Fast kein Holz vom alten Kirchturm in Oppenweiler nutzbar

Die Sanierung der Jakobuskirche in Oppenweiler läuft nach dem Baustopp wieder, wird aber mit ungefähr 1,9 Millionen Euro deutlich teurer als ursprünglich geplant. Die Holzkonstruktion des maroden Kirchturms muss komplett neu aufgebaut werden.

Von den acht Pfosten des unteren Turmteils mussten sechs erneuert werden, ebenso alle Deckenbalken, auf denen diese „Laterne“ ruht.

© Alexander Becher

Von den acht Pfosten des unteren Turmteils mussten sechs erneuert werden, ebenso alle Deckenbalken, auf denen diese „Laterne“ ruht.

Von Matthias Nothstein

Oppenweiler. Seit über 500 Jahren ist der Heilige Jakobus der Patron der evangelischen Kirche von Oppenweiler. Jakobus war vor knapp 2000 Jahren einer jener Apostel, die im Garten Getsemani Zeuge von Jesu Todesangst wurden. Ähnlich flau ums Herz könnte es im vergangenen Jahr auch den Betrachtern des Kirchturms der Jakobuskirche geworden sein. Waren doch die Balken des oberen Turmteils – sowohl der Laterne als auch des Turmhelms – so marode, dass Architekt Steffen Sauter zur Auffassung kam: „Der Turm steht nur noch durch Gottes Gnaden.“ Es folgte im November der Baustopp (wir berichteten). Die Statiker und Planer rechneten und rechneten. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Holzkonstruktion musste bis auf den Betonkranz des gemauerten Turmteils abgebrochen werden. Die Spitze des einst 63 Meter hohen Turms wurde um morsche 30 Meter gekappt. Für das Sanierungsbudget verhieß dies nichts Gutes. Aktuell gehen die Verantwortlichen von Gesamtkosten für die Außensanierung und die noch ausstehende Innensanierung in Höhe von 1,9 Millionen Euro aus.

Der Baustopp dauerte bis weit ins Frühjahr hinein. Am 26. April jedoch erteilte das Denkmalamt die Genehmigung zum Weiterbau auf der Basis der geänderten Planungen. Waren die Bauherren einstens davon ausgegangen, dass nur einzelne Bauteile und vielleicht hier und da einmal ein Balken ausgetauscht werden müsse, so offenbarte sich nach der Entfernung der Schieferplatten und der Verschalung erst peu á peu das riesige Ausmaß der Schäden. Und so schwer es den Verantwortlichen auch fiel, nur ein geringer Anteil des einstigen Baumaterials konnte wiederverwendet werden.

Mehrere Gründe sprechen gegen die Montage des Turms neben der Kirche

Seit Juni wird nun wieder aufgebaut. Patrick Haiber ist der Vorarbeiter der Firma Saur aus Neckarwestheim. Selbst am höchsten Punkt des gemauerten Turms mussten Sanierungen vorgenommen werden. So wurden bereits die obersten Deckbalken in diesem mittleren Bereich des Turms erneuert. Nicht einmal diese konnten erhalten werden. Mehr noch: Auch die Stahlträger darunter mussten vom Rost befreit und behandelt werden. Seither haben die Handwerker jedoch wieder einen stabilen Unterbau. Gewissermaßen ein Fundament in 30 Meter Höhe für den eigentlichen Turm. Sabine Hoffmann, die erste Vorsitzende des Kirchengemeinderats und damit zwangsläufig die Bauherrin der Sanierung, berichtet von Plänen, die Laterne und den Turmhelm neben der Kirche zu fertigen und nach dem Zusammenbau mit einem Kran auf die Kirche zu hieven. Doch diese Idee wurde schnell wieder verworfen. Denn erstens hätte die wichtige Bahnhofstraße neben der Kirche während des Aufbaus gesperrt werden müssen, und zweitens wäre für die Montage ein Lastenheber vonnöten gewesen, der einem Kran für den Aufbau eines Windrads in nichts nachgestanden hätte.

Von acht senkrechten Pfosten sind nur zwei original

Aktuell zimmert Haiber mit seinem Team Balken für Balken die neun Meter hohe Laterne zusammen. Dabei handelt es sich um jenen hölzernen Teil des Turms, der sich nicht verjüngt, sondern mit einem Durchmesser von knapp drei Metern nach oben strebt. Sämtliche alten Holzteile, bei denen eine weitere Nutzung zu verantworten ist, werden eingebaut. Manchmal auch nur teilweise, das ergibt dann sogenannte Holz-in-Holz-Verbindungen. Aber trotz aller Bemühungen: Von den acht senkrechten Pfosten sind nur zwei original, sechs hingegen aus neuem Material. Auch bei den verschiedensten Streben und Windverbänden überwiegt das helle neue Tannen- und Fichtenholz. Oft sind es auch statische Gründe, weshalb es nicht möglich ist, das „gebrauchte“ Holz oder Holznägel zu verwenden. Außerdem muss jeder einzelne Schritt mit dem Denkmalamt ausgelotet werden. Wegen all dieser Gründe ist kein großes Team an Zimmerern vor Ort, meist hat Haiber nur einen Helfer an seiner Seite, manchmal sind sie zu dritt, selten zu viert. So ist es verständlich, dass die Arbeiten der Denkmalexperten viel Zeit benötigen.

