Erstmals zwei Sterne um Schwarzes Loch entdeckt

Flotter Dreier im Weltraum

Astronomen haben zum ersten Mal ein Schwarzes Loch entdeckt, das nicht von einem, sondern von gleich zwei Partnersternen umkreist wird. Der Zufallsfund wirft Fragen zur Entstehung Schwarzer Löcher auf.

Eine künstlerische Darstellung des Dreifachsystems um das Schwarze Loch V404 Cygni.

© Jorge Lugo

Eine künstlerische Darstellung des Dreifachsystems um das Schwarze Loch V404 Cygni.

Von Rainer Kayser (dpa)/Markus Brauer

Astronomen kennen viele Schwarze Löcher, die einen normalen Stern als Partner haben. Jetzt ist ein Forscherteam um Kevin Burdge vom Massachusetts Institute of Technology in den USA zufällig darauf gestoßen, dass ein Schwarzes Loch nicht nur mit einem, sondern sogar mit gleich zwei Sternen ein gemeinsames System bildet. Ein stellares Trio oder Schwarzes-Loch-Triple also. Überraschend sei dabei insbesondere, dass der zweite Stern das Schwarze Loch in einem sehr großen Abstand umkreise, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature“.

Nature research paper: The black hole low-mass X-ray binary V404 Cygni is part of a wide triple https://t.co/jzT8Gtx089 — nature (@Nature) October 25, 2024

Schwarzes-Loch-Triple V404 Cygni

Das Doppelsternsystem V404 Cygni hat demnach einen sehr nahen und einen sehr weit entfernten Begleitstern. Dieses 8000 Lichtjahre entfernte Trio in der Milchstraße könnte auch der erste Beweis für die „sanfte“ Bildung eines Schwarzen Lochs sein, wie das Team weiter berichtet.

Demnach ist V404 Cygni nicht durch eine Supernova, sondern durch einen direkten Kollaps ohne Lichtblitz entstanden. Sein äußerer Begleiter enthüllt zudem, dass das Trio rund vier Milliarden Jahre alt ist.

Die Physiker fanden dieses Dreifachsystem, als sie „Aladin Lite“ durchsuchten – eine Online-Sammlung astronomischer Beobachtungen. Sie enthält auch Bilder desselben Teils des Himmels, die von verschiedenen Teleskopen im Weltraum und auf der Erde aufgenommen wurden.

 

 

Wie Schwarze Löcher entstehen

Schwarze Löcher entstehen, wenn Sterne mit enormer Masse ihren nuklearen Energievorrat verbraucht haben und in sich zusammenstürzen. Dabei stoßen die Sterne zugleich einen großen Teil ihrer äußeren Hülle explosiv ins All ab.

Die sterbenden Sterne leuchten dann für einige Zeit als Supernova hell auf. Das Innere des Sterns kollabiert derweil je nach Masse zu einem Neutronenstern oder eben zu einem Schwarzen Loch.

Da die Explosion der äußeren Sternenhülle nicht symmetrisch verläuft, bekommt die entstehende Sternenleiche einen kräftigen Stoß verpasst. Dieser „Kick“ durch den Rückstoß der Supernova schleudert den Neutronenstern oder das Schwarze Loch auf eine neue Bahn durch die Milchstraße.

 

 

Wenn der sterbende Stern Mitglied eines engen Doppelsystems ist, so reißt dieser "Kick" den durch die Schwerkraft an das Schwarze Loch gebundenen Sternenpartner mit sich. Tatsächlich kennen Astronomen zahlreiche Neutronensterne und Schwarze Löcher, die enge Paare mit normalen Sternen bilden und sich auf Bahnen bewegen, die auf einen kräftigen Kick bei der Entstehung hindeuten.

Erster Blick auf kosmisches Trio

Anders sieht die Situation aus, wenn der sterbende Stern einen Partner in einer sehr weiten Umlaufbahn hat. Hier ist die Bindung durch die Schwerkraft zu schwach. Durch den Stoß bei der Entstehung des Schwarzen Lochs würde dieser Partnerstern verloren gehen.

Deshalb war es für Kevin Burdge und seine Kollegen überraschend, bei dem Schwarzen Loch V404 Cygni auf einen Sternenbegleiter in der 3500-fachen Entfernung der Erde von der Sonne zu stoßen. Es ist das erste Mal, dass Astronomen bei einem Schwarzen Loch nicht nur einen, sondern zwei Partnersterne finden.

 

 

Unerwarteter Fund im All

Dabei handelte es sich um eine eher zufällige Entdeckung, wie Burdge erläutert. Das Team war in den Archivdaten vieler Observatorien auf der Suche nach bislang unbekannten Schwarzen Löchern in der Milchstraße. Aus reiner Neugierde sah sich Burdge dabei auch Aufnahmen von V404 Cygni an, ein bereits seit 1992 bekanntes Schwarzes Loch mit der neunfachen Masse unserer Sonne.

Alle sechseinhalb Tage wird dieses Schwarze Loch auf einer engen Bahn von einem normalen Stern umkreist. Da die Bahn so eng ist, erscheinen V404 und sein Begleiter selbst auf Aufnahmen großer Fernrohre nur als ein einziger Lichtpunkt. Doch zur Verwunderung von Burdge gab es direkt daneben ein weiteres Lichtpünktchen – und dieses weckte die Neugierde des Forschers.

Neue Theorie zur Entstehung Schwarzer Löcher

V404 Cygni ist eines der am besten untersuchten Schwarzen Löcher, erklärt Burdge. Mehr als 1300 Forschungsarbeiten wurden zu diesem Objekt veröffentlicht. Aber niemand hatte sich bislang um den Lichtpunkt in dessen Nähe Gedanken gemacht.

Burdge und sein Team gingen dem Rätsel nach – und stellten anhand weiterer Archivdaten des europäischen Astrometrie-Satelliten Gaia fest, dass es sich nicht um einen zufällig in gleicher Richtung stehenden Stern, sondern um einen Begleiter des Schwarzen Lochs handeln müsse.

Anhand der vorliegenden Daten und weiterer Beobachtungen konnte das Team ermitteln, dass der Stern eine Umlaufzeit von etwa 70.000 Jahren um das Schwarze Loch hat und etwa vier Milliarden Jahre alt ist.

Existieren noch weitere Dreifach-Systeme?

„Wir dachten bislang, die meisten Schwarzen Löcher würden bei der Explosion von Sternen entstehen“, erklärt Burdge. „Doch diese Entdeckung stellt diese Ansicht infrage.“

Möglicherweise habe der Ursprungsstern des Schwarzen Lochs nicht, wie angenommen, seine Hülle abgestoßen, sondern sei komplett ohne Explosion implodiert. „Das wirft die Frage auf, ob es noch mehr solcher Dreifach-Systeme gibt.“ Die Forscher empfehlen daher, die bekannten Paare aus Schwarzen Löchern und normalen Sternen sorgfältig nach weiter entfernten Partnern abzusuchen.

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Erstellt:
25. Oktober 2024, 14:48 Uhr
Aktualisiert:
25. Oktober 2024, 17:04 Uhr

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