Archäologie
Forscher finden älteste 3D-Karte der Welt
Bei Paris haben Archäologen die älteste topografische Karte der Welt entdeckt. Das 13.000 Jahre alte Landschaftsmodell bildet Flüsse, Täler und Hügel der umgebenden Region im Miniaturmaßstab nach und zeigt den Lauf des Wassers durch diese Landschaft.
Von Markus Brauer
Karten sind heute alltäglich. Doch seit wann gibt es solche Miniatur-Repräsentationen realer Landschaften? Zu den frühesten bekannten Karten gehört ein rund 9000 Jahre altes Wandbild in der Steinzeitstadt Çatalhöyük in der Türkei, das einem Stadtplan ähnelt, dessen Interpretation aber umstritten ist.
Eindeutiger ist hingegen die Kartenfunktion eines rund 4000 Jahre alten Steinblocks aus Saint-Bélecaus in der Bretagne, in dessen Oberfläche der Verlauf umgebender Flüsse eingeritzt ist.
Täler, Hügel und Flüsse im Mini-Format
Nun haben Archäologen um Médard Thiry vom Zentrum für Geowissenschaften in Paris eine noch weit ältere Karte entdeckt. Sie befindet sich in der Grotte Ségognole 3, einem Felsunterstand der Nähe von Paris, die schon länger für ihre in Sandstein eingeritzten Darstellungen zweier Wildpferde und einer Frauenfigur bekannt ist.
Menschen erstellten diese Felsbilder vor rund 13.000 Jahren, indem sie vorhandenen Risse im Sandstein erweiterten, zusätzliche Ritzungen einfügten und ein Wasserrinnsale so umleiteten, dass es aus der Vulva der Frau zu fließen scheint.
Die Studie ist im Fachmagazin „Oxford Journal of Archaeology“ erschienen.
ARTÍCULO REFERENCIA (resumen) Palaeolithic map engraved for staging water flows in a Paris basin shelterhttps://t.co/DL5cGw7AN4 vía #OxfordJournalOfArchaeologypic.twitter.com/McaXI4M9hz — CRCpaleos (@CRCpaleos) January 4, 2025
Boden der Grotte als 3D-Karte
Neue Untersuchungen zeigen nun, dass der Boden der Grotte zu einer dreidimensionalen Karte umgestaltet wurde. Die Sandsteinoberfläche wurde so eingekerbt, dass sie Hügel, Täler und Flussläufe der Umgebung nachbildet und Wasserrinnsale den Lauf des Wassers durch die reale Landschaft nachbilden.
„Unsere Analysen zeigen, dass die Steinzeitmenschen den Sandstein so formten, dass das Regenwasser spezifischen Wegen folgte – das ist etwas nie zuvor in der Archäologie dokumentiertes“, erklärt Thiry.
Älteste bekannte Karte der Welt
Den Forscher zufolge handelt es sich bei diesem Fund um die älteste bekannte 3D-Karte der Welt. „Es handelt sich nicht um eine Karte im heutigen Sinne mit Entfernungsangaben, Richtungen und Reisezeiten, sondern um eine dreidimensionale Miniatur, die die Struktur einer Landschaft zeigt – vom Wasserabfluss aus den Hochebenen in Flüsse und Ströme, den Verbindungen zwischen Tälern sowie der Bildung von Seen und Sümpfen im Flachland“, erläutert Koautor Anthony Milnes von der University of Adelaide.
Damit repräsentiert diese topografische Karte die Merkmale einer Landschaft, die für die damaligen Menschen vermutlich besonders wichtig waren. „Für die Menschen der Altsteinzeit waren die Richtung des Wasserflusses und die Formen der Landschaft wahrscheinlich viel wichtiger als moderne Konzepte wie Entfernung und Zeit“, berichtet Milnes.
