsetzen, in denen Ethanol irgendeine Rolle spielt.“ Wohlers warnt, die EU-Pläne seien dazu geeignet, „Betriebe ins nicht-europäische Ausland zu treiben. Außerhalb der EU gibt es diese Debatte gar nicht.“ Er hat überschlagen, was eine entsprechende Umstellung der Produktion, vom Verfahren, über die Lagerung bis zur Reinigung kosten würde und kommt ein „Investitionsvolumen zwischen 50 und 100 Millionen Euro“.

Vom Bundesgesundheitsministerium hört man, dass das Haus die Sorge teile, dass die Brüsseler Überprüfung zu einem Verwendungsverbot ethanolhaltiger Produkte in der EU führen könnte. Die Experten des Ministeriums halten den Ethanol-Einsatz für unverzichtbar, was die Herstellung von effektiven Desinfektionsmitteln und Arzneimitteln angeht. Deutschland versucht in Brüssel die Verfügbarkeit von Ethanol im medizinischen Bereich zu erhalten. Ob das gelingt ist völlig offen.

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Erstellt:
18. Februar 2025, 15:02 Uhr

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