US-Zölle

Europa sucht neue Handelspartner

Die Zoll-Orgie von Donald Trump schockt nicht nur die Unternehmen. Als Reaktion schließen viele Staaten und Regionen überraschend schnell neue Freihandelsabkommen – allen voran die Europäische Union.

Donald Trump schickt mit seiner Zoll-Orgie die Börse auf Talfahrt. In der ganzen Welt versuchen auch Regierungen der Entwicklung gegenzusteuern – manche entscheiden sich für eine engere Zusammenarbeit.

© AFP/BENJAMIN CREMEL

Donald Trump schickt mit seiner Zoll-Orgie die Börse auf Talfahrt. In der ganzen Welt versuchen auch Regierungen der Entwicklung gegenzusteuern – manche entscheiden sich für eine engere Zusammenarbeit.

Von Knut Krohn

US-Präsident Donald Trump überzieht die Welt mit Strafzöllen. Viele Staaten erhöhen als Gegenmaßnahmen ebenfalls die Abgaben auf Waren aus den USA. Inzwischen suchen aber immer mehr Länder und Regionen den Schulterschluss, andere Wege, um den wirtschaftlichen Schock zumindest abzufedern. Sie setzen auf mehr Freihandel. Auch in der Europäischen Union werden die Forderungen lauter, in dieser angespannten Situation Handelsschranken schneller abzubauen und seit Jahre dauernde Verhandlungen zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.

Mercosur – ein Erfolg langer Verhandlungen

Seit fast einem Vierteljahrhundert laufen die Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. In diesen Monaten hat die EU-Kommission ungeachtet anhaltender Bedenken von Ländern wie Frankreich, Italien und Polen die Verhandlungen abgeschlossen. Das Abkommen würde eine der weltweit größten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Einwohnern schaffen. Es sieht vor, vor allem Zölle abzubauen und damit den Handel anzukurbeln.

Bereits im vergangenen Jahr wurden aus der EU Waren im Wert von rund 56 Milliarden Euro in die vier Mercosur-Ländern exportiert, in umgekehrter Richtung betrug das Exportvolumen rund 54 Milliarden Euro. Insgesamt könnten nach EU-Angaben 60 500 europäische Unternehmen von den geplanten Freihandelsvereinbarungen profitieren.

Kritiker befürchten allerdings, dass europäische Landwirte künftig in einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden. Umweltschützer sind besorgt, dass das Abkommen die Regenwaldzerstörung in Südamerika befeuert wird. Die EU-Kommission weist die Vorwürfe als ungerechtfertigt zurück und betont, dass die gesamtwirtschaftlichen Vorteile eindeutig überwiegen. So wird erklärt, dass weiter nur Produkte, die den umfangreichen europäischen Vorschriften entsprechen, in die EU eingeführt werden dürfen. Gleichzeitig könnten Unternehmen in der EU schätzungsweise jährlich mehrere Milliarden Euro an Zöllen sparen. Zudem schielen die Unternehmen auf die großen Rohstoffvorräte in den Mercosur-Ländern, die mit dem Handelsabkommen einfacher nach Europa kommen könnten.

Nach dem Abschluss der Verhandlungen müssen die Texte für das Abkommen noch juristisch geprüft und in die Sprachen der Vertragsstaaten übersetzt werden. Dann muss die EU-Kommission eine Entscheidung darüber treffen, ob es als Ganzes oder in zwei Teile gesplittet den Mitgliedstaaten zur Abstimmung vorgelegt wird. Auf jeden Fall zustimmen müsste das Europäische Parlament. Eine Entscheidung wird frühestens in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres erwartet.