Sobald die achteckige Laterne fertig ist, geht es mit dem spitz zulaufenden Turmhelm weiter. Bis zum Frühjahr 2024 soll der Wiederaufbau des Turms abgeschlossen sein. Die Bretterverschalung übernimmt noch die Firma Saur, die Schieferverkleidung dann eine weitere Spezialfirma.

Patrick Haiber ist ein richtiger Denkmalexperte. Die Kirchtürme von Hegnach, Affalterbach oder Frauenzimmern wurden von ihm schon auf Vordermann gebracht. Er widerspricht nicht der Ansicht, dass diese Arbeiten sich von den üblichen Tätigkeiten eines Zimmerers deutlich unterscheiden: „Das Arbeiten an einem Kirchturm ist etwas komplett anderes als ein Hausdach. Ein Turm ist auf jeden Fall eine Herausforderung.“ Oft denkt sich der 36-Jährige, wenn er später an einer ehemaligen Baustelle vorbeifährt: „Hoppla, den Turm kenne ich von unten bis oben in- und auswendig.“

Zuletzt war der Zimmermann nicht der einzige Handwerker auf dem Gerüst. Techniker haben vergangene Woche auch die Telekom-Mobilfunk-Sendeanlage, die einst im Turm installiert war, wieder in Betrieb genommen. Aktuell hängt sie außen am Gerüst des Kirchturms, Regen und Wind ausgesetzt. Ist der Turm einmal fertig, wird sie auch wieder Einzug unterm Dach halten. Dann hoffentlich schön im Trockenen.

Die Sanierungsexperten versuchen so viel alte Substanz wie möglich zu erhalten, stoßen aber oft an Grenzen.Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Sanierungsexperten versuchen so viel alte Substanz wie möglich zu erhalten, stoßen aber oft an Grenzen.Fotos: Alexander Becher

Der rege Kirchbauförderverein hat bisher 100000 Euro erwirtschaftet

Kosten Einst ist die Kirchengemeinde von Kosten in Höhe von 842000 Euro ausgegangen. Doch schon bei den ersten Berechnungen 2016 sollte das Projekt 942000 Euro kosten. Dann stiegen die Kosten noch vor dem Baustopp allein für die Außensanierung auf 932000 Euro. Die Asbestbeseitigung an der Giebelwand Ost fiel dabei ebenso gravierend ins Gewicht wie die komplette Neueindeckung des Schieferdachs des Turms. Zusammen mit der noch ausstehenden Innensanierung, die vermutlich 400000 Euro verschlingen wird, hätte dies Kosten von 1,4 Millionen Euro bedeutet. Aktuell jedoch belaufen sich alleine die Kosten für die Außensanierung auf 1,5 Millionen Euro. Auch der Baustopp trägt seinen Teil dazu bei. So sind durch den Verzug allein die Kosten für das Gerüst um 90000 Euro gestiegen. Bei der Innensanierung will die Kirchengemeinde jetzt mit der Planung beginnen, Baubeginn könnte 2025 sein.

Zuschüsse Die geplanten Zuschüsse verteilen sich wie folgt:

bürgerliche Gemeinde 29700 Euro

Denkmalamt 158700 Euro

Ausgleichstock 530000 Euro

Sonderzuweisung Kirchenbezirk 130000 Euro

Die Kirchengemeinde sammelt seit zwölf Jahren ganz gezielt für die Sanierung.

Förderverein Zudem wurde 2017 der sehr aktive Kirchbauförderverein gegründet. Hoffmann erinnert daran, dass dieser Vereine jüngst ein Konzert organisiert hat und viele andere Aktivitäten wie etwa den Weihnachtsmarkt oder das Burgcafé auf dem Reichenberg stemmt. Weitere Einnahmen sind die Mitgliedsbeiträge oder die Weihnachtsspendenaktion in der Brücke. So hat der Verein bisher 100000 Euro erwirtschaftet. Ein Teil des Erlöses ist bereits in die Außensanierung geflossen. Aber die Verantwortlichen wünschen ausdrücklich, dass auch die Innensanierung unterstützt wird, „das ist dem Verein sehr wichtig“, so Hoffmann.

Schadensursache Eindringende Nässe war die Ursache für die gravierenden Schäden. Mehrere Schieferschindeln fehlten, zudem waren die Platten von schlechter Qualität. Ferner war das Dach falsch eingedeckt. Das hatte zur Folge, dass Wind und Regen von der Wetterseite her gute Angriffsflächen hatten. „Nach der Feuchtigkeit kam der Pilz und nach diesem der Käfer“, so Hoffmann. „Es gab viele Möglichkeiten für die Nässe, einzudringen, und für uns keine, das zu erkennen.“ Bei der letzten Dachsanierung wurde wohl zu sehr gespart. Vielleicht der Kosten wegen, vielleicht auch wegen des Materials, weil es zu wenig gab, so eine Vermutung.

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Erstellt:
5. Oktober 2023, 11:30 Uhr

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