Iran
Explosion als „Vorgeschmack auf einen Krieg“ mit den USA
Nach einer Explosion in einem der wichtigsten Häfen des Irans sind mindestens 28 Menschen umgekommen und es gibt Hunderte von Schwerverletzten. Experten vermuten Raketentreibstoff als mögliche Explosionsursache.

© AFP/Mohammad Rasole Moradi
Dicker Rauch ist über der Hafenanlage Schahid Radschai zu sehen.
Von Thomas Seibert
Orangefarbener Rauch quillt aus einem Lagergelände im iranischen Hafen Bandar Abbas, eine Feuersäule steigt auf und breitet sich aus, Menschen rennen um ihr Leben – dann fliegt ein Teil der Hafenanlage in die Luft: Videos im Internet dokumentierten eine Explosionskatastrophe in Bandar Abbas, bei der mindestens 28 Menschen getötet wurden, nachdem am Samstag von 25 Toten die Rede war. Das Regime in Teheran erklärte, im Hafen seien „einige Chemikalien“ explodiert. Viel spricht dafür, dass es sich um Raketentreibstoff handelte. Ob Unfall oder Sabotageakt: Die Explosion führte den Iranern nach Einschätzung von Experten vor Augen, welche Zerstörungen ein Krieg mit USA und Israel anrichten würde.
Die iranischen Behörden riefen nach der Explosion am Samstagmittag im Gebiet um den Hafen den Notstand aus und warnten vor Luftverschmutzung durch chemische Stoffe wie Ammonium. Krankenhäuser in umliegenden Provinzen und der Hauptstadt Teheran stellten sich auf die Behandlung der mindestens 1139 Verletzten ein. Sechs Menschen würden noch vermisst, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna.
Großer Andrang an Sammelstellen für Blutspenden
Die Brandbekämpfung, die von Hubschraubern und Löschflugzeugen unterstützt wurde, dauerte am Sonntag noch an. Für den Iran sei die Explosion „eine nationale Tragödie“, sagte der Iran-Experte Arash Azizi von der Universität Boston unserer Zeitung. Viele Normalbürger wollten den Opfern helfen. So gebe es großen Andrang an den Sammelstellen für Blutspenden.
Bandar Abbas an der Nordküste des Persischen Golfs gegenüber von Dubai ist der wichtigste Hafen von Iran für den internationalen Handel. Die Explosion ereignete sich in Schahid Radschaei, dem Containerhafen von Bandar Abbas, über den laut Irna fast 80 Prozent des gesamten iranischen Containerhandels abgewickelt werden. Sollte der Hafen länger geschlossen bleiben, könnte das die Krise der iranischen Wirtschaft verschärfen.
Der Knall der Explosion war laut der Nachrichtenagentur Reuters noch in mehr als 25 Kilometer Entfernung zu hören. Die iranische Regierung ordnete eine Untersuchung an. Die Lagerbedingungen für Chemikalien im Hafen seien bereits in der Vergangenheit als fahrlässig kritisiert worden, erklärte die Katastrophenschutzbehörde. Die Bilder aus Bandar Abbas erinnerten an die Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut vor fünf Jahren, bei der tausende Tonnen Ammoniumnitrat in die Luft flogen.
In Bandar Abbas explodierten nach Einschätzung von Experten große Mengen des Raketentreibstoffs Ammoniumperchlorat. Der Stoff sei im März aus China geliefert worden, meldete die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf die Firma Ambrey, die Reedereien in Sicherheitsfragen berät. Der Iran habe den Treibstoff in China bestellt, weil die iranischen Streitkräfte beim Beschuss auf Israel im vergangenen Jahr viele Raketen verbraucht hätten.
Laut der „New York Times“ bestätigte ein Informant aus Kreisen der iranischen Revolutionsgarde, dass in Bandar Abbas größere Mengen eines Bestandteils von Raketentreibstoff explodierte; die Garde ist für das iranische Raketenprogramm zuständig. Der Oppositionssender Iran International meldete, die Revolutionsgarde habe das betroffene Hafengelände inzwischen abgeriegelt.
Sollte sich bestätigen, dass in Bandar Abbas frisch importierter Raketentreibstoff in die Luft flog, wäre die Explosion nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein militärischer Rückschlag für das Regime. Deshalb wurde nach der Explosion über Sabotage spekuliert: Luftbilder zeigten mehrere Brände, die teilweise weit voneinander entfernt lagen. Das sehe nicht nach einem Unfall aus, kommentierte Trita Parsi von der US-Denkfabrik Quincy Institute auf X. Irans Außenminister Abbas Araghci hatte vorige Woche erklärt, die Geheimdienste seines Landes seien wegen möglicher Sabotageakte im Alarmzustand. Israel hatte den Containerhafen von Schahid Radschaei vor fünf Jahre mit einem Cyber-Angriff lahmgelegt.
Verhandlungen über neues Atomabkommen
Die iranische Hafenanlage explodierte, während Araghci in Oman mit US-Unterhändler Steve Witkoff über ein neues Atomabkommen verhandelte. Die Gespräche sollen am nächsten Wochenende fortgesetzt werden. US-Präsident Donald Trump droht dem Iran mit Angriffen, falls es keine Einigung geben sollte, die den Bau einer iranischen Atombombe verhindert. Laut der „New York Times“ strebte Israel bereits Angriffe auf den Iran für die kommenden Wochen an, wurde von Trump aber vorerst gestoppt.
„Was immer die Ursache war: Die Explosion ist ein Vorgeschmack darauf, wie fürchterlich militärische Angriffe auf den Iran sein könnten“, meint Iran-Experte Azizi. Ein Krieg mit USA und Israel würde im Iran viel mehr Menschen töten und viel mehr an Infrastruktur zerstören als die Hafen-Explosion. Das Feuer in Bandar Abbas mache den Iranern deshalb deutlich, wie wichtig es sei, einen Krieg zu vermeiden.