Fußballprofi war nie der große Traum
Erfolgreich in der Fremde (5): Eigentlich wollte Bundesliga-Spieler Julian Schieber einst immer nur beim SVU mit Kumpels kicken
„Ich hatte als Junge nie den großen Traum, Fußballprofi zu werden. Ich wollte mit meinen Kumpels kicken.“ Auch deshalb verließ Julian Schieber seinen Heimatverein SV Unterweissach erst mit 16. Danach ging es aber rasant voran. Mittlerweile stürmt er seit elfeinhalb Jahren in der Bundesliga. Eine Karriere, die von ihm selbst vielleicht nicht erträumt wurde, dafür aber etwas von bilderbuchmäßig hat.
Von Uwe Flegel
An Ehrgeiz hat der Weissacher mit seinen 30 Jahren nichts eingebüßt: „Wenn ich nicht spiele, dann bin ich stinkig.“ Der 1,86 Meter große Angreifer dürfte deshalb in den vergangenen Monaten nicht immer gut gelaunt gewesen sein. So richtig kam er beim FC Augsburg noch nicht zum Zug. Gerade mal zwei Einsätze hat der Stürmer beim FCA in dieser Saison im DFB-Pokal und in der Bundesliga zu verzeichnen. Bei der 1:2-Pleite beim West-Regionalligisten SC Verl warf ihn Trainer Martin Schmidt vier Minuten vor Schluss ins Gefecht und beim 0:3 gegen Leverkusen durfte er ab der 68. Minute ran. Dabei, so der Schwabe, „geht es mir seit acht Monaten blendend. Ich bin fit, ehrgeizig und haue mich rein.“
So wie er es schon immer gehandhabt hat. Als kleiner Steppke beim SVU, als Jungprofi beim VfB oder seit mittlerweile über einem Jahrzehnt in der Bundesliga. Eine Karriere, die von fünf Knieoperationen begleitet und erschwert wurde. Wäre ohne die Verletzungen für den siebenfachen U-21-Nationalspieler (fünf Tore) noch mehr als die insgesamt 214 Partien in der ersten Liga, dem DFB-Pokal, dem Uefa-Cup und der Champions League drin gewesen? „Schlechter wäre meine Karriere sicher nicht verlaufen.“
Eine Laufbahn, bei der Papa Kurt Schieber zu Beginn nicht nur glücklich war. „Nach der Schule habe ich Garten- und Landschaftsbau gelernt. Doch das habe ich zeitlich und körperlich nicht mehr geschafft, als ich zum VfB bin. Ich musste ab und zu direkt von der Baustelle ins Training und habe das auch nur geschafft, weil mich Edgar Klier abgeholt und nach Stuttgart gefahren hat. Deshalb habe ich die Ausbildung abgebrochen. Mein Vater war recht enttäuscht“, erzählt der heutige Profi und fügt schmunzelnd an: „Mittlerweile hat er die Entscheidung, glaube ich, akzeptiert.“
Es war nicht der leichte Weg, den Julian Schieber genommen hat, bis er in der Bundesliga angekommen war. Entsprechend dankbar ist er heute noch einigen Menschen, die ihn dabei begleitet und unterstützt haben. Edgar Klier zählt ebenso dazu wie der einstige TSG-BJugend-Trainer Holger Winkler oder der Stuttgarter A-Jugend-Coach Hansi Kleitsch. Über den Mann mit dem Auge für Talente, der später als Scout für Bayern München tätig war und noch heute im Auftrag der TSG Hoffenheim unterwegs ist, sagt Julian Schieber: „Er war ganz wichtig.“ Als Trainer und Entdecker: „Wir haben mit Backnang in der B-Jugend gegen den VfB II 5:0 gewonnen. Kleitsch hat zugeschaut und gesagt: Den müssen wir holen, das ist ein Vollblutstürmer.“ In Stuttgart gab es aber noch andere Unterstützer. „Nach der A-Jugend habe ich in der U 23 in der Dritten Liga gespielt, dann musste Armin Veh gehen und Markus Babbel kam.“ Dem Ex-Nationalspieler und dessen Co-Trainer Rainer Widmayer fiel der wuchtige Stürmer im Drittliga-Team auf, hatte er doch bis dahin in 15 Partien schon acht Treffer erzielt. „Mein Weg war auch mit Glück bedacht“, sagt Schieber und spricht davon, dass er oft zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Menschen um sich hatte. Rainer Widmayer, seit dieser Saison wieder als Co-Trainer beim VfB, ist einer davon. Auch weil der Fußballer aus dem Täle in seinen Berliner Jahren erneut auf Widmayer traf und es offenbar wieder ganz gut passte: „Mit ihm habe ich immer noch Kontakt.“
