Feiern wie auf einem kleinen Volksfest
Die Leute von nebenan (12): Gemeinsam mit den Nachbarn beisammensitzen, vespern und reden hat schon fast Tradition
Ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter – zu jeder Jahreszeit kann man feiern. So sieht das zumindest die Nachbarschaft in einem Teilort in Oppenweiler, genauer gesagt in Aichelbach. Zweimal im Jahr – das ist Gesetz – kommen die Nachbarn zusammen, um gemütlich beisammenzusitzen, zu essen und um miteinander ins Gespräch zu kommen.
Von Yvonne Weirauch
OPPENWEILER. Alles hat vor gut 15 Jahren bei Familie Rau/Rötter in der Zeller Straße angefangen. „Der Hof bei uns hat sich angeboten. Man konnte einige Bänke aufstellen und sogar Filme an der Hauswand schauen“, erinnert sich Gerlinde Rötter. Eines dieser ersten Hoffeste haben auch Sindy und Philipp Horn mitgemacht, die damals noch in der Zeller Straße gewohnt haben: „Wir haben den Projektor angebracht und an der weißen Wand Filme geschaut, haben Bänke aufgestellt oder Hängematten angebracht. Das war ein richtiges Sommerfest mit allen Nachbarn.“ Selbst diejenigen, die eigentlich keine direkten Anwohner sind, aber beispielsweise mit einer Forstwirtschaft im „Einzugsbereich“ der Straße liegen, sind miteingeschlossen – so wie Sascha Boss. Der 45-Jährige brennt ebenfalls von Anfang an für diese Art der Zusammenkunft: „Es ist einfach eine große Gemeinschaft und es ist toll, wenn mehrere Generationen zusammenkommen. Manche sehen sich das ganze Jahr über kaum, aber zum Nachbarschaftsfest sitzt man dann zusammen.“
Keine lange Planungsphase für das Fest
Mittlerweile hat sich die Feier fast zu einem kleinen Volksfest entwickelt. Da kann es auch mal vorkommen, dass es mit einem Geburtstagsfest oder mit einem Motto verbunden wird. Beispiel: „O’zapft is! Trachten und Dirndl erwünscht“. Aber der Fokus liege nicht darauf, eine Mottoparty zu veranstalten: „Aber wenn es passt, dann lassen wir uns was dazu einfallen“, sagt Sindy Horn. Die 30-Jährige und ihr Mann Philipp wohnen nun ein paar Straßen von der Zeller Straße entfernt und organisieren mittlerweile diese Feste. „Ich plane einfach gerne und freue mich, wenn die Leute alle beisammensitzen – jede Generation, von Klein bis Groß“, erzählt Sindy Horn.
Das Filmegucken habe sie in so guter Erinnerung, dass das auch teilweise beibehalten wurde – je nach Wetterlage veranstalte man auch einfach mal ein Sommerkino: „Da wir einen Beamer haben, ist das bei uns kein Problem.“ Die Auswahl des Films ist dabei einfach: Er muss Kinder und Erwachsene gleichermaßen unterhalten. So fällt die Wahl meist auf Komödien. „Aber wir haben auch schon den Tatort geguckt.“ Wer nun glaubt, den Festen geht eine lange Planungsphase voraus, der irrt: „Das Datum habe ich meist im Kopf, aber es wird beispielsweise auch erst mal die Wettervorhersage abgewartet und dann wird der Tag spontan bekannt gegeben“, erzählt die 30-Jährige. Über WhatsApp-Nachrichten, per E-Mail oder Telefon verbreitet sich die Nachricht rasend schnell, dass wieder ein Nachbarschaftsfest ansteht. Maximal mit einer Woche Vorlauf: „Und dann ists mittlerweile ein Selbstläufer“, so Sascha Boss und spielt damit auf die anpackenden Helfer an, die für „das Drumherum“ zuständig sind. Da wird für das Aufstellen der Festbänke und für das Befestigen des Zelts gesorgt. Stehtische aus Holz, jegliches Zubehör und natürlich die Deko – all das hat sich mit den Jahren angesammelt: „Das Inventar haben wir mittlerweile gut zusammen“, sagt Gerlinde Rötter lachend. Die 49-Jährige fügt hinzu: „Jeder hat irgendwas im Keller, was er dann mitbringen kann.“
