Für sichere Wasserversorgung im Murrtal

Im neuen Wasserwerk Murrtal, das den nördlichen Rems-Murr-Kreis seit 2020 mit Wasser versorgt, konnten Bürgerinnen und Bürger gestern einen Blick hinter die Kulissen werfen. Mit dem neuen Wasserwerk soll die Versorgung der Region auch in Zukunft auf einer sicheren Basis stehen.

Beim Tag der offenen Tür im Wasserwerk Murrtal konnten Besucherinnen und Besucher erfahren, woher ihr Leitungswasser eigentlich kommt und welcher Aufwand hinter der Aufbereitung steckt. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Beim Tag der offenen Tür im Wasserwerk Murrtal konnten Besucherinnen und Besucher erfahren, woher ihr Leitungswasser eigentlich kommt und welcher Aufwand hinter der Aufbereitung steckt. Fotos: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Burgstetten. „Wasser marsch!“, hieß es gestern beim Tag der offenen Tür im neuen Wasserwerk Murrtal in Erbstetten. Neben Sekt wurde nämlich auch frisches Leitungswasser direkt aus dem Wasserwerk an die Besucher verteilt. Interessierte Bürgerinnen und Bürger waren eingeladen, den Ort, von dem ihr Wasser kommt, bei Führungen zu besichtigen. Gleichzeitig diente der Freitag auch als eine Art nachträgliche Einweihungsfeier für alle Konzeptionspartner, denn das Wasserwerk ist eigentlich bereits vor fast zwei Jahren in Betrieb gegangen. Die Coronapandemie allerdings verhinderte eine frühere Einweihung. „Seit zwei Jahren wird hier bereits Trinkwasser in ausgezeichneter Qualität produziert“, sagt Stefan Neumann, Bürgermeister von Künzelsau und Verbandsvorsitzender des Zweckverbands Wasserversorgung Nordostwürttemberg (NOW). Etwa 80 Liter Trinkwasser pro Sekunde werden hier mit dem Wasser aus rund 60 regionalen Brunnen gewonnen. Das entspricht rund 6,9 Millionen Liter Trinkwasser pro Tag. Im nördlichen Rems-Murr-Kreis werden damit rund 60000 Menschen mit Leitungswasser versorgt.

Sechs Kommunen haben sich für ein gemeinsames Konzept zusammengetan

Gemeinsam mit NOW-Geschäftsführer Jochen Damm blickte Neumann zurück auf den Projektverlauf. 2015 hatte man festgestellt, dass bei der Trinkwasserversorgung im nördlichen Rems-Murr-Kreis noch Handlungsbedarf besteht. Deshalb haben die Gemeinden Leutenbach, Burgstetten, Allmersbach im Tal, Oppenweiler, Aspach und die Stadtwerke Backnang gemeinsam mit der NOW an einer neuen Versorgungskonzeption gearbeitet. Die Ziele: eine einheitlich hohe Wasserqualität, eine optimale Nutzung der lokalen Wasserquellen, eine höhere Versorgungssicherheit und ein wirtschaftlicher Betrieb. Zwar gab es unter den sechs Kommunen auch Meinungsunterschiede, beispielsweise den bevorzugten Härtegrad des Wassers betreffend – dieser wurde von 25 auf 13 Grad gesenkt und liegt nun im mittelharten Bereich –, doch nach nur zwei Jahren Planung fand 2017 der Spatenstich in Erbstetten statt. Im August 2020 ging das Wasserwerk dann in Betrieb.

Jochen Damm, NOW-Geschäftsführer, bei der Begrüßung der Gäste.

© Alexander Becher

Jochen Damm, NOW-Geschäftsführer, bei der Begrüßung der Gäste.

Mit dem Wasserwerk allein ist die Modernisierung der Wasserversorgung natürlich nicht getan. 2018 begann auch der Ausbau des Leitungsnetzes. Von den 51 Kilometern Leitung sind bisher rund zwei Drittel verlegt, bis Ende 2024 soll die Maßnahme abgeschlossen sein, so der NOW-Geschäftsführer. Dazu kam noch, dass einige der 60 angeschlossenen Brunnen zunächst wieder ertüchtigt werden mussten.

