Astronomie
Extrem gefräßiges schwarzes Loch ist fast so alt wie das Universum
Das Schwarze Loch LID-568 in einer fernen Galaxis verschlingt mehr Materie als erlaubt und liefert so Hinweise auf das Wachstum solcher Schwerkraft-Monster. Bei ihnen handelt es sich Blazare mit aktivem galaktischem Kern.
Von Markus Brauer
Schwarze Löcher sind gefräßig: Mit ihrer Schwerkraft ziehen sie Gas aus der Umgebung an und verschlingen es. Ein internationales Forscherteam hat jetzt in einer fernen Galaxie ein Schwarzes Loch namens LID-568 aufgespürt, das mit seinem Appetit alle bisherigen Rekorde sprengt: Es nimmt 40 Mal mehr Materie auf als theoretisch erlaubt. Ihre studie ist im Fachblatt „Nature Astronomy“erschienen,
Spectacular: Galaxy M81, located about 12 million light years from Earth It has a Black Hole roughly 70 million times more massive than our Sun (about 17 times more massive than the black hole in the center of our galaxy) (Credit: NASA/JPL-Caltech/ESA/Harvard-Smithsonian CfA) pic.twitter.com/fY8HomhEsF — World and Science (@WorldAndScience) December 1, 2024
Schwarze Löcher im frühen Universum
Die Astronomen haben damit einen wichtigen Teil der Antwort auf die Frage gefunden, wie supermassereiche Schwarze Löcher im frühen Universum so schnell wachsen konnten. Es handelt sich um eine besondere Sorte von aktivem galaktischem Kern, der so weit entfernt ist, dass sein Licht mehr als 12,9 Milliarden Jahre gebraucht hat, um uns zu erreichen.
Die Existenz dieses so genannten Blazars legt nahe, dass es eine große, aber verborgene Population ähnlicher Objekte gibt, die sämtlich starke Teilchenjets aussenden. Das wiederum ist bedeutsam, da Schwarze Löcher, die Jets erzeugen, wesentlich schneller wachsen können sollten als Schwarze Löcher ohne Jets.
Extrem helle Zentralregionen von Galaxien
Aktive galaktische Kerne (englisch: Active galactic nuclei/AGN) sind extrem helle Zentralregionen von Galaxien. Angetrieben wird der Energieausstoß eines AGN durch Materie, die auf das zentrale supermassereiche Schwarze Loch der betreffenden Galaxie fällt.
Solcher Materie-Einfall – Akkretion genannt – ist die effizienteste Art der Energiefreisetzung überhaupt. Entsprechend können AGN mehr Licht erzeugen als alle Sterne in Hunderten, Tausenden oder noch mehr Galaxien zusammen, und das in einer Raumregion kleiner als unser Sonnensystem.
Man nimmt an, dass mindestens zehn Prozent aller AGN gebündelte hochenergetische Teilchenstrahlen aussenden – so genannte Jets. Solche Jets schießen aus der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs in zwei entgegengesetzte Richtungen.
Blazare: Hochenergetische kosmische Objekte
Erzeugt werden sie durch Magnetfelder, die in der Akkretionsscheibe des Schwarzen Lochs von Gas verankert sind, das um dieses herumwirbelt. Damit man von der Erde aus einen AGN als Blazar sehen kann, ist ein beachtlicher Zufall vonnöten. Die Erde, von der aus wir all unsere astronomischen Beobachtungen vornehmen, muss sich vom AGN aus zufällig genau in derjenigen Richtung befinden, in die auch der Jet läuft.
Das Ergebnis ist das astronomische Analogon dazu, dass einem jemand den Strahl einer sehr hellen Taschenlampe direkt in die Augen leuchtet – ein besonders helles Objekt am Himmel.
Charakteristisch für einen Blazar ist außerdem, dass seine Helligkeit rasch fluktuiert, nämlich auf Zeitskalen von Tagen, Stunden oder sogar weniger. Das ist eine Folge der zufälligen Veränderungen in der wirbelnden Akkretionsscheibe an der Basis des Jets sowie von Instabilitäten im Wechselspiel zwischen Magnetfeldern und geladenen Teilchen im Jet selbst.
Auf der Suche nach aktiven Galaxienkernen im frühen Universum
Die neue Entdeckung war das Ergebnis einer systematischen Suche nach aktiven Galaxienkernen im frühen Universum. Verantwortlich dafür zeichnet Eduardo Bañados, ein Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, der sich auf die ersten Milliarden Jahre der kosmischen Geschichte spezialisiert hat.
