Forscher stellen im Technikforum Backnang neue Techniken vor

Das Festival zur Internationalen Bauausstellung (IBA) geht weiter. Im Umfeld des Technikforums hat eine „Science Night“ stattgefunden, bei der neue Entwicklungen präsentiert worden sind. Die innovative Expertenausstellung „Material-Lab“ bleibt noch bis zum 22. Juli geöffnet.

Umweltministerin Thekla Walker hebt bei der „Science Night“ die Bedeutung des Klimaschutzes hervor. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Umweltministerin Thekla Walker hebt bei der „Science Night“ die Bedeutung des Klimaschutzes hervor. Foto: Alexander Becher

Von Carmen Warstat

Backnang. Zum Abschluss eines besonderen IBA-Tags mit Ausstellungen und Workshops hat im Umfeld des Technikforums (Wilhelmstraße 32 und 42 gleich nebenan) unter der Schirmherrschaft der Landtagsabgeordneten und Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg Thekla Walker kürzlich die „IBA Science Night“ stattgefunden. In Ergänzung des „Temporären Material-Lab“ wurden auf der Projektbühne Bauen sowohl Materialien und Produkte als auch weitere Entwicklungen der Forschung und Praxis live vorgestellt und erlebbar gemacht.

Das Moderatorenteam aus Eva Herrmann (freie Mitarbeiterin der IBA’27) und Florian Rapp (Technologie- und Innovationstransfer/Innovation IBA’27) präsentierte eingangs per Videoeinspieler ein Grußwort der Umweltministerin. Diese sprach über die Chancen der IBA und hob die Bedeutung des Klimaschutzes hervor. Nachhaltig und zirkulär zu bauen sei für Neubauten geboten, im Übrigen seien aber angesichts des Anteils des Gebäudesektors an der Umweltbelastung der Erhalt und die Ertüchtigung des Bestands zu favorisieren. Die Schirmherrin erwähnte Leuchtturmprojekte der Stadtregion Stuttgart und reihte das Backnanger Material-Lab hier ein. Die „Science Night“ sei ein wertvoller Austausch verschiedener Blickwinkel des Gebäudesektors.

Die Vision von der Neuerfindung des Bauens

Der Backnanger Oberbürgermeister Maximilian Friedrich erläuterte, dass die Stadt eine von drei ausgewählten Festivalbühnen der Region sei, und bezeichnete in diesem Zusammenhang auch die kulturelle Bespielung Backnangs als wichtigen Bestandteil. Die einstige namhafte Lederstadt sei geradezu prädestiniert für eine grundlegend neue Bauordnung und die IBA „mehr als ein Leitbild“, Backnang-West verspreche vielmehr ein Meilenstein zu werden.

Der IBA-Intendant Andreas Hofer zeichnete in seiner Ansprache die Vision von der Neuerfindung des Bauens, sprach von viel Mut, Kraft und Potenzial sowie von sehr langfristigen Projekten und Prozessen, auch des Lernens. IBA-Geschäftsführerin Karin Lang bezeichnete die Ausstellung Material-Lab als sensationell. Außerdem sprach Markus Tresser (als Leiter des Innovationszentrums Zirkuläres Bauen bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg) über das Anliegen, theoretische Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, sowie über das „unglaubliche Engagement vonseiten der IBA-Leute“, darunter auch des Moderatorenteams, das die Materialausstellung konzeptioniert hatte.

Kurzreferate der Exponatgeber

Neun Exponatgeber kamen anschließend selbst zu Wort. Ihre informativen Kurzreferate präsentierten die Wissenschaftler und Praktiker im Pecha-Kucha-Stil (eine Vortragstechnik, bei der zu einem mündlichen Vortrag passende Bilder an eine Wand projiziert werden), um die Ergebnisse ihrer Arbeit möglichst komprimiert darstellen zu können. Die Reihenfolge der Vortragenden war erwürfelt worden: Freia Achenbach und June Fàbregas vom Designstudio „anima ona“ machten mit Ausführungen zur Materialforschung in Sachen Beton den Anfang und sprachen am Beispiel der Geopolymere (etwa aus Bauschutt, Asche, Erde oder industriellen Abfällen) über die Umwertung alter Materialien ins Positive als Leitbild für ihre Arbeit. Im Anschluss stellte Alexander Ramm als Geschäftsführer der Firma Kroll Energy mobile Wärmepumpen für Baugewerbe, Produktion, Eventbranche und Landwirtschaft vor.

Ein Forschertrio von Result, einem Frankfurter Entwicklungslabor für nachhaltigen Leichtbau, sprach über 3-D-Druck auf 3-D-Textil (Claudia Lüling), über Sun Skins, also leichte 3-D-Solarfassaden (Timo Carl) sowie über Wickelverfahren für den sparsameren Einsatz von (relativ leichtem) Beton (Petra Rucker-Gramm.) Gemeinsam haben die Projekte das klassische Leichtbauthema: wenig Material bei maximaler Leistung.

Weiter ging es mit Daria Kovaleva vom Ilek-Institut der Universität Stuttgart, die ebenfalls Leichtbau mit Beton thematisierte und beispielsweise davon sprach, dass es möglich ist, statisch unnötige Baustoffe zu vermeiden beziehungsweise mit einer Weiterentwicklung der Betonbauweise (Gradientenbeton) erhebliche Material- und somit auch Emissionseinsparungen zu erzielen.

Architekt Goubin Shenplädiert für das Bauen im Bestand

Das Tübinger Start-up Triqbriq mit seinem mikromodularen Holzbausystem aus Bausteinen bereitet Problemholz auf und arbeitet müllfrei. Lewin Fricke ist der Meinung: „Wir könnten uns aus dem Klimawandel herausbauen.“ Er favorisiert „Synergie statt Ellenbogen“. Eine Materialbibliothek unter anderem mit Baumaterialien aus Sekundärrohstoffen stellte Elena Börmann vom Institut Nachhaltiges Bauen (beim Karlsruher Institut für Technologie) vor und Anton Köhler von der Tiefbaufirma Schneider GmbH&Co. KG hatte „keine Angst vor Dreck“. Er erwähnte Flüssigböden als modernen und nachhaltigen Lösungsansatz. Das Atelier Kaisershen war mit dem chinesischen Architekten Goubin Shen vertreten und brachte mit Henry David Thoreau die Kernfrage danach, was und wie viel wir eigentlich wirklich brauchen, in Erinnerung. Shen zeigte ein Mikrohofhaus, das 2018 fertiggestellt wurde, und plädierte für das Bauen im Bestand.

Schließlich kam die Stuttgarter Architektin Christina Eisenbarth mit ihrem Projekt Hydroskin zu Wort. Dabei handelt es sich um eine intelligente Gebäudehülle mit Einfluss auf das städtische Mikroklima, natürlich herstellbar aus recycelbaren Materialien und selbst wieder recycelbar sowie mit hohem Frischwassereinsparpotenzial.

Ausstellung Anfassen erlaubt! In einer Lagerhalle im künftigen Quartier BacknangWest entsteht eine große Mitmachausstellung zu neuen (und alten) Baumaterialien: programmiertes Holz, Dämmung aus alten Klamotten, Betonschaum. Dort werden ausgewählte Exponate aus Forschung und Industrie gezeigt. Im Mittelpunkt stehen verschiedene Materialien und ihre Weiterentwicklung. Noch bis zum 22. Juli bleibt die innovative Expertenausstellung „Temporäres Material-Lab“ in der Wilhelmstraße 42 donnerstags und freitags von 14 bis 19 sowie samstags von 10 bis 15 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

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Erstellt:
10. Juli 2023, 06:00 Uhr

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