Jäger der Urzeit

Fundgrube Australien: Drei neue Raubdinosaurier an einem Ort

In Australien haben Paläontologen die Fossilien von drei neuen Raubdinosauriern in einem Gebiet entdeckt. Dazu gehören der älteste bekannte Fund eines sechs bis sieben Meter langen Megaraptors, der erste australische Carcharodontosaurier und ein kleiner, vogelähnlicher Raptor.

Im kreidezeitlichen Victoria waren Megaraptoridae (re.) die Spitzenräuber – und nicht wie sonst Carcharodontosaurier (hinten li.).

© © Jonathan Metzger/Museums Victoria

Im kreidezeitlichen Victoria waren Megaraptoridae (re.) die Spitzenräuber – und nicht wie sonst Carcharodontosaurier (hinten li.).

Von Markus Brauer

In John Ronald Reuel Tolkiens (1892-1973) „Der-Herr-der-Ringe“-Universum ist die Frage nach dem gefährlichsten Ort von Mittelerde einfach zu beantworten: Mordor mit dem Dunklen Turm Barad-dûr, das Reich und die Basis des bösen Hexenmeister Sauron. Doch wo ist einer der gefährlichsten Orte in der Erdgeschichte? Die überraschende Antwort: im australischen Bundesstaat Victoria.

Megaraptors, Carcharodontosaurier, vogelähnlicher Theropode

Dort haben Paläontologen die Fossilien von gleich drei neuen Raubdinosauriern in einem Gebiet entdeckt. Dazu gehören der älteste bekannte Fund eines sechs bis sieben Meter langen Megaraptors, der erste australische Carcharodontosaurier und ein kleiner, vogelähnlicher Raptor.

Diese Funde werfen nun ein ganz neues Licht auf die Evolution australischer Raubdinosaurier und auf deren Position in der Nahrungskette, wie das Team berichtet.

Wer fraß wen?

Wenn Paläontologen längst vergangene Ökosysteme rekonstruieren, spielt insbesondere die Frage nach dem „Wer fraß wen?“ eine große Rolle.

In extrem seltenen Fällen ist eine komplette Nahrungskette in einem einzigen Fossil erhalten, doch meist müssen die Forschenden stattdessen aufwendige Detektivarbeit betreiben. Dabei versuchen sie unter anderem, die Spitzenräuber eines Ökosystems sowie deren Konkurrenten und bevorzugte Beute ausfindig zu machen.

Dino-Räuber in der Kreidezeit

Fossilienfunde von Raubdinosauriern aus Victoria haben Paläontologen um Jake Kotevsk von der Monash University nun dabei geholfen, die dortige Theropoden-Zusammensetzung aus der frühen Kreidezeit vor 121 bis 108 Millionen Jahren zu rekonstruieren.

Manche der Fossilien befanden sich zum Untersuchungszeitpunkt schon seit Jahrzehnten in Museumssammlungen, während andere erst vor wenigen Jahren freigelegt wurden. Die Funde stammen von der Bass und der Otway Coast unweit von Melbourne.

Die Studie ist im Fachjournal „Journal of Vertebrate Paleontology“ erschienen.

#Fossils of the oldest megaraptorid and first carcharodontosaurs in #Australia redefine theropod evolution. These finds reveal a unique predator hierarchy in Cretaceous Australia. https://t.co/1U9YQVuzcyhttps://t.co/pcQcTYlzi9 — Phys.org (@physorg_com) February 20, 2025

Gleich drei australische Räuber

Die Auswertung enthüllte: Die Fossilien gehören zu drei verschiedenen Gruppen von Raubdinosauriern.

  • Zwei Schwanzwirbel und ein Schienbein stammen von Vertretern der Megaraptoridae. Diese sechs bis sieben Meter langen Fleischfresser waren in der Kreidezeit die Top-Prädatoren der Region. Typisch für diese Theropoden-Familie sind verlängerte, sensenartig scharfe Handklauen und ein relativ schlanker Körper.
  • Die jetzt entdeckten Megaraptoriden-Knochen stammen von den weltweit ältesten bekannten Überresten dieser Tiergruppe, wie die Paläontologen berichten. Sie könnten somit mehr über die Evolutionsgeschichte und mögliche Ursprünge dieser Theropoden verraten – möglicherweise entwickelten sie sich zuerst in Australien.
  • Ähnlich wendig, wenn auch deutlich kleiner als die Megaraptoriden war ein Raubsaurier der Gattung Unenlagia, dessen Schienbein sich ebenfalls unter den Fossilen befand. Dieser zweibeinig laufende, nur rund einen Meter große Raptor war gefiedert und besaß bereits Flügel und weitere Ähnlichkeiten mit Urvögeln. Fliegen konnte dieser fleischfressende Theropode allerdings wohl noch nicht.

Vertauschte Rollen

Die dritte Gruppe der Raubdinosaurier bilden die Carcharodontosaurier, von denen das Team zwei Schienbeine fand. „Die Entdeckung von Carcharodontosauriern in Australien ist bahnbrechend“, erklärt Kotevski. Es handelt sich dabei um den ersten Nachweis dieser Gruppe auf australischem Boden.

Zu diesen Raubsauriern gehörten einige der größten Fleischfresser der Erdgeschichte, darunter der in Südamerika vorkommende Giganotosaurus. Ihren Namen verdanken sie ihrem mächtigen Gebiss, das an das des Weißen Hais erinnert.

Allerdings waren die australischen Carcharodontosaurier deutlich kleiner als ihre südamerikanischen Vettern. Mit einer Länge von zwei bis vier Metern könnte man sie fast schon als kleinwüchsig bezeichnen. Anders als auf anderen Kontinenten nahmen die Carcharodontosaurier in Australien nicht die Rolle des Spitzenräubers ein.

Raubtier-Hierarchie in Down Under

„Es ist faszinierend zu sehen, wie sich die Raubtier-Hierarchie in Victoria von der in Südamerika unterscheidet, wo die Carcharodontosaurier eine Tyrannosaurus-rex-ähnliche Größe von bis zu 13 Metern erreichten und die Megaraptoridae überragten. Hier waren die Rollen vertauscht, was die Einzigartigkeit des kreidezeitlichen Ökosystems Australiens unterstreicht“, erläutert Kotevski.

Dass das Ökosystem von Victoria gewissermaßen auf dem Kopf stand, könnte indes keine Ausnahme, sondern der Urzustand gewesen sein, wie das Forscherteam berichtet. „Die Funde liefern auch überzeugende Beweise für den Austausch von Faunen zwischen Australien und Südamerika über die Antarktis während der frühen Kreidezeit“, betont Thomas Rich vom Museums Victoria Research Institute.

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Erstellt:
20. Februar 2025, 10:38 Uhr

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