EU-Parlament
Europa auf dem Weg nach rechts
Die Konservativen im Parlament der Europäischen Union öffnen sich immer häufiger der Zusammenarbeit mit extremen rechten Parteien. Das bedeutet nichts Gutes für den Umweltschutz.
Von Knut Krohn
Das Aufatmen ist groß. Fast sechs Monate nach der Europawahl soll am Mittwoch die EU-Kommission vom Parlament in Straßburg bestätigt werden. Der Eindruck, den die Union auf diesem langen Weg abgegeben hat, war geradezu verheerend. Während die Welt von Krisen und Kriegen geschüttelt wird, drehten sich die Abgeordneten um sich selbst. Am Ende wurde vor allem über eine einzige Personalie gestritten: Der Italiener Raffaele Fitto von den postfaschistischen Fratelli d’Italia soll einen Vize-Posten in der Kommission bekommen. Was auf den ersten Blick wie ein kleinkariertes Kräftemessen erscheint, weist in Wirklichkeit weit in die Zukunft. Es ist ein deutliches Zeichen dafür, welchen politischen Weg die gesamte Europäischen Union in der kommenden Legislatur einschlagen wird. Sichtbar wird der stark gewachsene Einfluss der Rechten und extremen Rechten in der EU. Zwar betont EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gebetsmühlenhaft, dass der grüne Umbau von Europas Wirtschaft vorangetrieben werde, doch wird der Green Deal von einer neuen, konservativ-rechten Mehrheit im Parlament und im Rat bereits kräftig ausgehöhlt.
Koalitionen nach politischen Themen
So wankt etwa das strikte Verbot von Verbrennungsmotoren, die strengen Vorgaben zur umweltfreundlicheren Umgestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik werden verzögert und die EU-Klimaregeln, die die Unternehmen stark belasten, sollen überarbeitet werden. Zudem soll der Emissionshandel reformiert werden, was weitreichende Folgen haben würde. Diese „Entgrünung“ der EU-Politik funktioniert auch wegen einer Besonderheit des Europaparlaments. Zwar gibt es verschiedene Fraktionen, doch die Fraktionsdisziplin der Abgeordneten ist eher schwach ausgeprägt. Im Zentrum steht die Sacharbeit und Koalitionen bilden sich eher nach politischen Themen.
Diesen Umstand will sich Manfred Weber bei der Umsetzung seiner politischen Ziele zunutze machen. Der CSU-Mann ist der mächtige Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, der größten Gruppe im Europaparlament. Bereits in den ersten Monaten nach der Wahl hat er bei Abstimmungen mehrere Male rechte Mehrheiten im Parlament in Kauf genommen. Mit dieser Taktik wandelt Weber allerdings auf einem schmalen Grat. Erstmals zum Eklat kam es, als die EVP einem Antrag der AfD zur Migrationspolitik zustimmte. Die Erklärung der Konservativen, dass das Papier die EVP-Programmatik wiedergegeben habe, konnte die Empörung nicht dämpfen.
Weber setzt auf Machtpolitik
Eine neue Qualität hatte dann aber die Wahl des Italieners Raffaele Fitto zum designierten Kommissar. Hier suchte Weber zum ersten Mal gezielt und offen die Zusammenarbeit mit den postfaschistischen Fratelli d’Italia. Damit schlug er Sozialisten, Liberale und Grüne vor den Kopf. Doch EVP-Chef Weber sieht die besseren Argumente auf seiner Seite. Sein erklärtes Ziel sei es, die gemäßigten rechten Kräfte in die EU einzubinden und Fitto, ursprünglich ein Christdemokrat, zähle mit seiner großen Erfahrung als EU-Politiker zweifellos dazu, betont der EVP-Vorsitzende. Der Mann sei pro-europäisch, für den Rechtsstaat und unterstütze die Ukraine. Außerdem gebühre Italien als großes EU-Land ein Vize-Posten. Und dann schiebt Manfred Weber noch hinterher, dass es nach der Wahl im Juni nun eben keine linksliberale Dominanz mehr im Parlament gebe. Die EVP habe als stärkste Fraktion in Zukunft mehr Gewicht.
Im Fall der Wahl von Fitto zeigt sich auch, dass Manfred Weber im Zweifel auf knallharte Machtpolitik setzt, um seine Pläne zu realisieren. Er drückte den Sozialisten kurzerhand die Pistole auf die Brust, dass deren Kandidatin Teresa Ribera bei der Wahl durchfallen würde, sollten sie den Italiener blockieren – die Linken knickten daraufhin ein. Daniel Freund, Europaparlamentarier von den Grünen, die von Manfred Weber im Spiel um die Macht geradezu rabiat abserviert werden, reagiert empört: „Die Sozialdemokraten brechen ein zentrales Wahlversprechen: Sie kooperieren mit Europafeinden und Post-Faschisten.“ Besonders die Grünen, die bei der Europawahl im Juni eine schwere Niederlage einstecken mussten, legen eine gewisse politische Verzweiflung an den Tag. Sie sehen den Green Deal nicht nur durch die Verschiebung der Machtverhältnisse im Parlament in Gefahr. Denn inzwischen wird der EU-Rat, der sich aus den Staats- und Regierungschefs zusammensetzt, von 14 nationalen Regierungen dominiert, die von Konservativen, Rechten oder extremen Rechten geführt oder unterstützt werden. Der Rat könnte die EU-Kommission in Zukunft zwingen, die Umweltvorgaben noch weiter aufzuweichen. Sollte im einflussreichen Deutschland der nächste Bundeskanzler Friedrich Merz heißen, könnte es für die Umwelt- und Klimapolitik in der EU noch schwieriger werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der CDU-Chef kein Freund von Windrädern ist.