Autohersteller

Europas Autobauer schicken Brandbrief nach Brüssel

Die Fahrzeughersteller stecken in einer tiefen Krise und fordern von der EU nun Zugeständnisse in Sachen Umweltauflagen.

Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius fordert angesichts der Krise der Autobauer in Brüssel ein Entgegenkommen der EU.

© AFP/John Thys

Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius fordert angesichts der Krise der Autobauer in Brüssel ein Entgegenkommen der EU.

Von Knut Krohn

Europas Autobauer feiern sich selbst. Über 60 Marken präsentieren in diesen Tagen bei der Brüssel Motor Show ihre Träume auf vier Rädern. Zwischen zukunftsweisenden Prototypen mit Elektroantrieb und chromblitzenden Boliden mit V8-Motor bleibt den Besuchern kein Raum für einen Gedanken an die schwere Krise, in der die Branche seit Jahren steckt.

Doch die Situation für die europäischen Hersteller ist mehr als ernst. Sie kämpfen nicht nur gegen den dramatischen Einbruch der Absatzzahlen vor allem auf dem wichtigen chinesischen Markt, große Probleme bereiten ihnen auch die drohenden Umweltauflagen, die ihnen in Zukunft die Europäische Union vorgibt. Für Ungewissheit sorgen auch die ständigen Drohungen des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump, hohe Importzölle zu erheben.

Eindringlicher Appell an die EU-Kommission

Aus diesem Grund nutzte Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius einen Besuch auf der Brussels Motor Show am Donnerstag zu einem eindringlichen Appell an die EU-Kommission. In einem offenen Brief forderte er, potenzielle Handelskonflikte zu vermeiden. „Die beiden wichtigsten Handelspartner der EU sind China und die USA“, sagte Källenius in Brüssel.

Damit bezog sich der Manager nicht nur auf die Drohungen Trumps, sondern auch auf den schwelenden Handelskonflikt mit Peking. Brüssel wirft China unfaire Subventionen seiner Autobauer vor und hatte im vergangenen Jahr deshalb Zusatzzölle auf Elektroautos aus Peking eingeführt. Mercedes-Chef Källenius warnte, jegliche Zölle hätten „unmittelbare und erhebliche finanzielle Folgen“ für die europäischen Hersteller. Er verwies darauf, dass zahlreiche Unternehmen – darunter Mercedes – ihre Autos auch in den USA und China selbst bauen lassen und von dort exportieren.

Ärger über die strengen Umweltauflagen der EU

Großes Kopfzerbrechen bereiten Källenius, der in Brüssel seinen ersten Auftritt als frischgewählter Präsident des europäischen Herstellerverbands Acea hatte, die strengen Umweltvorgaben der EU. Die Hersteller würden nicht die Ziele der Klimaneutralität der Union bis 2050 in Frage stellen, betonte der Topmanager und bekannte sich ausdrücklich dazu, „die Dekarbonisierung der Automobilindustrie in ein grünes und profitables Geschäftsmodell zu verwandeln“. Aber, so sagte der Mercedes-Chef, „der europäische Green Deal muss einem Realitätscheck unterzogen und neu ausgerichtet werden.“

Doch damit nicht genug. Källenius schreibt in dem Brief an die EU-Kommission. „Es reicht nicht aus, einfach den europäischen Green Deal zu überarbeiten. Er muss mit einer ganzheitlichen Industriestrategie einhergehen, die der europäischen Industrie hilft, ihre Wettbewerbsvorteile zu schärfen.“ Dazu müssten zum Beispiel der Regulierungsdschungel gelichtet, die Forschung und Entwicklung besser gefördert und vor allem auch die Energiepreise dringend gesenkt werden.

Auch die EU sucht den Dialog

Bei der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rennt der Mercedes-Chef mit seinem Brief offene Türen ein. Denn die hat bereits im vergangenen November einen „strategischen Dialog über die Zukunft der Automobilindustrie in Europa“ einberufen. Darin sind zentrale Ziele bereits formuliert. So sollen datengetriebene Innovationen und Technologien wie Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren besser gefördert werden. Versprochen wird auch die „Vereinfachung und Modernisierung des Regulierungsrahmens“. Unterstrichen wird von der EU-Kommission zudem die „Unterstützung der Dekarbonisierung des Sektors in einem offenen technologischen Ansatz“.

Die Ziele des „strategischen Dialogs“ sind reichlich schwammig formuliert. Wie weit Brüssel den Autobauern in Not tatsächlich entgegenkommen will, wird sich aber bereits in den kommenden Monaten zeigen. Nach derzeitiger EU-Gesetzeslage drohen ab diesem Jahr vielen Herstellern hohe Geldbußen wegen der sogenannten Flottengrenzwerte. Für zu viel ausgestoßenes CO2 müssen die ohnehin schon angeschlagenen Hersteller Strafen zahlen – womöglich in Milliardenhöhe, wie der europäische Automobilverband Acea befürchtet. Dazu schreibt Mercedes-Chef Källenius am Donnerstag in seinem Brief, dass der Weg zur Dekarbonisierung der Autoindustrie „marktgetrieben, nicht strafgetrieben“ sein müsse. Bisher kommen aus der Kommission allerdings keine Signale, von den Klimastrafen abrücken zu wollen.

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Erstellt:
16. Januar 2025, 15:13 Uhr
Aktualisiert:
16. Januar 2025, 17:03 Uhr

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