Für sichere Radwege fallen in Backnang Parkplätze weg
Neue Markierungen und Schilder sollen die Sicherheit der Zweiradfahrer auf den Hauptverkehrsachsen in der Backnanger Innenstadt erhöhen. Messungen hatten gezeigt, dass Autofahrer den vorgeschriebenen Mindestabstand beim Überholen oft nicht einhalten.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Als Radfahrer braucht man auf viel befahrenen Straßen gute Nerven. Eine besondere Gefahr sind dabei Autofahrer, die sich mit geringem Abstand vorbeidrängeln. Die Straßenverkehrsordnung schreibt beim Überholen in der Stadt eigentlich einen Mindestabstand von anderthalb Metern vor, außerorts sind es sogar zwei Meter. Dass diese Vorschrift in Backnang aber häufig ignoriert wird, hatte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) schon vor einem Jahr nachgewiesen: Messungen mit Ultraschallsensoren hatten damals gezeigt, dass etwa in der Weissacher Straße viele Fahrzeuge zu dicht überholen, zum Teil mit weniger als einem Meter Abstand.
Weitere Testfahrten, die die Stadt im Rahmen eines Forschungsprojekts mit der Universität Karlsruhe durchführte, bestätigten diese Ergebnisse. „Vor allem auf den Hauptverkehrsachsen müssen wir die Sicherheit verbessern“, sagt Tobias Großmann, Leiter des Stadtplanungsamts. Schließlich ist es erklärtes Ziel der Stadt, den Anteil des Radverkehrs zu erhöhen.
Im Rahmen des Forschungsprojekts, an dem noch zehn andere Städte und Gemeinden aus der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) teilnehmen, wurden deshalb verschiedene Maßnahmen entwickelt, um die Zweiradfahrer besser zu schützen. Einige davon sind in Backnang bereits umgesetzt worden.
Zweiradüberholverbot in der Talstraße geplant
So wurden etwa die Schutzstreifen am Fahrbahnrand an mehreren Stellen in der Stadt von 1,35 Metern auf 1,60 Meter verbreitert, etwa in der Sulzbacher Straße und in der Gartenstraße. An einigen Stellen wurden zusätzlich auch noch sogenannte Sicherheitstrennstreifen eingezeichnet. Diese markieren einen Abstand von 75 Zentimetern zu geparkten Autos am Fahrbahnrand. So soll verhindert werden, dass Radfahrer von einer plötzlich geöffneten Autotür überrascht werden.
Erstmals zeigt sich die Stadt auch bereit, Pkw-Parkplätze zugunsten des Radverkehrs zu opfern. So wurde im unteren Teil der Sulzbacher Straße ein Stellplatz gestrichen, um den Radstreifen, der dort bisher unvermittelt endete, mit einer roten Markierung gut sichtbar auf die Fahrbahn zu leiten. Gleich sechs Parkplätze fallen in der Eugen-Adolff-Straße weg, um bergauf endlich den schon lange versprochenen Radschutzstreifen einzeichnen zu können. „Die Straße wäre dafür sonst nicht breit genug gewesen“, erklärt Volker Knödler, der Fahrradbeauftragte der Stadt. Ein Schutzstreifen ist nämlich nur dort erlaubt, wo anschließend immer noch mindestens eine Fahrbahnbreite von 4,50 Metern für den Autoverkehr bleibt. An Stellen, wo das nicht möglich ist, etwa in Teilen der Annonaystraße, wurden immerhin Fahrradpiktogramme am Fahrbahnrand markiert, um die Autofahrer für die schwächeren Verkehrsteilnehmer zu sensibilisieren.
Auch ein Zweiradüberholverbot will die Stadt erstmals in Backnang einführen. Das erst 2020 eingeführte Verkehrsschild soll in der Talstraße vor der Brücke über den Mühlkanal in beiden Fahrtrichtungen aufgestellt werden. Radfahrer oder Motorroller dürfen im Bereich dieser Engstelle dann nicht mehr überholt werden, selbst wenn kein Gegenverkehr in Sicht ist.
Auffällig ist, dass ausgerechnet die Weissacher Straße, die bei den Testfahrten besonders schlecht abgeschnitten hatte, in dem Maßnahmenkatalog weitgehend ausgeklammert wird. Nur ein paar Banner, die auf die vorgeschriebenen anderthalb Meter Mindestabstand beim Überholen hinweisen, sollen dort aufgehängt werden. Wegen der geringen Straßenbreite und des hohen Verkehrsaufkommens sei mehr dort nicht möglich, sagt Volker Knödler und hofft, dass auch die Banner einen Effekt haben werden.
ADFC hätte sich mehr Mut gewünscht
Ob die Maßnahmen tatsächlich dazu führen, dass es in Backnang weniger gefährliche Überholvorgänge gibt, soll nun eine zweite Messung zeigen. Seit Anfang September sind wieder acht Testfahrer mit Sensoren am Fahrrad in der Stadt unterwegs, um die Abstände zu messen. „Ich hoffe auf aussagekräftige Ergebnisse“, sagt Knödler. Zumindest das subjektive Sicherheitsgefühl scheint sich bereits verbessert zu haben. Das zeigen jedenfalls die Reaktionen der Stadträtinnen und Stadträte, denen das Konzept kürzlich vorgestellt wurde. „Ich fühle mich viel sicherer. Das funktioniert wirklich gut“, meinte etwas Rolf Hettich (CDU), der leidenschaftlicher Radfahrer ist. Auch aus mehreren anderen Fraktionen gab es Lob für die Initiative.
Dem schließt sich im Grundsatz auch Jürgen Ehrmann vom ADFC an, allerdings geht ihm das Ganze nicht weit genug. „Ich würde mir etwas mehr Mut wünschen“, sagt der Vorsitzende der Ortsgruppe Backnanger Bucht. So ist etwa die Banneraktion in der Weissacher Straße in seinen Augen nur Aktionismus: „Sie ändert nichts daran, dass wir dort bauliche Veränderungen brauchen“, sagt Ehrmann. In der Aspacher Straße und im unteren Teil der Sulzbacher Straße würde er gerne weitere Parkplätze entfernen, um mehr Platz für den Radverkehr zu schaffen. Unabhängig von der Stadt werde auch der ADFC weiterhin Abstandsmessungen in Backnang durchführen, kündigt Ehrmann an. Sollten sich dabei keine deutlichen Verbesserungen zeigen, will der Verein weiter Druck machen.