Europas Kleinmut gegenüber Kiew
Brüssel plant ein neues Paket an Sanktionen gegen Russland – doch das hilft der Ukraine nicht wirklich.
Von Knut Krohn
Brüssel - Die EU steht an der Seite der Ukraine. Das ist die Botschaft des Besuches der neuen Außenbeauftragten Kaja Kallas und des Ratspräsidenten António Costa in Kiew. Mehr als diese symbolhaften Gesten benötigt die Ukraine aber tatkräftige Unterstützung von Europa.
Wahrscheinlich noch in diesem Jahr wird die Union neben neuen Waffen und Winterhilfe für die Bevölkerung auch ein neues Sanktionspaket gegen Russland beschließen. Es ist das 15. seiner Art. Das hört sich mächtig an, entschlossen zupackend. Die Realität spricht allerdings eine andere Sprache. Das Paket reicht nicht einmal aus, um die europäische Zögerlichkeit, den Egoismus und das Bedenkenträgertum zu kaschieren.
Ins Visier genommen wird vor allem die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl und Ölprodukten. Wirklich bemerkenswert ist lediglich, dass geplant ist, einige Unternehmen mit Sitz in China auf die Sanktionsliste zu setzen, die an der Herstellung von Drohnen beteiligt sind. Mit den Waffen greift Moskau nicht nur gegnerische Stellungen an der umkämpften Front an, sondern terrorisiert Tag und Nacht die ukrainische Zivilbevölkerung.
Das Sanktionspaket wird den blutigen Verlauf des Krieges aber nicht beeinflussen. Moskau wird weiter Waffen und Munition einsetzen, die ohne westliche Bauteile nicht hergestellt werden können. Seit Beginn des Krieges haben die Exporte auch aus Deutschland in Staaten wie die Türkei oder Kirgistan Rekordwerte erreicht. Von dort aus werden die sanktionierten Güter munter weiter nach Russland verkauft. Zudem verfügt der Kreml wegen der Exporte von Rohstoffen weiter über Geld, um die Kriegsmaschinerie zu finanzieren. Wegen der notwendigen Einstimmigkeit wurden in der EU bisher keine Importverbote für Uran, Stahl, Erdgas oder Öl ausgesprochen.
Die Staaten der Europäischen Union wissen das – doch sie tun nichts. Anstatt mit einem neuen Sanktionspaket weiter Augenwischerei zu betreiben, wäre es sinnvoller, die bereits verhängten Strafmaßnahmen konsequent umzusetzen. Unrühmlich ist vor allem das Verhalten Deutschlands, das immer wieder die Verschärfung der Sanktionen blockiert hat. Zwar weist Kanzler Olaf Scholz gebetsmühlenartig darauf hin, dass Berlin der größte Geldgeber Europas für die Ukraine sei. Gleichzeitig aber weigerte sich die Regierung strengere Maßnahmen gegen die Umgehung der Sanktionen umzusetzen. Grund sind Warnungen aus der Wirtschaft, die einen hohen Verwaltungsaufwand und Umsatzverluste befürchtet. Beim nun 15. Paket machte Berlin ebenfalls vor allem als Bremser von sich reden.
Auch der anlaufende Wahlkampf in Deutschland verheißt nichts Gutes für die Ukraine. Kanzler Scholz versuchte sich jüngst durch ein Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin vor seinen möglichen Wählern als eine Art Friedenskanzler zu profilieren. Die Antwort des Kremls war deutlich: am Tag nach dem Gespräch überzog Russland die Ukraine mit einem Raketenregen und Drohnenangriffen, wie es sie zuvor noch nie gegeben hatte.
Die Sprache, die Putin versteht, kommt aus den USA. Dort hat der künftige Präsident Donald Trump den früheren General Keith Kellogg zum Sondergesandten für die Ukraine und Russland ernannt. Der alte Haudegen ist der Ansicht, es sei „in Amerikas Interesse, sicherzustellen, dass Russland diesen Krieg verliert“. Das gelinge nur durch mehr Waffen, die man der Ukraine liefern könne. Am Ende wird natürlich Trump das letzte Wort haben. Er wird über das Schicksal Europas entscheiden, während die Europäer selbst zaudernd und zankend danebenstehen, nicht in der Lage, sich selbst zu verteidigen.