Finanzierung der Bahn-Infrastruktur
Finanzierung der Bahn-Infrastruktur: Österreich als Vorbild
Die Deutsche Bahn wünscht sich eine verlässlichere Finanzierung der bundeseigenen Infrastruktur. Neidisch blicken Bahn-Experten auf die kleinen Nachbarländer im europäischen Süden, die Bahnprojekte langfristiger als hierzulande absichern.

© Lichtgut/Leif Piechowski
Die private österreichische Westbahn fährt auch von Stuttgart nach Wien
Von Thomas Wüpper
In Bahnkreisen hofft man, dass die künftige Regierung mutig Reformen anpackt und zumindest die Finanzierung der Infrastruktur verlässliche regelt. Mehr Planungssicherheit ist nötig, das hat das Ampel-Aus allen vor Augen geführt und darin sind sich die Branche und ihre großen Verkehrsverbände einig – vom VDV („Verband Deutscher Verkehrsunternehmen“) über die Güterbahnen bis zu Mofair (dem „Bündnis für fairen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr“).
Neidisch blicken Experten auf die kleinen Nachbarländer im europäischen Süden, die Bahnprojekte langfristiger als hierzulande absichern und damit wetterfest machen gegen politische Turbulenzen und den alljährlichen Zwist, wohin knappe Steuermittel fließen sollen. Die vorbildliche Schweiz hat ihre Ausbauvorhaben bereits für die nächsten zehn Jahre im „Ausbauschritt 2035“ definiert und finanziert die Projekte über einen Infrastrukturfonds, der maßgeblich aus Abgaben des Lkw-Verkehrs gespeist wird.
Bahnprojekte sechs Jahre im Voraus finanziell absichern?
In Konzernkreisen wird allerdings nach Informationen unserer Redaktion eher ein Modell nach dem Vorbild Österreichs präferiert. Dort sind Bahnprojekte immerhin sechs Jahre im Voraus finanziell abgesichert und werden dazu in einem Rahmenplan bestimmt, den der Ministerrat verabschiedet und der dann verbindlich für den Finanzierungsvertrag zwischen Bund und ÖBB wird.
Flexibel bleibt der Plan durch eine jährliche Aktualisierung, mit der neue Projekte und Änderungen aufgenommen werden können.
In Deutschland stehen Bahnprojekte plötzlich auf der Kippe
In Deutschland dagegen wird bei den Hausberatungen jedes Jahr neu um knappe Mittel gerangelt und im schlimmsten Fall stehen Bahnprojekte plötzlich auf der Kippe, die schon geplant sind und deren Finanzierung zugesagt wurde. Nur ein Beispiel: die dritte Stufe des Digitalen Knotens Stuttgart, die der DB-Konzern schon seit Ende 2023 auch wegen massiv gestiegener Kosten unter Finanzierungsvorbehalt gestellt hat, weshalb zum Jahreswechsel sogar 239 Millionen Euro zugesagte Fördermittel ersatzlos verfallen sind.
„So kann und darf das nicht mehr weitergehen“, heißt es in Bahnkreisen. Nötig sei wie in Österreich eine rollierende, überjährige Planung und Finanzierung von Projekten. Als verbindliche Grundlage sollte dabei der Infraplan dienen, dessen Entwurf von Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) inzwischen vorgelegt wurde. Darin sollen künftig die Vorhaben für die nächsten fünf Jahre festgelegt und dann über Verpflichtungen im Bundeshaushalt sicher und über die gesamte Laufzeit abgesichert werden, damit nicht gleich genutzte Fördermittel und Zuschüsse nicht mehr verfallen.
Einführung eines Bestellprinzips wird gefordert
Experten sehen in einem solchen Verfahren mehrere Vorteile. Anders als bisher müssten die wichtigsten Projekte mit dem besten Nutzen-Kosten-Verhältnis viel genauer definiert und vor allem vom Bund als Eigentümer der Infrastruktur ausgewählt, priorisiert, beschlossen und durchfinanziert werden. „Bisher wird gerne dem Vorstand die Schuld zugewiesen, wenn Projekte nicht umgesetzt werden“, heißt es in Bahnkreisen. Dabei trage die Politik die Verantwortung dafür, wenn Vorhaben teils über Jahrzehnte im Bundesverkehrswegeplan oder im vordringlichen Bedarf stehen, weil nur ein Bruchteil der Maßnahmen finanziell abgesichert ist.
Ändern könnte das auch die Einführung eines Bestellprinzips, wie es im Regionalverkehr praktiziert wird, meint ein Experte. Dort definieren Aufgabenträger der Länder und Kommunen vorab im politischen Dialog die gewünschten Verkehrsleistungen, schreiben sie aus und stellen dafür das nötige Geld bereit.
Die Bus- und Bahnunternehmen, die den Zuschlag erhalten, wissen genau, was sie abzuliefern haben und nach welchen Vorgaben die Leistungen bezahlt werden. „Das schafft Verbindlichkeit auf beiden Seiten“, sagt der Experte.
Verbindlichkeiten gesetzlich verankern?
Die Idee: Die DB Infra-Go AG soll künftig als Auftragnehmer des Bundes die Projekte der Reihe nach ausführen, wie sie im Infraplan definiert sind. Um mehr Verbindlichkeit zu schaffen, könnte der Infraplan gesetzlich verankert werden, zum Beispiel im Bundesschienenwegeausbaugesetz.
Anhand von belastbaren Kennzahlen sollte die Umsetzung in vierteljährlichem Monitoring kontrolliert werden. Wie in Österreich würde jedes Jahr vom Bund die rollierende Planung überprüft, aktualisiert und um ein Folgejahr ergänzt. Dazu müsste der Vorstand der DB Infra-Go in einer Bilanz Rechenschaft ablegen, dann würden Änderungen und neue Projekte sowie deren Kosten definiert, Verkehrs- und Haushaltspolitiker könnte sich damit befassen, dann die Finanzierung sichern und der neue Plan könnte vom Kabinett und Parlament verabschiedet werden.
„Wir brauchen mehr Verbindlichkeit in der Bereitstellung der Finanzmittel und wir brauchen mehr Verbindlichkeit bei der Definition der Aufgaben“, sagt der Bahnexperte. Das sorge für klare Zuständigkeiten, die bisher fehlen. Der beklagenswerte Zustand vieler Anlagen bundesweit zeige, dass „die Infrastruktur nicht mit dem bisherigen Haushaltsverfahren in Schwung gebracht werden kann“. Die Politik, betont der Insider, „sollte die Dysfunktionalität des bisherigen Systems so rasch wie möglich beenden.“