Fall Susanna: Gibt es weitere Täter?
Polizist bezweifelt, dass Ali B. die Grube für die Leiche alleine ausgehoben hat
Prozess - Ein junger Afghane gab den entscheidenden Hinweis auf Ali B. – und steht nun selbst vor Gericht
Wiesbaden Ein damals 13 Jahre alter Junge aus Afghanistan könnte in dem Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder der Mainzer Schülerin Susanna in doppelter Hinsicht eine Schlüsselrolle spielen. Der Mitbewohner des vor dem Wiesbadener Landgericht angeklagten irakischen Asylbewerbers Ali B. in der Flüchtlingsunterkunft gab im Juni 2018 nicht nur den entscheidenden Hinweis auf dessen Täterschaft und den Fundort der Leiche. Von diesem Dienstag an muss sich der Jugendliche mit Ali B. auch noch in einem separaten Verfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung eines elfjährigen Mädchens in dem Flüchtlingsheim verantworten. Dieser Prozess findet parallel zum laufenden Verfahren vor einer Jugendstrafkammer des Wiesbadener Landgerichts statt.
Am zweiten Prozesstag gegen Ali B. wegen des Mordes an Susanna machte der angeklagte Kurde aus dem Irak am Montag wie angekündigt keine weiteren Angaben zu der Tat. Am ersten Verhandlungstag hatte er gestanden, die Mainzer Schülerin getötet zu haben. Die vorausgegangene Vergewaltigung des Mädchens bestritt er aber und sprach stattdessen von einvernehmlichem Sex. Die Staatsanwaltschaft klagt Ali B. dagegen an, Susanna ermordet zu haben, um die vorausgegangene Vergewaltigung zu verdecken und wertet die Schutzlosigkeit des Mädchens als Heimtücke und somit als weiteres Mordmerkmal. Am Montag begannen die Zeugenaussagen. Die wichtigste war die einer maßgeblich an der Suche nach der Schülerin beteiligten Kriminalbeamtin aus Wiesbaden. Ihre Aussage macht deutlich, welch entscheidenden Anteil der heute 14 Jahre alte Afghane Mansoor Q. an der Aufklärung des Falls hatte.
Das Verschwinden Susannas war, so die Schilderung der Polizeikommissarin, zunächst als ganz normaler Vermisstenfall behandelt worden. Das heißt freilich nicht, dass die Kriminalpolizei untätig geblieben wäre. Schon einen Tag nach der Vermisstenanzeige ihrer Mutter wurde damit begonnen, Freunde und Bekannte des Mädchens zu befragen und auch in Asylunterkünften nachzuforschen – zunächst allerdings ohne Ergebnis.
Erst eine Woche nach dem Verschwinden Susannas wurde am 30. Mai 2018 erstmals ein Hubschrauber zum Abfliegen des Geländes rund um die Bahngleise in Wiesbaden-Erbenheim eingesetzt, auf dem die Leiche der Schülerin später tatsächlich gefunden wurde. Aber auch da ergaben sich noch keine konkreten Spuren, auch das Absuchen eines von oben als verdächtig erkannten Gebiets blieb ohne Erfolg. Vorausgegangen war ein anonymer Anruf bei Susanna Mutter, ihre Tochter sei tot und die Leiche liege in dem besagten Gelände. Drei Tage später meldete sich der afghanische Junge schließlich bei der Polizei, gab Ali B. als Täter an und führte die Kripo auf die Spur der Leiche. Dass er sich so spät gemeldet hat, erklärte der junge Flüchtling mit Angst vor der „kriminellen Familie“ von Ali B. und der Sorge, selbst der Verwicklung in die Tat verdächtigt zu werden.
Zwei weitere Polizisten sagten zur Situation beim Fund von Susannas Leiche aus, der wegen des unwegsamen Geländes noch drei weitere Tage bis zum 6. Juni dauerte. Dabei musste Susannas im Gerichts als Nebenklägerin anwesende Mutter einiges aushalten, als – zum Teil sogar mit Bildern unterlegt – grausame Details vom Zustand des Leichnams zur Sprache kamen.
Die tiefe Grube in der harten Lehmschicht könne nicht eine Person ohne Werkzeug ausgehoben und gefüllt haben, mutmaßte einer der Beamten.