Kanada – das europäischste Nicht-EU-Land

Kanadas Sonderbeauftragter für Europa, Stéphane Dion, warb jüngst auf der Hannover Messe, seine Heimat sei „das europäischste nicht-europäische Land“. Damit sei Kanada ein idealer Partner für ein Freihandelsabkommen mit der EU. Das gibt es bereits, es trägt den Namen CETA und wurde 2017 vom Europäischen Parlament angenommen. Allerdings steht die Ratifizierung durch Kanada und zehn Staaten der EU noch aus, so ist es bis heute nur in Teilen in Kraft getreten. Es könnte durch den US-Protektionismus aber einen neuen Schub erfahren. Im Moment werden jene Bereiche des Abkommens angewendet, die ausschließlich in der Zuständigkeit der EU liegen – vor allem der für Unternehmen entscheidende Handelsteil. Das heißt: fast alle Zölle – etwa 98 Prozent – zwischen den beiden Volkswirtschaften sind weggefallen. Die Folge: der Handel zwischen Kanada und der EU stieg um 31 Prozent. Zwischen Kanada und Deutschland legte der Handel nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums um 11,5 Prozent zu. Besonders rege ist der Austausch von Maschinen, Medikamenten, landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Fahrzeugen.

Die Autohersteller schielen auch auf das kanadische Lithium, das für E-Auto-Batterien in großen Mengen benötigt wird. Die Lithium-Förderung steckt in Europa noch in den Kinderschuhen. Kanada dagegen zählt zu den großen Produzenten. Zuletzt hat das Land China als weltweit vielversprechendsten Standort für den Bau von Lithium-Ionen-Batterien abgelöst.

Mit der CETA-Ratifizierung könnten auch die Bereiche Investitionsschutz sowie einzelne Kapitel zu Finanzdienstleistungen, Steuern und geistigem Eigentum in Kraft treten. Gerade der Investitionsschutz könnte Unternehmen dazu veranlassen, mehr in der EU beziehungsweise in Kanada zu investieren. Auch würde ein Verfahren etabliert, das privaten Investoren Klagen vor unabhängigen zwischenstaatlichen Schiedsgerichten ermöglicht, wenn sie Verstöße gegen die Investitionserleichterungen aus dem Abkommen vermuten. Wirtschaftsverbände werben daher mit Nachdruck für eine CETA-Ratifizierung.

China – schwierige Annäherung an Peking

Durch die Abkehr von Donald Trump vom Freihandel, rückt China als Handelspartner wieder in den Fokus der Europäischen Union. Zuletzt fuhr Brüssel eine Strategie des sogenannten De-Riskings, um die Abhängigkeiten von der Volksrepublik im Güterhandel und bei Rohstoffimporten zügig zu verringern. Zudem lag die EU im Streit mit Peking wegen verbotener Subventionen für chinesische Elektrofahrzeuge. Auch hatte Brüssel Sanktionen verhängt wegen der Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in China.

Inzwischen hat sich der Ton allerdings entspannt. In einem Telefonat der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag mit Chinas Ministerpräsidenten Li Qiang wurde vor allem an die guten diplomatischen Beziehungen erinnert, die im Juli dieses Jahres auf einem EU-China-Gipfel gefeiert werden.

Die Präsidentin betonte bei dem Gespräch, dass Stabilität und Berechenbarkeit entscheidende Faktoren für die Weltwirtschaft seien. Nach Angaben aus Brüssel hob sie auch „Chinas wichtige Rolle beim Vorgehen gegen Handelsumlenkungen durch Zölle“ hervor. Das heißt, dass sich Europa auf einen stärkeren Warenstrom aus China einstellt, wenn die USA chinesische Produkte aussperren. Die Chinesen umwerben die Europäer deshalb verstärkt, weil sie auf den europäischen Markt angewiesen sind.

Zudem erinnerte Ursula von der Leyen Chinas Premier daran, „wie dringlich strukturelle Lösungen seien, um die bilateralen Handelsbeziehungen wieder ins Gleichgewicht zu bringen und europäischen Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen einen besseren Zugang zum chinesischen Markt zu gewähren“. Unternehmen aus Europa klagen immer wieder über Benachteiligungen auf dem chinesischen Markt.

Die Annäherung an Peking ist noch aus einem weiteren Grund ein Balanceakt. In Brüssel geht man davon aus, dass China in Donald Trumps Handels- und Außenpolitik langfristig die Hauptrolle spielt. Eine engere Bindung der EU an China könnte die Beziehungen zu den USA noch weiter verkomplizieren.

