Fahrgäste beharren auf den ersten Bus der Linie390

VVS und Landratsamt verweisen auf die erste Murrbahn und sehen keinen früheren Transportbedarf aus Ortschaften abseits der Schiene.

Die Änderungen auf der Buslinie 390 gefallen nicht jedem. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Die Änderungen auf der Buslinie 390 gefallen nicht jedem. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

Rems-Murr. Auf unseren am vergangenen Samstag veröffentlichten Bericht über den im Dezember gestrichenen ersten Bus der Linie390 von Murrhardt nach Backnang hat sich neben Bernd Hinterkopf ein weiterer Fahrgast zu Wort gemeldet. Er spreche für mindestens 25 weitere Fahrgäste, die auf den Frühbus angewiesen seien, so der Mann, der nicht namentlich in der Zeitung erwähnt werden will. Er arbeite als Test- und Versuchsfahrer bei Daimler und fahre aus Umweltbewusstsein seit 31 Jahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit.

Der nun nicht mehr verkehrende 390er mit Abfahrt um 3.57 Uhr in Murrhardt ermöglichte es den Fahrgästen, die S-Bahn der Linie4 um 5.03 Uhr am Backnanger Bahnhof zu erreichen. Der nunmehr erste Bus, der um 4.27 Uhr in Murrhardt startet, verpasst die S-Bahn um exakt drei Minuten. Auch die Murrbahn, die um 4.49 Uhr vom Murrhardter Bahnhof abfährt, kommt für den Anschluss zwei Minuten zu spät in Backnang an.

Doch von der etwas früheren Abfahrt der ersten Murrbahn, mit der das Landratsamt das Problem der zu knappen Umsteigezeit auf die S4 zu lösen gedenkt und für die es sich aktuell bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH (NVBW) einsetzt, hält der Mann nichts. „Der Zug hat mit dem Bus nichts zu tun“, betont er. „Das ist wie Äpfel mit Kartoffeln zu vergleichen. Es geht um den ersten Bus, um den Anschluss auf die erste S-Bahn und sonst um gar nichts.“

Fahrgäste aus Orten wie Ellenweiler sind auf Busverbindungen angewiesen

Die Vorverlegung des Frühzugs nutze vielleicht denjenigen, die in Murrhardt, Sulzbach an der Murr und Oppenweiler zusteigen, sagt er. „Aber was ist mit Hummelbühl oder mit Reichenberg und Ellenweiler? Was ist mit den Leuten, die da einsteigen?“

Nach Angaben des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) und des Landratsamts wies die letzte mehrtägige Fahrgastzählung für die entfallene Fahrt der Linie 390 um 3.57 Uhr ab Murrhardt, die Ende September 2020 durchgeführt wurde, durchschnittlich neun Personen auf, die sich in etwa gleichmäßig auf die drei Herkunftsorte Murrhardt, Sulzbach an der Murr und Oppenweiler verteilten. Frühere Erhebungen hätten für die Fahrt Nachfragewerte von durchschnittlich drei bis acht Fahrgästen ergeben, berichtet Niklas Hetfleisch vom VVS: „Die von Ihrem Leser erwähnte Zahl von 25 Personen können wir nicht nachvollziehen.“ An den Unterwegshalten, die keinen Anschluss ans Bahnnetz haben – wie zum Beispiel Ellenweiler, Reichenberg oder Strümpfelbach –, habe im Erhebungszeitraum keine Fahrgastnachfrage verzeichnet werden können. Die Zahlen neuerer Erhebungen seien von der Pandemie beeinflusst, so Hetfleisch weiter. „Durch mehr Homeoffice et cetera würden sie tendenziell eher noch niedriger ausfallen.“

Der Daimler-Test-und-Versuchsfahrer ist da anderer Meinung. Und er hat noch weitere Argumente für die Beibehaltung der ersten Fahrt der Buslinie390. „Mindestens einmal pro Woche kommt der Zug zu spät“, sagt er. „Das bedeutet für viele, die da mitfahren, eine Verspätung von insgesamt einer bis eineinhalb Stunden, bis sie dann an ihrem Arbeitsplatz sind.“ Das könne nicht sein, meint er. Und auch für diejenigen, die in Backnang auf die S-Bahn-Linie3 umsteigen wollen, sei die nun nicht mehr existente Busverbindung wichtig gewesen, sagt er. Sie hätten damit beispielsweise die S3 um 4.41 Uhr erreichen können. „Und wenn auch nur ein Monteur von Bartenbach um 6 Uhr morgens am Flughafen sein muss, um zur Teststrecke nach Madrid zu kommen, dann muss dieser Bus fahren!“

Hinter der Streichung der Fahrt vermutet er Probleme beim Betreiber OVR (Omnibus-Verkehr Ruoff). Dieser, meint er, habe nicht die Kapazitäten, ausreichend Fahrer für die Verbindung bereitzustellen. VVS und Landratsamt wiederholen auf Anfrage ihre Sicht der Dinge: Dass der Landkreis zur Stärkung des neuen Zugangebots des Landes seinen zusätzlich finanzierten Bus nicht weiter bestelle, sei nachvollziehbar. Es sieht also nicht so aus, als ob der frühere 390er so bald wieder eingesetzt würde. Bernd Hinterkopf und sein Mitstreiter möchten sich dafür trotzdem weiterhin einsetzen.

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Erstellt:
3. Februar 2022, 16:00 Uhr

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