„Fast wie im Science-Fiction-Film“
Forscher kartieren erstmals in 3D Atmosphäre eines Exoplaneten
Planeten außerhalb unseres Sonnensystems lassen sich nur selten direkt beobachten. Dennoch haben Astronomen mittlerweile mehr als 6600 solcher fernen Welten in über 4800 verschiedenen Sonnensystemen aufgespürt. Einer von ihnen ist der ultraheiße Jupiter WASP-121 Tylos.

© Eso/M. Kornmesser
3D-Struktur der Atmosphäre von Exoplanet WASP-121b Tylos.
Von Markus Brauer
Erstmals haben Astronomen durch die Atmosphäre eines Planeten außerhalb des Sonnensystems geblickt und seine 3D-Struktur kartiert.
Durch die Kombination aller vier Teleskope des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) fanden sie starke Winde, die chemische Elemente wie Eisen und Titan transportieren und komplexe Wettermuster in der Atmosphäre des Planeten erzeugen.
„Die Atmosphäre dieses Planeten verhält sich auf eine Weise, die unser Verständnis der Wetterabläufe in Frage stellt – nicht nur auf der Erde, sondern auf allen Planeten. Es fühlt sich an, wie etwas aus einem Science-Fiction-Film“, sagt Julia Victoria Seidel, Forscherin an der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile und Hauptautorin der Studie, die im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht worden ist.
“…they found powerful winds carrying chemical elements like iron and titanium, creating intricate weather patterns across the planet’s atmosphere”. “Out of science fiction”: First 3D observations of an exoplanet’s atmosphere reveal a unique climate | ESO https://t.co/9raPDLqnGb — Augusto Carballido (@AstroAugusto) February 18, 2025
Exoplanet WASP-121b Tylos
Der Planet, WASP-121b (auch bekannt als Tylos), ist etwa 900 Lichtjahre entfernt im Sternbild Puppis (Achterdeck des Schiffs) zu finden. Es handelt sich um einen ultraheißen Jupiter, einen Gasriesen, der seinen Mutterstern so nah umkreist, dass ein Jahr dort nur etwa 30 Erdstunden dauert.
Außerdem ist eine Seite des Planeten glühend heiß, da sie immer dem Stern zugewandt ist, während die andere Seite viel kühler ist.
- Zur Info: Heiße Jupiter sind die extremsten Himmelskörper unter den Planeten. Sie bezeichnen eine Klasse von Exoplaneten, deren Masse etwa der des Jupiter entspricht oder diese übersteigt und deren Oberflächentemperatur deutlich höher ist als die des Jupiter (-108 Grad Celsius). Als Gasriesen umkreisen sie ihren Heimatstern so eng, dass sie nur wenige Tage für einen Umlauf benötigen. Oft kommen sie ihrem Stern so nahe, dass ihre heiße Gashülle sich aufbläht oder zu einem Schweif ausgezogen ist.
3D-Struktur der Atmosphäre von Tylos
Das Team hat nun tief in die Atmosphäre von Tylos hineingespäht und dabei unterschiedliche Winde in separaten Schichten entdeckt und eine Karte der 3D-Struktur der Atmosphäre erstellt. Es ist das erste Mal, dass Astronomen die Atmosphäre eines Planeten außerhalb unseres Sonnensystems so tiefgehend und detailliert untersuchen konnten.
„Unser Fund war eine Überraschung: Ein Jetstream wälzt Material um den Äquator des Planeten, während eine separate Strömung in den unteren Schichten der Atmosphäre Gas von der heißen Seite zur kühleren Seite transportiert. Ein solches Klima wurde noch nie auf einem Planeten beobachtet“, erklärt Seidel, die auch am Lagrange-Labor des Observatoire de la Côte d’Azur in Frankreich forscht.
Der beobachtete Jetstream erstreckt sich über die Hälfte des Planeten, nimmt an Geschwindigkeit zu und wirbelt die Atmosphäre hoch oben am Himmel heftig durcheinander, während er die heiße Seite von Tylos überquert. „Selbst die stärksten Hurrikane im Sonnensystem wirken im Vergleich dazu ruhig“, fügt sie hinzu.
Kombination von Teleskopen führt zum Durchbruch
Um die 3D-Struktur der Atmosphäre des Exoplaneten zu ermitteln, kombinierte das Team mithilfe des Espresso-Instruments am VLT der Eso das Licht seiner vier großen Teleskopeinheiten zu einem einzigen Signal. Dieser kombinierte Modus des VLT sammelt viermal so viel Licht wie eine einzelne Teleskopeinheit und macht schwächere Details sichtbar.
Durch die Beobachtung des Planeten während eines vollständigen Transits vor seinem Mutterstern konnte Espresso Signaturen mehrerer chemischer Elemente erkennen und so verschiedene Schichten der Atmosphäre untersuchen.
„Das VLT ermöglichte es uns, drei verschiedene Schichten der Atmosphäre des Exoplaneten auf einen Schlag zu untersuchen“, erläutert Leonardo A. dos Santos, Mitautor der Studie und Assistenzastronom am Space Telescope Science Institute in Baltimore (USA).
Eisen, Natrium, Wasserstoff und Titan
Das Team verfolgte die Bewegungen von Eisen, Natrium und Wasserstoff, wodurch es möglich war, die Winde in den tiefen, mittleren und flachen Schichten der Planetenatmosphäre zu verfolgen. „Solche Beobachtungen sind mit Weltraumteleskopen nur sehr schwer durchzuführen, was die Bedeutung bodengestützter Beobachtungen von Exoplaneten unterstreicht“, fügt er hinzu.
Interessanterweise zeigten die Beobachtungen auch das Vorhandensein von Titan direkt unterhalb des Jetstreams, wie in einer Begleitstudie in „Astronomy and Astrophysics“ hervorgehoben wird. Dies war eine weitere Überraschung, da frühere Beobachtungen des Planeten gezeigt hatten, dass dieses Element nicht vorhanden war, möglicherweise weil es tief in der Atmosphäre verborgen ist.
Chemische Mixtur und Wettermuster eines Exoplaneten
„Es ist wirklich verblüffend, dass wir in der Lage sind, Details wie die chemische Zusammensetzung und die Wettermuster eines Planeten in einer so großen Entfernung zu untersuchen“, betont Bibiana Prinothvon der Universität Lund, Schweden, und der ESO, welche die Begleitstudie leitete und Mitautorin des Nature-Artikels ist.
Um die Atmosphäre kleinerer, erdähnlicher Planeten zu erforschen, werden jedoch größere Teleskope benötigt. Dazu gehört das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das derzeit in der chilenischen Atacama-Wüste gebaut wird.
„Das ELT wird die Erforschung der Atmosphären von Exoplaneten grundlegend verändern“, sagt Prinoth. „Diese Erfahrung gibt mir das Gefühl, dass wir kurz davor stehen, unglaubliche Dinge zu entdecken, von denen wir jetzt nur träumen können.“