Indien – lange ignoriert, nun begehrt

Angetrieben von den US-Zöllen, streben die EU und Indien den Abschluss eines Freihandelsabkommens noch in diesem Jahr an. Durch einen solchen Pakt verringern sich Zölle, es werden einheitliche Regeln festgelegt und auch die Lieferketten werden vereinfacht. Zwischen der EU und dem bevölkerungsreichsten Land der Erde gab es schon von 2007 bis 2013 Verhandlungen über ein Abkommen. Damals scheiterten die Gespräche jedoch und wurden erst vor drei Jahren wieder aufgenommen. Um die Ernsthaftigkeit der Absichten zu unterstreichen, reiste eine hochrangige Delegation unter der Führung von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Februar nach Indien. Neben handels- und wirtschaftspolitischen Fragen ging es bei dem Besuch auch um die Technologie-Zusammenarbeit, die internationale Sicherheit und den Klimaschutz. Für Indien - die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt - ist die EU der größte Handelspartner. Der bilaterale Handel erreichte im vergangenen Jahr wertmäßig 120 Milliarden Euro.

Die EU hofft zudem, durch bessere Beziehungen mit Indien dem wachsenden Einfluss Chinas im asiatisch-pazifischen Raum besser entgegentreten zu können - etwa beim Aufbau widerstandsfähiger Lieferketten und der Regulierung neuer Technologien, einschließlich künstlicher Intelligenz.

Der indische Markt ist für die EU bisher stark durch Zölle abgeschottet. Dies gilt unter anderem für Autos und Alkohol. Die EU erwartet allerdings sehr schwierige Verhandlungen beim Thema Landwirtschaft, da die Landwirte in Europa unlauteren Wettbewerb durch nichteuropäische Importeure befürchten. Zudem ist Indien dagegen, die von der EU verlangten hohen Standards beim Klimaschutz und den Arbeitnehmerrechten in einem Handelsabkommen festzuschreiben.

Neuseeland – vorbildliches Handelsabkommen

Große Entfernung müssen kein Hindernis für Handelsabkommen sein. Mehr als 18 000 Kilometer Luftlinie trennen etwa Berlin von der neuseeländische Hauptstadt Wellington. Dennoch sind die EU und Neuseeland seit knapp einem Jahr durch ein neues weitreichendes Freihandelsabkommen verbunden – mit dem fast vollständigen Abbau von Zöllen. Nach Angaben der EU-Kommission verringern sich die Abgaben für Unternehmen aus der EU jährlich um rund 140 Millionen Euro. Insgesamt wird innerhalb eines Jahrzehnts mit einem Wachstum des bilateralen Handels um bis zu 30 Prozent gerechnet. Die EU-Exporte in das Land im Südwestpazifik sollen jährlich um bis zu 4,5 Milliarden Euro steigen.

Um den Interessen der europäischen Landwirtschaft Rechnung zu tragen, wurden unter anderem einige Milcherzeugnisse, Rind- und Schaffleisch, Ethanol und Zuckermais von der Handelsliberalisierung ausgenommen. Das Abkommen gilt zudem als das erste der EU, mit dem ein neuer Ansatz für nachhaltige Entwicklung umgesetzt wird. So ermöglicht es bei schwerwiegenden Verstößen gegen grundlegende arbeitsrechtliche Prinzipien oder klimapolitische Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris sogar Sanktionen.

Mexiko – Loslösung vom Nachbarn USA

Auch das von Donald Trump immer wieder drangsalierte Mexiko rückt näher an die EU heran. Anfang dieses Jahres wurde nach langjährigen Verhandlungen die Modernisierung eines bilateralen Freihandelsabkommens abgeschlossen. Geplant ist unter anderem der Abbau von Zöllen auf Produkte wie Käse, Schweinefleisch, Schokolade und Wein.

Neben den wirtschaftlichen Beziehungen sollen auch die allgemeine Zusammenarbeit und Frage des Klimawandels und der Menschenrechte geregelt werden. Mexiko ist die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas und der zweitwichtigste Handelspartner der EU in Lateinamerika. Das jährliche Handelsvolumen beträgt rund 82 Milliarden Euro. Rund 80 Prozent der mexikanischen Exporte gehen bisher in die USA.

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Erstellt:
8. April 2025, 17:52 Uhr

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