Schnellwachsende Schornsteine aus Salz
Forscher entdecken einzigartige Schlote im Toten Meer
Mehr als sieben Meter hoch und mit mehreren Metern Durchmesser: Leipziger Forschende haben im Toten Meer gewaltige Schlote entdeckt. Aus diesen steigt kein Rauch, sondern eine salzhaltige Flüssigkeit.
Von Markus Brauer/dpa
Das Tote Meer weist einen Salzgehalt von etwa 30 Prozent auf. Aber an manchen Stellen des Salzsees strömt außerdem noch spezielles salzhaltiges Wasser aus dem Boden.
Dort entstehen meterhohe Schlote, weil aus dem extrem salzhaltigen Grundwasser sofort Mineralien kristallisieren, wie Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig entdeckt haben. Ihre Studie ist im Fachmagazin „Science of the Total Environment“ erschienen.
Frühwarnindikator für Einsturzkrater
Die Schlote, Weiße Raucher genannt, seien ein wichtiger Frühwarnindikator für Einsturzkrater, erklärt das UFZ. Diese Krater entstehen in der Umgebung des Toten Meeres und sind eine Gefahr für die Bevölkerung sind. Wie die Forscher berichten, sind die Schlote überall dort entstanden, wo danach die Landoberfläche großräumig einsank.
Hochsalinares Grundwasser strömt aus
Das Tote Meer sinkt nach UFZ-Angaben seit mehr als 50 Jahren um rund einen Meter pro Jahr, weil es von wichtigen Zuflüssen abgeschnitten ist und infolge von Trockenheit und Hitze durch starke Verdunstung viel Wasser verliert. Derzeit liegt der Wasserspiegel bei rund 438 Metern unter dem Meeresspiegel. Dies hat laut den Forschern die Folge, dass die Anrainerstaaten immer schwieriger an Grundwasserressourcen gelangen.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass durch die Schlote am Seeboden hochsalinares Grundwasser ausströmt. „Da diese Sole eine etwas geringere Dichte als das Wasser des Toten Meeres hat, steigt sie wie in einem Jet nach oben.
Weiße und schwarze Raucher
„Es sieht aus wie Rauch, ist aber eine salzhaltige Flüssigkeit“, erklärt der UFZ-Hydrogeologe Christian Siebert. Manche dieser Schlote werden mehr als sieben Meter hoch und haben einen Durchmesser von zwei bis drei Metern. „Die Ähnlichkeit zu den Schwarzen Rauchern in der Tiefsee ist frappierend, aber es handelt sich um ein gänzlich anderes System“, berichtet Siebert.
- Der erste Unterschied: Die weißen Schlote des Toten Meeres bestehen komplett aus Halit – kristallinem Kochsalz. An der Spitze der schornsteinähnlichen Formationen bildet dieses Salz feine, verzweigte Kristallnadeln. „Diese wandeln sich im Laufe der Zeit durch Rekristallisation in würfelförmige Kristalle von mehreren Zentimeter Größe um“, schreiben die Forscher. Diese kubischen Salzkristalle bilden dann die feste Basis und das Innere der Schlote.
- Die zweite Besonderheit: Anders als bei Schwarzen Rauchern und anderen hydrothermalen Schloten speien die Schlote im Toten Meer kein heißes, sulfid-oder karbonathaltiges Wasser. Stattdessen tritt aus ihnen eine kalte, extrem salzhaltige Sole aus. „Darin unterscheiden sie sich von allen bekannten Arten unterseeischer Schlote“, berichten Siebert und seine Kollegen. Gleichzeitig sind die Halit-Schlote des Toten Meeres aber auch keine bloßen Ablagerungen des umgebenden salzigen Seewassers.
Grundwasser aus tief vergrabenen Halitschichten
Aber warum ist die austretende Sole so salzig? Und wo kommt sie her? Isotopenanalysen und Untersuchungen der im Schlotwasser gefundenen Mikroben enthüllten, dass die Schlote im Toten Meer von Grundwasser aus den umgebenden judäischen Bergen gespeist werden.
Dieses strömt in die Senke des Toten Meeres ein und durchfließt dabei tiefe, mehrere tausend Jahre alte Untergrundschichten.„Dabei erreicht das Grundwasser auch tief vergrabene, massive Halitschichten“, berichten die Forscher.
Diese dicken Salzschichten wurden abgelagert, als sich das Klima vor rund 10.000 Jahren wandelte und der damals existierende Lake Lisan schrumpfte und schließlich zum Toten Meer wurde. Wenn nun das Grundwasser durch diese Schichten strömt, löst es Teile des Salzes auf und transportiert diese bis unter das Tote Meer. Dort quillt es dann aus dem Seegrund und lässt die weißen Halitschlote entstehen.
Schlote als Frühwarner vor Einsturzlöchern
Durch die Weißen Raucher könne man sehr gut vorhersagen, welche Gebiete in naher Zukunft einsturzgefährdet sind, erläutert Siebert. „Niemand kann bislang vorhersagen, wo die Sinkholes als nächstes auftreten. Dabei sind sie lebensgefährlich und bedrohen die Landwirtschaft und Infrastruktur.“
Durch autonome Wasserfahrzeuge könnten die Schlote sehr präzise kartiert werden. „Das wäre die bislang einzige und zugleich sehr effiziente Möglichkeit, Regionen, die kurz vor dem Einsturz stehen, als akut gefährdet auszuweisen“, sagt Siebert.