Tiertransporte
Europas halbherziger Kampf gegen das Tierleid
Die Regeln für Tiertransporte sollen nach dem Willen der EU-Kommission verschärft werden. Doch der Widerstand dagegen ist groß.
Von Knut Krohn
Tiere sollen gut behandelt werden – auch jene, die nach dem Ende ihres meist kurzen Lebens als Schnitzel auf dem Teller der Verbraucher landen. Doch die Realität ist eine andere und vor allem beim Transport vom Stall in die Schlachthöfe wird es mit dem Tierwohl oft nicht so genau genommen.
Das hat auch die Europäische Union erkannt. Sie will im Rahmen der EU-Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ die über 20 Jahre alten geltenden Regelungen endlich modernisieren und auf den neuesten Stand der Wissenschaft zu bringen. So sollen etwa die Transportzeiten verkürzt werden. Fahrten zum Schlachter dürften maximal neun Stunden dauern. Bislang gibt es keine Zeitgrenze für solche Fahrten. Auf längeren Transporten müssten die Tiere anständig mit Futter und Wasser versorgt werden.
Neue Vorschläge der EU zum Schutz der Tiere
Große Eile legen die Verantwortlichen in Brüssel bei der Verbesserung der Transportqualität allerdings nicht an den Tag. Nach mehrjähriger Vorarbeit hat die EU-Kommission Ende 2023 ihre Vorschläge vorgelegt, wirklich passiert ist seitdem allerdings wenig. Tierschützer hoffen nun, dass nach der Europawahl und mit der neuen EU-Kommission wieder Bewegung in dies Sache kommt.
Das Thema Tiertransporte ist allerdings ein heißes Eisen. „Hier treffen ethische und wirtschaftliche Fragestellungen aufeinander“, sagt Paul Berghuis, der einen Betrieb besitzt, der sich auf den Transport von Kälbern spezialisiert hat. Die Wertschätzung der Tiere sei zentral bei seiner Arbeit, aber er müsse eben auch Geld verdienen, da seien Kompromisse notwendig.
Der Unternehmer aus dem Tecklenburger Land hatte einen seiner modernen Viehtransporter nach Brüssel gesteuert und vor der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen geparkt – als stählerner Beweis, dass für ihn das Wort Tierwohl keine hohle Phrase ist. An diesem Abend sollte bei einer Diskussionsrunde die Suche nach den von Berghuis geforderten Kompromissen vorangetrieben werden. Vor allem aber zeigte sich, dass viele sinnvolle EU-Vorgaben auf dem Papier bereits existieren, im Alltag aber nicht umgesetzt werden. So berichtete Tea Dronjic von der Tierschutzorganisation Animal Welfare vom jüngsten Skandal an der Grenze in Bulgarien. Im Oktober wurden mehrere Lkw, voll beladen mit Kühen wegen eines Formfehlers an der Weiterfahrt in die Türkei gehindert. Die Tiere durften nicht entladen werden, waren abgemagert und standen über Tage in ihren eigenen Exkrementen.
Die Vorgaben werden oft nicht umgesetzt
Resigniert sagte die Tierärztin, dass es viele Vorfälle dieser Art gebe, weil die Regularien einfach nicht umgesetzt würden. Die Transporter seien oft überladen, die Fahrt dauere viel zu lange, die Tiere würden nicht mit Wasser versorgt oder stünden in der Hitze oder klirrenden Kälte. Maria Biedermann vom Bundesamt für Verbraucherschutz bestätigte diese Beobachtung. Ein zentrales Problem sei, dass es zu wenig Kontrollen gebe, sich die Verantwortlichen bei einem Vergehen zu leicht herausreden könnten und so der Bestrafung entgingen. „Bei uns stapeln sich die Beanstandungen, ohne dass es Ahndungen geben würde“, klagte Biedermann.
Lippenbekenntnisse aus den Reihen der Politik
Auch für den Europaabgeordneten Daniel Buda ist das Tierwohl enorm wichtig. Als Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und Berichterstatter für Tiertransporte im Parlament ist er eine einflussreiche Stimme. Allerdings sieht der konservative Rumäne vor allem Probleme. So hätten die Firmen etwa in seiner Heimat nicht genügend gut ausgerüstete Fahrzeuge, wegen der schlechten Straßeninfrastruktur könnten die Transportzeiten nicht verkürzt werden, die Temperaturvorgaben seien zu rigide, ebenso wie die Regelung zur Bewegungsfreiheit für die Tiere.
Zudem würde nach Ansicht von Daniel Buda eine Verschärfung der bestehenden EU-Vorgaben zu Lasten der Bevölkerung gehen, die mehr für ihr Fleisch zahlen müsse, was unbedingt vermieden werden sollte. „Man muss realistisch bleiben“, betonte der EU-Parlamentarier und meinte damit offensichtlich, dass alles beim alten bleiben könne. Bei einem System also, das in den Augen der anderen Diskussionsteilnehmer längst bewiesen hat, dass es nicht funktioniert.