EU-Richtlinien vergraulen Wengerter

Vinöre vom Ebersberg wollen Weinbauflächen erweitern – Hobbywinzer wünschen sich ein Miteinander mit den Naturschutzbehörden

Auenwalder Weinbauern wollen für den Rebenanbau auf dem Ebersberg weitere Flächen nutzen, die in FFH-Gebieten liegen. Rückendeckung haben sie von der Gemeinde Auenwald erhalten. Doch obwohl die Schutzgebiete bereits kartiert und deren Zustand bekannt sind, müssen sie dem Regierungspräsidium weitere, teure Gutachten vorlegen.

Franz Karl Matyas erläutert den Weinbau auf dem Ebersberg. Im Hintergrund ein zugewachsenes Flurstück, auf dem auch Wein wachsen soll. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Franz Karl Matyas erläutert den Weinbau auf dem Ebersberg. Im Hintergrund ein zugewachsenes Flurstück, auf dem auch Wein wachsen soll. Foto: A. Becher

Von Florian Muhl

AUENWALD. Franz Karl Matyas versteht die Welt nicht mehr. Von seiner Gesinnung her ist er Naturschützer und als solcher in der Gemeinde bekannt. Als Vorsitzender der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWA) setzt er sich seit Jahrzehnten für einen nur dezenten Wachstum der Gemeinde ein und kritisiert die aus seiner Sicht häufige Ausweisung von neuen Baugebieten und dem damit verbundenen Flächenverbrauch. Keine Frage, der Ruheständler begrüßt die Aktivitäten der EU-Politiker, sich für den Naturschutz ins Zeug zu legen. Ebenso sei es auch richtig, FFH-Gebiete zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt auszuweisen (siehe Info-Kasten), wie es die EU fordert und die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) beziehungsweise das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart in die Tat umsetzt.

Doch manchmal treiben es die Bürokraten auch mal zu bunt, wie Matyas meint. Dass das RP bereits ausgewiesene FFH-Gebiete nicht aufheben will, hat der Hobbywinzer verdaut. Zur Vorgeschichte: In seiner Sitzung im Mai vergangenen Jahres hatte der Gemeinderat entschieden, dass die Verwaltung beim RP die Änderung beziehungsweise Aufhebung des FFH-Gebiets unterhalb vom Schloss Ebersberg Richtung Däfern durchsetzt oder zumindest beantragt, dass eine gewisse Weinbergerweiterung ermöglicht wird. Pustekuchen. Bezug nehmend auf seine Gesamtabwägung teilt das RP mit, dass eine Herausnahme des Bereichs nicht in Betracht kommt. „Zum Thema Weinbergerweiterung schreibt das Regierungspräsidium, Abteilung Umwelt, dass die urbane, wirtschaftliche und infrastrukturelle Nutzung von Flächen in vergangenen Jahrzehnten stets möglich war, soweit die rechtlichen Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes berücksichtigt wurden und naturschutzverträglich geplant wurde“, teilte Bürgermeister Karl Ostfalk in der jüngsten Gemeinderatssitzung mit.

Matyas sagt, dass es für einen Privatmann theoretisch wohl möglich sei, auf einer verwilderten Fläche das Gestrüpp zu roden, um Wein anzubauen, aber praktisch mittlerweile kaum finanzierbar. Er zitiert aus einer Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Rems-Murr vom Juli 2018. Demnach seien alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura-2000-Gebiets (hierzu zählen FFH-Gebiete) führen, unzulässig. Es sei denn, ein Gutachter käme zu dem Schluss, dass der Schutzzweck erhalten bleiben würde. Aber die FFH-Vorprüfung, die durch einen Fachmann erstellt werden muss und den Antragsunterlagen beizufügen ist, bewegen sich im Bereich von 2000 bis 2500 Euro, für die artenschutzrechtliche Übersichtsbegehung rechnet das Fachbüro, das Matyas um einen Kostenvoranschlag gebeten hatte, mit Kosten im Bereich von 1250 bis 1500 Euro, jeweils zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer.

„Aber wozu jetzt ein Gutachten?“, fragt sich Matyas. Die letzte große Begehung der Flächen durch die Naturschutzbehörden sei 2016/2017 erfolgt. „Die wissen doch, was hier wächst und wie es hier aussieht.“ Was der Vinör sich wünscht, hat er auch ans RP geschrieben: „Was wir wollen, ist ein Verfahren miteinander, das die Belange des Naturschutzes und der Eigentümer berücksichtigt. Hierbei dürfen die Überprüfung der Grundstücke und die Kosten nicht einseitig bei den Grundstücksbesitzern liegen.“ Mit beigefügt hat er Vorschläge für „mögliche Flächen für Weinbau“. Auf die Antwort ist der Hobbywinzer gespannt.

Info
Naturschutz in der EU

Die FFH-Richtlinie (Fauna = Tierwelt, Flora = Pflanzenwelt, Habitat = Lebensraum) wurde am 21. Mai 1992 als „Richtlinie 92/43/EWG des Rats zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen“ beschlossen. Zusammen mit der EG-Vogelschutzrichtlinie aus dem Jahr 1979 bildet sie die zentrale Rechtsgrundlage für den Naturschutz in der Europäischen Union (Natura 2000).

Das vorrangige Ziel der FFH- und EG-Vogelschutzrichtlinie ist die Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung und Sicherung der in Europa vorhandenen biologischen Vielfalt. Durch die FFH-Richtlinie werden die europaweit gefährdeten, natürlichen und naturnahen Lebensräume sowie die Vorkommen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten geschützt.

Um diese Anforderung zu erfüllen, sind die EU-Mitgliedstaaten angehalten „Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung“ auszuwählen, zu erhalten und zu entwickeln. Zusammen mit den Gebieten der Vogelschutzrichtlinie bilden diese FFH-Gebiete das Schutzgebietsnetz Natura 2000, das europaweit Lebensräume und Populationen miteinander verbindet.

Informationen: www.lubw.baden-wuerttemberg.de/natur-und-landschaft

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Erstellt:
14. Februar 2019, 06:00 Uhr

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