Landwirtschaft
EU-Visionen für die Landwirtschaft der Zukunft
Subventionen sollen gerechter verteilt werden, die Digitalisierung vorangetrieben und jungen Bauern der Einstieg in den Beruf erleichtert werden. Die EU skizziert die Zukunft der Landwirtschaft, bleit dabei aber eher vage.
![EU-Visionen für die Landwirtschaft der Zukunft Die Arbeit der Landwirte soll nach dem Willen der EU-Kommission wieder mehr Wertschätzung erhalten.](/bilder/die-arbeit-der-landwirte-soll-nach-dem-willen-der-eu-874693.jpg)
© picture alliance/dpa/Patrick Pleul
Die Arbeit der Landwirte soll nach dem Willen der EU-Kommission wieder mehr Wertschätzung erhalten.
Von Knut Krohn
Europas Landwirtschaft ist eine beständige Baustelle. Die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik ist eines der ältesten Projekte in der Europäischen Union. Angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine hat sich der Stellenwert der Landwirtschaft noch einmal erhöht, was auch aus einem noch unveröffentlichten Papier der EU-Kommission hervorgeht, das unserer Zeitung vorliegt. Auf 26 Seiten werden die „Visionen für Landwirtschaft und Ernährung“ skizziert, die EU-Kommissar Christophe Hansen am 19. Februar vorstellen wird. Das Wort „Visionen“ scheint mit Bedacht gewählt, denn es werden viele Ideen skizziert, wer konkrete Vorschläge erwartet, wird enttäuscht.
Europa sorgt sich um die Versorgungssicherheit
Im Mittelpunkt des Berichtes steht die Versorgungssicherheit Europas. Die könne nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie und des Krieges „nicht als selbstverständlich angesehen werden“, heißt es gleich zu Beginn. Aus diesen Gründen, und auch wegen des zunehmenden globalen Wettbewerbs, müsse die gemeinsame Agrarpolitik in den kommenden Jahren fit für die Zukunft gemacht werden.
Betont wird, dass alle Veränderungen im Konsens erfolgen sollen. Es zeigt sich, dass die Kommission aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Sichtlich beeindruck von den heftigen Bauernprotesten im vergangenen Winter, hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen einen „Strategische Dialog zur Zukunft der EU-Landwirtschaft“ angestoßen. Daraus entsprang auch der Bericht einer Expertenkommission, deren Vorschläge offensichtlich maßgeblich in die nun kursierenden „Visionen“ eingeflossen sind.
Die Agrarförderung wird verändert
Dazu zählt etwa die Forderung nach einem Umbau der Agrarförderung, die von Hansen aufgegriffen wird. An den Direktzahlungen soll zwar grundsätzlich festgehalten werden, die Hilfen aus dem EU-Haushalt sollen aber auch nicht mehr pauschal weitgehend abhängig von der Fläche der Höfe verteilt werden. Bisher gilt die Regel: Wer viele Hektar hat, erhält auch viel Geld aus Brüssel. Was ein Landwirt mit dem Boden macht, wo der Hof liegt, wie profitabel er arbeiten kann, all das ist irrelevant. Schon das EU-Expertengremium hatte gefordert, Bauern eher dafür zu belohnen, dass sie Klima, Umwelt und Tierwohl schützen. Der Ansatz ist nicht neu. Ein Teil des Agrarbudgets von mehr als 300 Milliarden Euro für 2021 bis 2027 wird schon jetzt so verteilt.
Wie in vielen anderen Bereichen der EU-Politik wird natürlich auch im Papier von Kommissar Hansen der Abbau einer zum Teil überbordenden Bürokratie für die Landwirte skizziert – ohne allerdings auch hier wirklich konkret zu werden. Mitte dieses Jahres soll das „Paket zur Vereinfachung“ präsentiert werden. In diesem Fall sollen schwerpunktmäßig kleine und mittlere Betriebe in Zukunft entlastet werden. Die Erleichterungen sollen auch gezielt für die jüngere Generation von Landwirten gelten, um das drohende Höfesterben zumindest zu verlangsamen. Beim Einstieg ins Berufsleben sollen unnötige Hürden abgebaut werden und so der Beruf attraktiver gemacht werden. Junge Bauern sollen etwa leichteren Zugang zu Startkapital und bessere Fortbildungsmöglichkeiten bekommen. Geplant ist eine „Strategie für den Generationswechsel“, die noch in diesem Jahr umgesetzt werden soll.
Die Landwirtschaft wird digital
Wie in den meisten anderen Lebensbereichen, schreitet auch in der Landwirtschaft die Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz mit Riesenschritten voran. Hier bläst die EU-Kommission in ihrem Zukunftspapier ebenfalls zu einer Offensive. Das beginnt damit, dass auch in den entlegensten Regionen der Union der stabile Internetempfang sichergestellt werden soll. Das ist inzwischen eine fundamentale Voraussetzung für den Einsatz moderner Maschinen. Zudem soll in die ständige Fortbildung der Landwirte investiert werden, damit diese immer auf dem neusten Wissensstand in Sachen Technik sein können.
Streit im Parlament um den richtigen Kurs
Allerdings ist der Streit über die „Visionen für Landwirtschaft und Ernährung“ von EU-Kommissar Hansen vorprogrammiert. Scharfer Widerspruch kommt von den Grünen. Der Europaparlamentarier Martin Häusling kritisiert, dass der Schwerpunkt des Papiers zu sehr auf der Wirtschaft liegen würde und Themen wie Klimaschutz unterbelichtet seien. „Von Visionen für die Umwelt ist nicht viel übrig“, moniert der Grünen-Parlamentarier. Dem widerspricht der CDU-Mann Norbert Lins: „Die Anpassung an den Klimawandel hat weiter einen hohen Stellenwert.“ Der Europaparlamentarier begrüßt vor allem, dass die Regel in der gemeinsamen Agrarpolitik vereinfacht werden sollen. „Mehr Tempo hingegen braucht es für sektorübergreifende Rechtsvorschriften wie der Vereinfachung der Düngevorschriften und beim Pflanzenschutz“, betont Norbert Lins. Hier gelte das Motto: Je schneller, desto besser.