Fit im Umgang mit Problemen

Das Max-Born-Gymnasium Backnang praktiziert ein umfassendes Programm zum personalen und sozialen Lernen

Präventionsarbeit wird am Backnanger Max-Born-Gymnasium großgeschrieben. Ein wesentlicher Baustein ist dabei das 1999 eingeführte Streitschlichtermodell: Ältere Schüler, die eigens für diese Aufgabe ausgebildet wurden, engagieren sich, um Konflikte unter jüngeren Mitschülern zu lösen. Sie tragen so zu einem guten Klima an ihrer Schule bei, die seit Kurzem ganz offiziell den Titel „Präventionsschule“ führen darf.

Tragen mit ihrem Engagement zu einem guten Schulklima bei: Philipp Kadereit, Nadine Spitznagel und Simon Müller aus der Jahrgangsstufe zwei. Das 1999 eingeführte Streitschlichtermodell ist ein wichtiger Baustein des personalen und sozialen Lernens am Max-Born-Gymnasium. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Tragen mit ihrem Engagement zu einem guten Schulklima bei: Philipp Kadereit, Nadine Spitznagel und Simon Müller aus der Jahrgangsstufe zwei. Das 1999 eingeführte Streitschlichtermodell ist ein wichtiger Baustein des personalen und sozialen Lernens am Max-Born-Gymnasium. Foto: J. Fiedler

Von Armin Fechter

BACKNANG. Philipp Kadereit, Nadine Spitznagel und Simon Müller sind drei von insgesamt 30 Streitschlichtern, die zurzeit am Max-Born-Gymnasium (MBG) unterwegs sind. Unterschiedlichste Situationen gilt es für sie, zu bewältigen: Da liegen sich zwei in den Haaren, weil einer dem anderen den Stift geklaut hat. Dort wird ein Einzelner von einer ganzen Gruppe gehänselt. Oder es bricht in der Schule eine Fehde auf, die zwei Streithähne von draußen mit hereinbringen.

„Wir haben schon alle möglichen Ursachen erlebt“, berichtet Philipp Kadereit, „oft sind es ganz banale Anlässe.“ Das bestätigt Nadine Spitznagel: „Zum Teil sind es nur kleine Missverständnisse.“ Im Streitschlichtungsgespräch bieten die Helfer den Kontrahenten keine fertigen Lösungen an, vielmehr wollen sie den Beteiligten die Möglichkeit eröffnen, ihre Probleme selbst zu bereinigen. „Wir wollen Brücken bauen“, beschreibt Simon Müller die Herangehensweise.

Auf ihre Aufgaben wurden sie gründlich vorbereitet. Ab der achten Klasse besuchen angehende Streitschlichter eine AG zur Gewaltprävention, absolvieren eine einjährige Ausbildung und zum Abschluss einen dreitägigen Intensivkurs und übernehmen ab der neunten oder zehnten Klasse, meist zu zweit oder zu dritt, Patenfunktion für eine der neuen fünften Klassen. Anfangs geht es darum, dass sich die Schulneulinge überhaupt in den Alltag am MBG einfinden. Gleichzeitig wollen die Streitschlichter präventiv arbeiten, während sie die Schüler bis zur siebten Klasse begleiten. „Wir gehen öfter in die Klassen und sprechen mit den Kindern. So können wir Probleme früh erkennen und zusehen, dass nichts eskaliert“, erklärt Nadine Spitznagel. Wichtig ist für die Helfer aber auch der Austausch untereinander. Bei den regelmäßigen Treffen können die jüngeren Streitschlichter, wie Philipp Kadereit erzählt, über ihre Fälle berichten und sich Tipps von den älteren holen. Dabei lernen die Akteure auch was fürs Leben, wie Markus Müller erklärt, der im Schulleitungsteam für die Weiterentwicklung der Präventionsarbeit zuständig ist.

Die Schule nimmt die Tätigkeit der Streitschlichter sehr ernst, unterstreicht Schulleiterin Sonja Conrad – das Engagement der Jugendlichen sei im Schulklima zu spüren, was nach einer kürzlich abgeschlossenen Umfrage auch besonders geschätzt wird. „Die Schüler nehmen die Hilfe immer mehr in Anspruch, berichtet die Beratungslehrerin Margaret Schweigert-Ballheimer. Sie hat das Modell bereits im Herbst 1998 schulintern vorgestellt, bevor es im Jahr darauf eingeführt wurde. In die Gewaltpräventionsarbeit sind ferner auch Erkenntnisse eingeflossen, die aus dem Amoklauf von Winnenden gezogen wurden.

„Wir gehen in die Klassen und können Probleme früh erkennen“

Weitere Bausteine der schulischen Präventionsarbeit, die letztlich der Entwicklung von Lebenskompetenz dient, sind die Suchtprävention und die Gesundheitsförderung. Die gesamten Anstrengungen zum Thema mündeten in einen Präventionstag im vergangenen Oktober für die fünften bis neunten Klassen. Beteiligt waren auch die Streitschlichter mit einer Präsentation zum Thema Mobbing und mit Spielen zur Teambildung.

Thomas Ullmann, der sich als Biologielehrer um die Gesundheitsförderung angenommen hat, verweist auf die Kooperation mit Pro Familia in puncto Geschlechtserziehung: Dass Fachkräfte von außen dieses Thema behandeln und nicht Lehrer, gebe den Schülern die Gelegenheit, sich frei zu äußern und nach allen Dingen zu fragen, die sie interessieren. Darüber hinaus umfasst das personale und soziale Lernen am MBG noch viele andere Punkte – vom gesunden Frühstück über Theaterbesuche bis zur Chemie für Grundschüler, bei der die Bornianer als Mentoren fungieren. Mit eingebunden ist Schulsozialarbeiterin Ekaterina Neumann. Sie macht mit allen fünften Klassen ein Sozialkompetenztraining und bearbeitet mit den Schülern Themen wie Gefühle, Selbstvertrauen, Respekt und Empathie, behandelt aber auch Fragen zum Umgang mit Medien. Gerne genutzt wird ihr Angebot einer Mädchen-AG, nicht zuletzt, weil Neumann Schweigepflicht hat: „Da können Mädchen mit ihren Themen kommen.“

Nach dem Programm des Kultusministeriums „stark.stärker.WIR.“ ist das Max-Born-Gymnasium jetzt als Präventionsschule zertifiziert. Die Urkunde – ein dünnes Blatt – ist zwar reichlich dürftig ausgefallen. Für die Schule aber ist diese Auszeichnung, wie Sonja Conrad erklärt, „genauso wichtig wie die anderen Bausteine“, nämlich mint-freundliche Schule und Partnerschule für Europa. Auch Markus Müller hält es für das Wesentliche, „dass wir es leben“. Neben fachlichen Inhalten komme, so Conrad, dem personalen und sozialen Lernen hohe Bedeutung bei: „Wir möchten die jungen Leute stark machen. Sie sollen gewappnet sein für die Herausforderungen der Gesellschaft.“ Daher sei die Zertifizierung ein denkwürdiges Ereignis.

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Erstellt:
22. Februar 2019, 06:00 Uhr

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