Frust bei Eltern in der Backnanger Sportkita Plaisir
Wegen Personalmangels muss die neue Einrichtung in Backnang ihre Betreuungszeiten reduzieren.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Groß war die Freude, als im vergangenen Mai nach knapp zwei Jahren Bauzeit die neue Sportkita Plaisir in Backnang in Betrieb ging. Fast zehn Millionen Euro hatte die Stadt in den schicken Neubau investiert, der Platz für sechs Gruppen mit insgesamt 120 Kindern bietet und außerdem eine Mensa beherbergt, die auch von den Schülerinnen und Schülern der benachbarten Plaisirschule genutzt wird. „Die neue Sportkita ist unser Flaggschiff, auf das wir stolz sind“, erklärte die damalige Amtsleiterin und heutige Sozialdezernentin Regine Wüllenweber.
Ein Jahr später ist die Euphorie verflogen, unter den Eltern macht sich mittlerweile Frust breit. Denn in der Vorzeigekita gibt es massive personelle Probleme. Von den geplanten sechs Gruppen konnten deshalb überhaupt nur vier an den Start gehen, doch auch in denen ist man von einem geregelten Betrieb derzeit weit entfernt. „Es gibt nur noch eine absolute Notbetreuung mit ständig wechselnden Kräften“, berichtet Thomas Bucher, der eine vierjährige Tochter in der Einrichtung hat.
Vor einer Woche wurde den Eltern der drei Ganztagsgruppen dann mitgeteilt, dass die Betreuungszeiten bis auf Weiteres verkürzt werden. Statt bis 17.30 Uhr hat die Kita von Montag bis Mittwoch nun nur noch bis 15.30 Uhr sowie Donnerstag und Freitag bis 16 Uhr geöffnet. Und von den Sportangeboten, die eigentlich das Profil der Kita ausmachen sollten, ist nach Angaben der Eltern auch nicht mehr viel übrig. Die Klagen haben mittlerweile auch den Gemeinderat erreicht. Mehrere Eltern hätten ihn schon angesprochen, berichtet Stadtrat Willy Härtner (Bündnis 90/Die Grünen), am Donnerstag beschäftigte sich auch der Verwaltungs- und Finanzausschuss in nicht öffentlicher Sitzung mit dem Thema. „Wir haben mit dem Namen Sportkita Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden“, sagt Härtner. Die Stadt stehe in der Pflicht, das versprochene Sportprofil so schnell wie möglich mit Leben zu füllen.
Von zwölf Beschäftigten haben sechs in den vergangenen Monaten gekündigt
Grund für die Misere ist eine Kündigungswelle beim Betreuungspersonal. Von insgesamt zwölf Beschäftigten haben nach Angaben von Regine Wüllenweber sechs in den vergangenen Monaten gekündigt, darunter auch die Kita-Leiterin Carmen Stradinger. Das verwundert, denn eigentlich müssten die Arbeitsbedingungen in einer nagelneuen Kita doch besonders attraktiv sein.
Hapert es also am Betriebsklima? Regine Wüllenweber dementiert das. Es seien in erster Linie persönliche Gründe gewesen, die zu den Kündigungen geführt hätten. So habe etwa eine Erzieherin eine Leitungsstelle in einer anderen Kita übernommen, ein Mitarbeiter wollte gerne in die Jugendarbeit wechseln. Die Einrichtung selbst hat aus Sicht von Wüllenweber nur ein Problem: die langen Öffnungszeiten. „Arbeitszeiten bis 17.30 Uhr sind nicht besonders attraktiv“, sagt die Sozialdezernentin. In einer Zeit, in der Erzieherinnen bei der Jobsuche freie Auswahl haben, könne deshalb auch der frühere Feierabend ein Grund für einen Wechsel sein.
Mit Vertretungskräften, Auszubildenden und Studenten hat die Stadt in den vergangenen Monaten versucht, die Betreuungszeiten aufrechtzuerhalten. Das sei bei mittlerweile drei unbesetzten Vollzeitstellen aber nicht mehr möglich gewesen, erklärt Regine Wüllenweber, deshalb habe man nun keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als die Zeiten einzuschränken.
Eltern kritisieren Kommunikation: „Niemand redet mit uns“
Für viele Eltern ist das ein großes Problem: „Ich arbeite normalerweise bis 17 Uhr. Was soll ich jetzt meinem Arbeitgeber sagen?“, fragt Andrea Salwat, die einen sechsjährigen Sohn in der Sportkita hat. Die langen Öffnungszeiten waren ein Grund, warum sie die Einrichtung gewählt hatte. Bei ihr konnten vorübergehend die Großeltern in die Bresche springen, andere Eltern hätten diese Möglichkeit aber nicht.
Was die Eltern außerdem bemängeln, ist die Kommunikation: Monatelang hätten sie weder von der Kitaleitung noch von der Stadt Informationen bekommen, wie es mit der Betreuung weitergeht. „Niemand redet mit uns, keiner weiß, was los ist“, kritisiert Thomas Bucher. Trotz mehrfacher Nachfragen habe es bis heute keinen Elternabend zu dem Thema gegeben. Auch eine Elternbefragung, die im Rahmen der Top-Kita-Zertifizierung an allen Backnanger Tageseinrichtungen durchgeführt werden soll, fand an der Sportkita bisher nicht statt.
Mitte April gab es dann immerhin ein Treffen des Elternbeirats mit den Verantwortlichen der Stadt. Dabei machten die Eltern ihrem Ärger Luft. Kritisiert wurde unter anderem, dass die Stadt viel zu spät reagiert habe. Die erste Kündigung habe es im November gegeben, doch erst im März sei eine Stellenausschreibung in der Zeitung erschienen. „Man hatte den Eindruck, dass das Thema bei der Stadt nicht priorisiert wurde“, sagt Mutter Gerda Ritzal.
Stadt will wissen, wie derBetreuungsbedarf aussieht
Regine Wüllenweber versichert indes, man arbeite mit Hochdruck an einer Lösung und könne auch schon Erfolge vermelden: „Wir konnten vier neue Beschäftigte gewinnen, die aber erst zum neuen Kindergartenjahr anfangen werden.“ Auch die Leitungsstelle sei ausgeschrieben und solle schnellstmöglich besetzt werden.
Ob die Sportkita nach den Sommerferien dann wieder zu ihren gewohnten Betreuungszeiten zurückkehren wird, will Regine Wüllenweber allerdings nicht versprechen. Sie möchte zunächst abfragen, wie viele Eltern überhaupt einen Betreuungsplatz bis 17.30 Uhr benötigen. Möglicherweise seien so lange Öffnungszeiten ja gar nicht in allen drei Gruppen nötig. Das soll nun bei einem Elternabend besprochen werden, der mittlerweile terminiert wurde: Am 14. Juni wird es zur Aussprache kommen.