Filigran verzierter Osterschmuck aus Gänseeiern

Einem Klassiker haben sich die Frauen der Familie Sinn verschrieben: Sie bemalen gemeinsam kunstvoll Ostereier. Allerdings hängen an den Büschen am Hof in Nassach Gänseeier. Sie sind dreimal so groß wie Hühnereier und machen, an hübschen Bändeln hängend, was her.

Ev Hildenbrand-Sinn, Beate Sinn und Carolin Sinn dekorieren jedes Jahr vor Ostern Gänseeier. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Ev Hildenbrand-Sinn, Beate Sinn und Carolin Sinn dekorieren jedes Jahr vor Ostern Gänseeier. Fotos: Alexander Becher

Von Nicola Scharpf

Spiegelberg. Konzentriertes Schweigen herrscht am Esstisch. Außer dem Ticken der Wanduhr ist es still. Beate Sinn, ihre Tochter Carolin und ihre Schwiegertochter Ev Hildenbrand-Sinn sitzen und sind vertieft in ihr Tun. Beate Sinn blickt auf. „Es hat was Beruhigendes“, sagt sie und widmet sich wieder dem Ei in ihrer Hand. Die drei Frauen haben an diesem verregneten, stürmischen Nachmittag mit dem begonnen, was sie in der Zeit vor Ostern jedes Jahr machen: Eier bemalen. Allerdings dekoriert Familie Sinn nicht mit Hühnereiern. Sie nennt ein Gänsedamentrio ihr eigen und bläst die gelegten Eier, die etwa dreimal so groß wie Hühnereier sind, aus – die Grundlage, um daraus wunderschön farbenfrohen, fantasievollen Osterschmuck für die Büsche im Garten oder das Osterarrangement in der Wohnung basteln zu können.

„Das erste Gänse-Osterei, das wir haben, ist 23 Jahre alt“, sagt Beate Sinn. Viel hat sie mit ihren Kindern in den zurückliegenden 23 Jahren ausprobiert: Sie haben Gänseeier mit Serviettentechnik gestaltet oder es mit Schwammtechnik versucht, die Eier in leuchtenden Neonfarben angemalt oder zum Aufhängen einfaches Geschenkband als Bändel verwendet. Und sie haben sich geärgert, wenn sich die Bändel nicht durch das Loch im Ei haben fädeln lassen. Mittlerweile ist klar: „Acrylfarben reißen es raus“, sagt Carolin Sinn. „Die glänzen so schön.“ Beate Sinn ergänzt: „Ganz wichtig ist der Bändel. Je edler der Bändel, desto hübscher der Schmuck.“ Dass es inzwischen für Eier Halter gibt, die wie die Ösen von Christbaumkugeln funktionieren, kommt den Frauen entgegen, lassen sich daran auch breite, dekorative Bändel befestigen.

Ob Punkte, Häschen oder Blumen – die drei Frauen verwirklichen allerlei Gestaltungsideen auf den Eiern.

© Alexander Becher

Ob Punkte, Häschen oder Blumen – die drei Frauen verwirklichen allerlei Gestaltungsideen auf den Eiern.

Den Esstisch haben die drei mit Zeitungspapier ausgelegt. Darauf steht eine Vielzahl an Farben in kleinen Gläschen. In einem hohen Glas sind Pinsel griffbereit, in einem weiteren stecken Schaschlikspieße. Wasser zum Pinselauswaschen ist da und Küchenrolle. Die ausgeblasenen Eier haben die Sinns mit Haftgrundierung versehen, die bereits getrocknet ist.

Andere Eier sind noch einen Schritt weiter: Sie haben bereits eine einfarbige Schicht bekommen – Schwarz oder Gold, Champagner oder Knallblau, Pastellrosa oder Terrakotta. Terrakotta in matt lässt sie aussehen wie braune Gänseeier. „Man muss sie zweimal anmalen, damit die Farbe deckt“, empfiehlt Ev Hildenbrand-Sinn. „Zum Trocknen stecken wir die Eier immer in die Blumentöpfe der Zimmerpflanzen“, berichtet Beate Sinn. „Und Gestaltungsideen sammeln wir bei Pinterest im Internet, wenn wir Input brauchen.“

Wenn die Deckschicht trocken ist, werden mit Pinseln die verschiedenen Muster aufgetragen.

© Alexander Becher

Wenn die Deckschicht trocken ist, werden mit Pinseln die verschiedenen Muster aufgetragen.

Nun folgt der kreative Part: Jede der drei Frauen nimmt sich ein Ei und verwirklicht darauf ihre Idee. Beate Sinn gestaltet es mit Pusteblumen, Carolin Sinn mit Häschen von hinten, Ev Hildenbrand-Sinn mit Punkten und Blüten. „Bei meinem ersten Osterfest in der Familie, 2013, habe ich gedacht: Ich kann doch das schöne Ei nicht kaputtmachen“, schildert Ev Hildenbrand-Sinn ihre anfänglichen Hemmungen. Diese Berührungsängste haben sich schnell gelegt. „Ev hat eine ruhige Hand und ist geduldig. Sie macht die kunstvollsten Verzierungen“, sagt Beate Sinn über ihre Schwiegertochter. Besonders filigran lässt es sich mit Schaschlikspießen malen, mit der Spießspitze werden winzige Punkte möglich. Für feine Linien greifen die Sinn-Frauen zum Edding.

„Jetzt bin ich an dem Punkt, an dem ich nicht weiß, wo ich meine Finger hintun soll“, meldet Beate Sinn, als sich ihr Ei im fortgeschrittenen Malstadium befindet, und stellt außerdem lachend fest: „Von Weitem siehts besser aus als von Nahem.“ Ihre Tochter beruhigt: „Das ist aber immer so. Und das erste Ei sieht oft nicht so aus, wie man es gerne hätte.“ Die drei greifen sich trotzdem jede ein weiteres Exemplar. „Das ist wie eine Sucht“, findet Beate Sinn. Und beieinander zu sitzen, beim Malen zu quatschen, das macht die österliche Aktion besonders schön.

Über die Jahre hinweg ist eine stattliche Anzahl an Oster-Gänseeiern zusammengekommen. „Inzwischen haben wir so viele Eier, dass wir sie verkaufen könnten“, sagt Beate Sinn. Machen sie aber nicht. Schließlich werden die Büsche höher und zahlreicher. Einmal haben Sinns beim nachösterlichen Schmuckabhängen ein Ei übersehen. Verdeckt von den Blättern hing es den kompletten Sommer über unbemerkt im Busch. Erst im Herbst, als das Laub gefallen war, kam es wieder zum Vorschein und Beate Sinn holte die Leiter, um es vom Busch zu pflücken. Alles hat seine Zeit.

Filigran verzierter Osterschmuck aus Gänseeiern

© Alexander Becher

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Erstellt:
9. April 2023, 10:00 Uhr

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