Daniela Voigt über Umgang mit Quälgeistern
Expertin sagt, wie man mit toxischen Menschen fertig wird
Toxische Persönlichkeit haben viele Tricks, um ihr Gegenüber zu quälen und schädigen. Aber was tun, wenn man mit ihnen zu tun haben muss?
Von Adrienne Braun
Zunächst sind sie charmant und großzügig – aber sobald man ihnen näher kommt, wollen toxische Persönlichkeiten Macht ausüben und schädigen. Die Soziologin Daniela Voigt beschäftigt sich schon lange mit Beziehungen zu dysfunktionalen Personen – und zeigt in ihrem neuen Buch, wie sich das Gegenüber schützen kann.
Frau Voigt, der Begriff toxisch wird inflationär verwendet und meist auf alte weiße Männer angewandt. Können auch andere Menschen toxisch sein?
,Toxisch‘ ist tatsächlich das Schweizer Messer der Adjektive geworden, aber das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auffallend viele sehr unterschiedliche Menschen gibt, die toxisch sind. Sie nehmen dauerhaft ein schädigendes Verhalten ein und stellen ihre Belange konsequent über die der anderen. Sie manipulieren, kontrollieren, lügen und schädigen.
Bewusst oder unbewusst?
Das ist die große Frage. Es ist noch nicht nachgewiesen worden, dass es bewusst ist, aber diese Menschen wählen sich schon sehr bewusst ihr Gegenüber aus und modifizieren ihr Verhalten, wenn es nicht so gut ankommt.
Welchen Anteil hat das Gegenüber?
Zunächst muss man jemanden einfangen, um sich toxisch verhalten zu können. Alle toxischen Menschen haben eines gemeinsam: Sie lernen auswendig, was der andere braucht. Dann umgarnen sie ihn mit allem, was er will – und danach ist die Fallhöhe groß, wenn das plötzlich wegfällt.
Zeigt sich das nur in Liebesbeziehungen?
Das geht auch bei der Arbeit. Es geht grundsätzlich darum, in Beziehung zu kommen, bis mich jemand so weit an seine Seele heran lässt, dass ich toxisch werden kann. Toxische Menschen tun alles, um ihr Opfer zu umgarnen. Das geht auf allen Ebenen.
Toxisch ist keine psychologische Kategorie. Welche psychische Konstitution steckt dahinter?
Psychologen wehren sich standhaft gegen den Begriff und haben ihn in dysfunktional umbenannt, was aber alles Mögliche bedeuten kann. Narzissten, Soziopathen und Psychopathen sind auf jeden Fall mit dem Begriff toxisch einzufangen, aber es gibt eine Menge Grau dazwischen, denn nicht jeder, der eine psychische Störung hat und dysfunktional ist, muss toxisch sein – und auch nicht umgekehrt.
Warum befassen Sie sich als Soziologin mit dem Thema?
Ich habe mich spezialisiert auf Situationen, die extrem schwierig sind und man nicht mit einfachen Ratschlägen lösen kann. Deshalb habe ich allerlei Praxisbeispiele und kenne jede Eskalationsstufe, die es gibt.
In der Regel wird geraten, den Kontakt zu einer toxischen Person am besten abzubrechen. Das ist im Beruf oder beim Vermieter schwierig.
Sich zu trennen ist nie einfach – ob ich mit jemandem Kinder habe oder gerade keine andere Stelle finde. Aber es gibt Methoden, um dagegen anzugehen. Das Erste ist, klare Grenzen zu setzen – und das konsequent. Seien Sie langweilig wie ein Stein und bieten sie keine Fläche, dann lässt der andere ab. Wobei das Zeit und Konsequenz braucht, denn ein gesunder Umgang mit toxischen Menschen ist wie ein Dauerlauf. Aber die gute Botschaft ist: Es funktioniert, einen gesunden Umgang zu finden.
Sie schreiben aber auch, man solle den Kampf aufgeben, den man nicht gewinnen kann.
Wenn Wehrhafte versuchen, gegen Behauptungen vorzugehen, eskaliert die Situation lediglich. Man muss davon ausgehen, dass ein toxischer Mensch als Lügenbaron und Manipulator jede Äußerung ins Gegenteil verkehrt. Deshalb sollte ich jeden Kampf aufgeben - nur nicht den für meine Gesundheit. Der toxische Mensch zieht aus jeder Begegnung Energie.
Das klingt vampirhaft. Was will er saugen?
Der Narzisst möchte einfach Bewunderung. Der Psychopath will Kontrolle und der Soziopath will schädigen. Was sie aus Beziehungen herausziehen, ist eine krude Form von Energie und Selbstwert, weil sie wahrgenommen werden. Das ist das Einzige, was für sie zählt.
Wird der toxische Mensch nicht noch boshafter, wenn er Macht und Kontrolle verliert?
Ein toxischer Mensch ist so frustrationstolerant wie ein Haustier, das ein Leckerli haben will. Deshalb werden Sie zunächst eine weitere Eskalation erleben – bis der toxische Mensch ein anderes Objekt seiner Begierde findet, das ihm nutzt und ihm Bewunderung und Macht gibt. Irgendwann lässt der toxische Menschen nach, weil er nicht mehr bekommt, was er will.
Lässt das toxische Gegenüber von einem ab, wenn man devot und willig ist?
Man kann einem toxischen Menschen sein Leben unterwerfen, aber da bleibt die Frage, wie viel Leid man ertragen möchte. Je mehr Möglichkeiten toxische Menschen bekommen, desto zufriedener sind sie nicht, sondern werden weiter gehen.
Können toxische Menschen Empathie empfinden?
Nein, aber sie können das perfekt nachahmen. Sie lernen auswendig, was der andere braucht und was sozial erwünscht ist. Sie haben keinerlei Antenne für Wiedergutmachung, weil sie kein Mitleid oder Trauer empfinden – auch wenn sie das behaupten. Wenn es in einer Situation also keine Wiedergutmachung gibt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass das Gegenüber ein toxischer Mensch ist und dauerhaft schaden will.
Kann er geheilt werden?
Das kann er bestimmt, aber die Frage ist, ob er das möchte. Wenn ich mit meinem toxischen Verhalten soviel Aufmerksamkeit, Macht und Kontrolle bekomme, wüsste ich nicht, warum ich mich ändern sollte. Es hat für sie keinen Nutzen, nur nett sein und dafür womöglich eins auf die Nuss zu kriegen. Es gibt sicherlich toxische Menschen, die sich geändert haben, aber Psychologen reden von fünf bis ein Prozent.
Ratgeberin für schwierige Beziehungen
PersonDaniela Voigt ist als Professorin für Soziale Arbeit an der SRH Fernhochschule – The Mobile University Riedlingen und als Beraterin tätig. Ihr Spezialgebiet sind zwischenmenschliche Beziehungen und toxische Verbindungen und Menschentypen.
BuchDaniela Voigt: Gesunder Umgang mit toxischen Menschen für Dummies. Wiley Verlag, 288 Seiten, 20 Euro. adr