Die Gesamtkosten belaufen sich damit auf rund 41 Millionen Euro. 14 Millionen Euro kostete der Bau des Wasserwerks, davon flossen allein neun Millionen in die Aufbereitungstechnik (siehe Infokasten). „Als einzelne Kommune hätte man das gar nicht leisten können“, sagt Burgstettens Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz. „Wir sind froh, dass die NOW und das Land hier investiert haben.“ Denn vom Land Baden-Württemberg wurden Fördergelder von 16 Millionen in die Wasserversorgung gesteckt. Das Ziel des Landes: „eine regionale und sichere Wasserversorgung in Anbetracht des Klimawandels“, so Benjamin Heemeier vom Regierungspräsidium Stuttgart. Dafür sei der gemeinsame Weg der Kommunen genau der richtige gewesen.

Durch regionale Wasserversorgung auf die Probleme der Zukunft vorbereitet

Wie genau aus dem Rohwasser der regionalen Brunnen in den verschiedenen Tanks und Rohren des Wasserwerks das qualitativ hochwertige Trinkwasser wird wurde interessierten Besucherinnen und Besuchern dann bei Führungen durch den Betreib erklärt. Das Wasserwerk ist voll automatisiert und kann von der NOW-Leitwarte in Crailsheim rund um die Uhr überwacht und gesteuert werden.

Unerwünschte Stoffe werden in verschiedenen Kesseln herausgefiltert.

© Alexander Becher

Unerwünschte Stoffe werden in verschiedenen Kesseln herausgefiltert.

Die aktuelle Trockenheit, die zum Beispiel in Norditalien dafür gesorgt hat, dass zu bestimmten Tageszeiten kein Wasser mehr aus der Leitung kommt, spüre man auch in den NOW-Wasserwerken bereits. „Aber noch bewegt sich alles im üblichen Bereich eines warmen Sommers“, versichert Jochen Damm. „Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Wasser fließt. Damit es auch in Zukunft so bleibt, haben wir uns als Kommunen zusammengeschlossen“, sagt auch Wiedersatz. Außerdem sei hier von Vorteil, dass man Wasser aus so vielen verschiedenen Quellen beziehe, erklärt Damm. Wenn es mal bei einem Brunnen Probleme gibt, könne man das gut auffangen. Und sollte in Spitzenzeiten trotzdem mehr Trinkwasser benötigt werden, könne man immer noch zusätzlich auf das Fernwasser aus dem NOW-Versorgungsnetz zurückgreifen.

So funktioniert die Wasseraufbereitung im Wasserwerk Murrtal

Ultrafiltration Im ersten Aufbereitungsschritt, der Ultrafiltration, werden ungelöste Teilchen und Keime (darunter Bakterien und Viren) durch eine poröse Membran wie bei einem Sieb zu 100 Prozent herausgefiltert. Auch das Mikroplastik wird laut NOW aufgrund der extrem kleinen Siebweite der Membran zurückgehalten. Die Membran sei in der Lage, alle Stoffe größer als 0,01 Mikrometer (= 0,00001 Millimeter) herauszufiltern.

Aktivkohleadsorption Im zweiten Aufbereitungsschritt beseitigt der Aktivkohlefilter eventuell vorhandene Spurenstoffe wie Rückstände von Medikamenten, Pflanzenschutzmitteln oder Geruchsstoffen. An der porösen Oberfläche der Aktivkohle bleiben die Spurenstoffe haften.

Enthärtung Als nächstes wird das Rohwasser, das hier in der Region aufgrund von Muschelkalk im Boden einen Härtegrad von bis zu 32 Grad haben kann, enthärtet. Dazu wird eine sogenannte Ionenaustauscheranlage verwendet, durch die Stoffe wie Magnesium, Kalzium, Nitrat, Sulfat und Chlorid dem Wasser entzogen werden.

Verrieselung Im vierten Aufbereitungsschritt wird überschüssiges Kohlendioxid mithilfe von sogenannten Rieslern entfernt. Dem Wasser wird keimfreie Luft mit einem Druck von rund 1100 Pascal entgegengeblasen.

Desinfektion Zuletzt wird das Wasser durch UV-Licht desinfiziert. In der UV-Anlage bestrahlen zwölf Strahler das Wasser von allen Seiten und töten so eventuell noch vorhandene Bakterien, Keime und Viren ab. Dadurch kann auf Chlor im Wasser verzichtet werden.

Kontrolle Die Wasserwerte werden zuletzt von Kontrollsystemen überwacht, bevor das Wasser in Reinwasserkammern gespeichert wird.

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Erstellt:
16. Juli 2022, 11:30 Uhr

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