Da Licht Zeit braucht, um uns zu erreichen, sehen Astronomen weit entfernte Objekte jeweils so, wie sie vor Millionen oder sogar Milliarden Jahren waren. Hinzu kommt ein weiterer Effekt: Die kosmologische Rot-Verschiebung, eine Folge der steten Expansion unseres Kosmos, verschiebt das von fernen Objekten ausgesandte Licht hin zu längeren Wellenlängen.
Systematische Suche nach Blazaren
Bañados und sein Team machten sich diese Tatsache zunutze. Sie suchten systematisch nach Objekten, deren Licht so stark rot-verschoben war, dass jene Objekte bei Beobachtungen im sichtbaren Bereich des Spektrums gar nicht mehr zu sehen waren, aber in einer Radio-Durchmusterung als helle Quellen auftraten.
Unter den 20 Kandidaten-Objekten, die beide Kriterien erfüllten, genügte nur ein einziges, nämlich J0410-0139 noch einem weiteren wichtigen Kriterium: Jenes Objekt zeigte zusätzlich signifikante Helligkeitsschwankungen im Radiobereich.
Das wiederum ist ein starkes Indiz, dass es sich in der Tat um einen Blazar handelt. Diesem Objekt rückten die Forscher dann mit einer ganzen Batterie von Teleskopen genauer zuleibe.
Die systematischen Beobachtungen bestätigten, dass es sich um einen aktiven Galaxienkern und speziell um einen Blazar handelte. Die Beobachtungen lieferten auch die Entfernung Objekts. Sogar Spuren der Wirtsgalaxie, in deren Zentrum sich das Objekt befindet, wurden gefunden. Das Licht dieses aktiven galaktischen Kerns hat 12,9 Milliarden Jahre gebraucht, um uns zu erreichen. Es liefert demnach Informationen über das Universum, wie es vor 12,9 Milliarden Jahren war.
„Wo es einen gibt, gibt es noch hundert weitere.“
Silvia Belladitta, Post-Doc am MPIA und Mitautorin der vorliegenden Veröffentlichung erklärt: „Wo es einen gibt, gibt es noch hundert weitere“.
Das Licht des bisherigen Rekordhalters für den am weitesten entfernten Blazar hat rund 100 Millionen Jahre weniger gebraucht, um die Erde zu erreichen. Die zusätzlichen 100 Millionen Jahre mögen angesichts der Tatsache, dass man insgesamt mehr als 12 Milliarden Jahre zurückblickt nicht viel erscheinen. Und doch machen sie einen entscheidenden Unterschied.
Das damalige Universum hat sich nämlich viel rascher verändert als das heutige. Innerhalb jener 100 Millionen Jahren konnte ein supermassereiches Schwarzes Loch seine Masse verzehnfachen. Den aktuellen Modellen zufolge solle sich die Zahl der AGN in diesen 100 Millionen Jahren um den Faktor fünf bis zehn erhöht haben. Die Entdeckung, dass es vor 12,8 Milliarden Jahren einen solchen Blazar gab, wäre nicht unerwartet. Die Tatsache, dass es ihn vor 12,9 Milliarden Jahren gab, wie in diesem Fall, ist eine ganz andere Sache.
Hilfe für das Wachstum Schwarzer Löcher
Dass es zu jenem frühen Zeitpunkt offenbar bereits eine ganze Population von AGN mit Jets gab, hat Konsequenzen für das Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher in jener Epoche der kosmischen Geschichte. Schwarze Löcher, deren AGN Jets haben, sollten schneller an Masse zulegen können als Schwarze Löcher ohne Jets.
Anders als man denken könnte, ist es nämlich alles andere als einfach für Gas, in ein Schwarzes Loch zu fallen. Normalerweise umkreist Gas ein Schwarzes Loch, ähnlich wie ein Planet die Sonne umkreist. Und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit, je näher das Gas dem Schwarzen Loch kommt.
Um hineinzufallen, muss das Gas erst langsamer werden und Energie verlieren. Wo ein Jet ist, sind auch Magnetfelder, und solche Magnetfelder die mit der wirbelnden Gasscheibe wechselwirken, können das Gas abbremsen und damit ins Schwarze Loch befördern.
Damit hat die neue Entdeckung Konsequenzen, die in jedes zukünftige Model des Wachstums Schwarzer Löcher in den frühen Phasen des Universums Eingang finden dürften. Vor 12,9 Milliarden Jahren gab es eine Population von aktiven Galaxienkernen mit Jets und damit auch mit Magnetfeldern, die gute Bedingungen für das rasche Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher schufen.