Bedeutung über die Geografie hinaus
Die neu entdeckte Karte könnte darüber hinaus aber auch eine tieferliegende mystische Bedeutung für ihre Schöpfer gehabt haben, wie die Archäologen erklären. „Die Frauenfigur mit sexueller Konnotation und die Miniaturlandschaft liegen nur zwei bis drei Meter voneinander entfernt“, betont Thiry. „Sicherlich sollten sie ihren Betrachtern einst auch den fundamentalen Zusammenhang von Leben und Natur vermitteln.“
Die dreidimensionale Karte von Ségognole 3 bietet demnach völlig neue Einblicke in die Gedankenwelt und Fähigkeiten unserer steinzeitlichen Vorfahren vor rund 13.000 Jahren. „Diese herausragende Entdeckung zeigt klar“, so Milnes, „ welche mentalen Fähigkeiten, Vorstellungskraft und Ingenieursfertigkeiten unsere frühen Vorfahren besaßen.“
Info: Kartografie – ein akkurates Geschäft
Eine Frage der Projektion Bei Weltkarten ist die Frage der Projektion – also der optischen Übertragung von Daten – enorm wichtig, weil die vollständige, dreidimensionale Kugeloberfläche auf eine Ebene projiziert werden muss. Die Verzerrungen der Größenverhältnisse sind zum Teil erheblich. Auf ihrer Homepage schreibt die Deutschen Gesellschaft für Kartographie (DGfK): „Grundsätzlich kann die dreidimensionale Kugeloberfläche der Erde nicht in einer exakt übereinstimmenden, wirklichkeitsgetreu-objektiven Abbildung in die zweidimensionale Ebene eines Kartenblattes übertragen werden. Jede Abbildung verzerrt entweder die Flächengröße, die Strecken oder die Winkel zwischen zwei Orten, was in einem veränderten Aussehen der Umrisse der Landmasse resultiert.“
Das Dilemma mit den Dimensionen Um dieses grundsätzliche Dilemma der Kartografie zu lösen, existieren viele unterschiedliche Projektionsentwürfe für Weltkarten. Für den allgemeinen Gebrauch werden in der Regel Kompromisse verwendet, die weder die Flächen und Winkel noch die Längen- und Breitengrade zu stark verzerrt wiedergeben – wie zum Beispiel die Robinson- und Winkel-Tripel-Projektion.
Weder Scheibe noch Mittelpunkt des Universums Die Einsicht, dass die Erde weder eine Scheibe noch der Mittelpunkt des Kosmos ist, setzte sich endgültig mit den Erkenntnissen von Nikolaus Kopernikus (1473-1543), Gerhard Mercator (1512-1594) und Galileo Galilei (1564-1641) durch. Der deutsche Astronom Kopernikus revolutionierte das bis dahin vorherrschende geozentrische Weltbild (Kopernikanische Wende), in dem die Erde den Mittelpunkt des Kosmos bildete, durch das heliozentrische Weltbild unseres Sonnensystems. Der belgische Kartograf Mercator wiederum schuf mit seinen Weltkarten die Grundlage der modernen Kartografie. Mit seiner großen Weltkarte von 1569 erlangte er Weltruhm. Seine sogenannte Mercator-Projektion ist bis heute wegen ihrer Winkeltreue und Perspektive eine der wichtigsten eindimensionalen Darstellungen des Globus.
Weltkarten und Maßstäbe Wie jeder Kartograf vor und nach ihm stand Kosmograf Mercator im 16. Jahrhundert vor dem Problem, wie er die gekrümmte Erdoberfläche auf eine ebene Fläche darstellen konnte. Anders gesagt: Er musste eine runde Apfelsine schälen und platt wie Flunder pressen. Er löste es dadurch, dass er die Längengrade der Erde an den Polen auseinanderzog und im rechten Winkel die Breitengrade einzeichnete. Dadurch aber wurde der Norden und Süden der Erdkugel voluminöser als sie es in Wirklichkeit sind. Grönland zum Beispiel erscheint so groß wie Afrika, obwohl der Kontinent 14-mal größer ist als die Insel.
AuthaGraph World Map Die DGfK stellt klar, dass es „kein objektives, exaktes Abbild der Erde in Karten“ gibt. Weltkarten sind nicht anderes als – wenn auch detailgetreue und äußerst penible – Zerrbilder der Erdoberfläche. Erfreulicherweise, so die Kartografen-Vereinigung weiter, habe die Kartografie aber eine Vielzahl an ausgereiften Projektionen zu bieten. Offiziell empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Kartographie sie Entwürfe nach Winkel, Wagner und Robinson. Als genaueste Weltkarte gilt dem,nach derzeit die AuthaGraph World Map des japanischen Architekten und Designers Hajime Narukawa aus dem Jahr 1999.