Doch nicht allein im Weltall
Existieren außerirdische Lebensformen häufiger als gedacht?
Intelligentes Leben im All könnte weniger selten sein als gedacht. Denn neue Analysen widersprechen der etablierten Annahme, dass unsere Existenz ein unwahrscheinlicher Glücksfall ist. Andere Planeten könnten sogar günstiger für intelligentes Leben sein als unsere Erde.
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© Imago/Panthermedia
Big Alien ist watching you: Extraterrestrisches Leben kann einfache biologische Lebensformen genauso umfassen wie pflanzliches und tierisches Leben und dem Menschen weit überlegene, komplexere Lebensformen.
Von Markus Brauer
Sind wir allein in den unendlichen Weiten des Weltraums? Der im Jahr 2018 verstorbene britische Physiker Stephen Hawking war überzeugt: Die Menschheit sollte sich besser still verhalten, denn Außerirdische könnten uns als Konkurrenz ansehen. Doch dafür könnte es längst zu spät sein.
Dass der Planet Erde bewohnt wird, ist von vielen Sternen im Umkreis von 300 Lichtjahren aus sichtbar. Vorausgesetzt, dort lebende Wesen sind im Besitz ähnlicher oder gar besserer Teleskope als wir. Und in mehreren Dutzend dieser Systeme sind inzwischen sogar Radiosignale von der Erde eingetroffen.
„Da draußen gibt es welche“
„Da draußen gibt es welche, aber wir werden sie nie treffen. Selbst kommunizieren werden nie mit ihnen. Aber es muss sie geben“, ist der Münchner Physiker und frühere Astronaut Ulrich Walter Walter überzeugt. „Das verlangt allein die Logik, weil es nahezu unendlich viele andere Planeten gibt.“
Allerdings in anderen Galaxien, so Walter. Diese werden die Menschheit nie bereisen können. „Tatsächlich kann man zeigen, dass man nie Botschaften von ihnen auffangen wird, wenn sie uns welche zuschicken.“ Eine Reise sei erst recht nicht möglich. Derartige Flüge würden mehr als 10.000 Jahre in Anspruch nehmen – selbst wenn es nur um ein paar Lichtjahre Entfernung gehe.
Warum gibt es noch keine Spuren von Außerirdischen?
Extraterrestrisches Leben kann einfache biologische Lebensformen wie Mikrosphären (Molekül-Klumpen), Prionen (Protein-Strukturen), Viren und Prokaryoten (zelluläre Wesen) genauso umfassen wie pflanzliches und tierisches Leben und dem Menschen weit überlegene, komplexere Lebensformen.
Nach Schätzungen einiger Astronomen wie dem Amerikaner Seth Shostak – der das Seti-Projekt (Search for Extraterrestrial Intelligence/Suche nach außerirdischer Intelligenz) leitet –, müsste es allein in unserer Milchstraße rund 10.000 außerirdische Zivilisationen geben und noch weit mehr einfachere extraterrestrische Lebensformen.
Doch bisher wurde trotz intensiver Suche nach Radiosignalen und anderen Techno-Signaturen keine Spur von Aliens entdeckt. Gibt es sie nicht? Oder verbergen sie sich nur vor unseren neugierigen Blicken? Über diese Frage grübeln Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten.
„Hard Steps“ auf dem Weg zum Leben
Im Jahr 1986 stellte der US-Physiker Brandon Carter fest: Die Evolution des Menschen erforderte mehrere biologisch sehr unwahrscheinliche Entwicklungsschritte. Zu diesen „Hard Steps“ gehörte unter anderem die Entstehung der ersten Zellen sowie die Evolution eines intelligenten Lebewesens – des Homo sapiens.
Gemessen an der habitablen – also für Leben bewohnbare – Phase unseres Planeten erfolgte das Auftreten des Menschen sehr spät – aber nicht zu spät. Denn schon in rund einer Milliarde Jahren wird die Sonne unsere Erde wieder unbewohnbar machen.
Gibt es auch auf fremden Welten ähnliche seltene und unwahrscheinliche Glücksfälle? Und was sind limitierende Faktoren für Leben? Daniel Mills von der Pennsylvania State University und seine Kollegen gehen dieses spannende Thema genau anders herum an: Sie konstatieren, dass nicht „unwahrscheinliche Schritte“ der Evolution das Problem waren, sondern die irdische Umwelt.
Ihre Studie ist im Fachjournal „Science Advances“ erschienen.
A reassessment of the “hard-steps” model for the evolution of intelligent lifehttps://t.co/F4LPX3S0Ch — Hasan G. Bahçekapılı (@InsanEvrim) February 17, 2025
„Keine Abfolge unwahrscheinlicher Glücksfälle“
„Wir argumentieren, dass intelligentes Leben keine Abfolge unwahrscheinlicher Glücksfälle benötigt“, erklärt Mills. Stattdessen entwickelten sich Zellen, Eukaryoten und der Mensch relativ schnell. Dies immer dann, wenn die Umwelt diesen Schritt zuließ. Limitierend waren nach Ansicht der Wissenschaftler Faktoren wie Temperaturen, Zustand der Urmeere oder der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre, nicht aber die biologische Evolution.
„Die Erde war demnach erst in den letzten neun Prozent ihrer gesamten Geschichte für die dauerhafte Besiedlung durch den Menschen geeignet“, schreiben die Forscher.
Auch der Mensch sei kein bloßer Glücksfall der Entwicklung der Arten gewesen. „Dies ist ein signifikanter Wandel in unserer Sicht auf die Entwicklung des Lebens“, stellt Jennifer Macalady fest. „Es legt nahe, dass die Evolution komplexen Lebens weniger mit Glück zu tun hat als vielmehr mit dem Wechselspiel von Leben und seiner Umwelt.“
Warum sich der Mensch so spät entwickelte
Der Homo sapiens entwickelte sich demzufolge nur deshalb so spät in der Erdgeschichte, weil die Erde erst dann die nötigen Voraussetzungen bot – und nicht, weil seine Entwicklung an sich so lange dauert.
„Statt einer Abfolge unwahrscheinlicher Ereignisse könnte die Evolution demnach viel vorhersehbarer sein. Sie schreitet voran, sobald es die Bedingungen erlauben“, betont Jason Wright von der Penn State. Das bedeutet: Sind die Bedingungen auf einem anderen Planeten günstiger, könnte sich dort intelligentes Leben sogar früher und schneller entwickeln als auf unserer Erde.
Erhöhte Chance für außerirdische Zivilisationen
„Unsere neue Perspektive spricht dafür, dass die Entstehung intelligenten Lebens weniger unwahrscheinlich ist als gedacht“, erläutert Wright. Tatsächlich legen astronomische Beobachtungen nahe, dass die Sonne eigentlich kein optimaler Heimatstern für eine intelligente Zivilisation ist und dass es Exoplaneten gibt, die deutlich günstigere Bedingungen bieten.
Sollte sich diese These bestätigen, könnten intelligentes Leben im Universum und außerirdische Zivilisationen häufiger und wahrscheinlicher sein als bisher angenommen. „Wenn es tatsächlich keine ‚Hard Steps‘ gibt, die die Evolution von Zivilisationen wie der unsrigen limitieren, dann könnten Techno-Signaturen – beobachtbare Indizien für extraterrestrische Technologie – auf erdähnlichen Planeten ausreichenden Alters sogar gängig sein“, resümieren die Forscher.