Im Sommer sind natürlich andere Vorkehrungen zu treffen als im Winter. In der kalten Jahreszeit werden beispielsweise Wärmepilze aufgestellt, eine kuschelige Atmosphäre geschaffen. Im Sommer gibt es auch mal ein Planschbecken für die Kinder oder Sitzplätze im Garten für die Erwachsenen. Zwischen 30 und 40 Personen sind es, die zusammenkommen. „Manchmal sind es auch mehr“, sagt Sindy Horn schmunzelnd. Und: „Neue Generationen wachsen heran.“ Denn selbstredend gehört zu dem Nachbarschaftsfest auch eine große Kinderschar. „Vor dem Haus und auf dem Feldweg steht dann meist ein richtiger kleiner Bobbycar-Fuhrpark“, sagt die Festausrichterin. Da wird im Sandkasten gebuddelt, Verstecken gespielt, es werden Bobbycar-Rennen unter den Kindern organisiert oder auch manchmal nur ein Buch angeschaut. Je nach Wetterlage versteht sich – denn im Winter ist es bei einem Nachbarschaftsfest klar, dass Schlitten gefahren und ein Schneemann gebaut wird. In einem kleineren Ort sei es sicher ein Stück weit leichter, eine „angenehme Nachbarschaft zu pflegen“, sagt Sascha Boss. Jeder kenne jeden, jeder hätte so seine Beziehungen. Damit meint Sascha Boss die vielen Helfer, die mit anpacken. So steht beispielsweise der große Schwenkgrill, „der irgendwie allen von uns gehört“, zur Verfügung. Sindy Horn: „Im Regelfall grillen wir auf unserem Kugelgrill – und sollte der nicht ausreichen, nehmen wir noch den von meinen Schwiegereltern dazu.“
Das Fleisch und die Wurst werden von einem Nachbarn organisiert, der in einer Metzgerei arbeitet. Ebenso läuft das auch mit Brötchen und Brot. Getränke – seien es Bier, Wein oder nicht alkoholische Getränke – werden kistenweise besorgt. Wie das alles finanziert wird? Sindy Horn lacht: „Ein Kässle wird aufgestellt, in die jeder etwas geben kann. Das ist bei uns selbstverständlich, jeder gibt da auch einen Zuschuss, somit deckt das gut die Kosten.“ Und sollte etwas übrig bleiben, dann werde das ins nächste Fest investiert. Wer zum Fest kommen möchte, dem sei es natürlich freigestellt, auch etwas zum Buffet beizutragen: Im Sommer gibt es beispielsweise eine große Auswahl an Salaten oder Antipasti, kleine Snacks und Knabbereien. Für die Hähnchen oder auch Maultaschen sorgt Hausherr Philipp Horn – er ist meist auch der Grillmeister, wenn es die Rote Wurst geben sollte. Kaffee und selbst gebackene Kuchen bereichern das Buffet, das meist in einer Garage aufgebaut wird. Es kam schon vor, dass Kartoffelsalat schüsselweise im Hause Rau/Rötter angemacht wurde und dann portionsweise in der Küche bei Familie Horn portioniert wurde. Obwohl die Nachbarschaftspflege und die Gespräche im Vordergrund stehen, sind Sindy Horn und ihr Mann auch irgendwie eingespielte Gastgeber: Immer um das Wohl der Nachbarn besorgt, setzen sie sich an jeden Tisch, fragen nach dem Wohlergehen und sorgen für Nachschub – sei es beim Essen oder Trinken. Ansonsten darf sich jeder bedienen, wie es ihm gerade passt.
Solch ein Fest belebe das Zusammensein und die Nachbarschaftspflege, es schweiße auch ein Stück weit zusammen. Man wohne zwar Haus an Haus, aber oft sehe man die Nachbarn ja gar nicht – entweder weil sie berufstätig sind oder selten vor die Tür gehen. „Da ist es dann schön, wenn man beisammensitzt und die Menschen, die in der Nähe wohnen, noch näher kennenlernt“, sagen Gerlinde Rötter, Sascha Boss und Sindy Horn im Einklang. Wenn man auf das Thema Aufräumen zu sprechen kommt, schmunzelt Sindy Horn: „Na, da kommt schon einiges zusammen. Bis alles picobello ist, das kann dann schon mal ein oder zwei Tage dauern.“ Aber nur, wenn sie es alleine mache, fügt sie dazu. „Wenn ich trommel, dass ich Hilfe brauche, bekomme ich die auch.“