Julian Schieber ist allerdings niemand, der stets nur im Gestern lebt. „Ich bin mittlerweile 30 Jahre alt, da reflektiert man sehr viel.“ Eine Erkenntnis ist, dass der Fußball sehr schnelllebig ist und das Drumherum einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Das akzeptiert er, damit anfangen kann er nicht viel. Lieber beschäftigt er sich mit dem, was nach der Zeit als Profi kommt. Eventuell der Bereich Reha-Maßnahmen. Schließlich hat er am eigenen Leib verspürt, wie wichtig das ist. „Die Zeit ist vorbei, als ich einfach raus- und auf den Platz gegangen bin. Mittlerweile betreibe ich für Vor- und Nachsorge einen großen Aufwand.“
Zeit für Heimatbesuche ist für einen Familienvater mit drei Kindern eher knapp
Zeit, die ein Vater zweier kleiner Jungs und eines Mädchens nicht gerade im Übermaß hat. Die Familie ist auch der Grund, weshalb er mit seiner Frau Stephanie nicht mehr ganz so oft in der alten Heimat zu sehen ist. „Mit den Kindern ist das halt nicht mehr so einfach.“ Wo er herkommt, weiß er dennoch. Nicht nur wegen der elterlichen Baumschule oder weil er in Backnang zum Beispiel ein Haus gebaut hat und die Café-Bar Fancy besitzt. Es ist auch sein Stammverein, an dem Julian Schieber hängt. „Ich bin stets informiert und schaue nach, wie der SVU spielt.“ Hält er also sein Versprechen, dass er ganz am Ende der Karriere noch mal für den SV Unterweissach stürmt? Die Antwort schließt es auf jeden Fall schon mal nicht aus: „Ich bin ehrgeizig, ich will Fußball spielen und da ist mir die Liga egal.“ Ein Problem könnten aber die Freunde aus der Jugendzeit werden. Von denen sind immer weniger noch aktiv am Ball. Dabei hatte der Profi doch stets nur einen großen Traum: „Mit den Kumpels kicken.“
Mit der Serie stellen wir Sportler vor, die bei Vereinen aus der Region als Kinder und Jugendliche am Ball waren und mittlerweile bei hochklassigen Teams erfolgreich sind.
Der am 13. Februar 1989 geborene Julian Schieber begann als Fünfjähriger bei seinem Heimatverein SV Unterweissach mit dem Fußball. Dort blieb er bis zur B-Jugend und wechselte dann in die U 17 der TSG Backnang, mit der er aus der Oberliga aufstieg. Nach einer Saison in den Etzwiesen zog Schieber weiter zum VfB Stuttgart. Dort arbeitete er sich von der A-Jugend über die zweite Mannschaft ins Profiteam.
Für den VfB spielte er in der Bundesliga, im damaligen Uefa-Cup und in der Champions League. In der Saison 2010/2011 war der Stürmer an den 1. FC Nürnberg ausgeliehen, für den er in 33 Spielen im Pokal und in der Bundesliga zehn Treffer erzielte und neun Vorlagen zu weiteren Toren leistete. In drei Runden bei den Profis des Klubs aus Cannstatt brachte es der Weissacher wettbewerbsübergreifend auf 62 Spiele mit sieben Toren und zwei Vorlagen.
Im Sommer 2012 wechselte Schieber zu Borussia Dortmund. Für den BVB stand er in zwei Jahren in der Champions League, der Bundesliga und dem DFB-Pokal 57-mal auf dem Platz. Sein vielleicht wichtigstes Tor von insgesamt sechs Treffern (vier Vorlagen) für den BVB erzielte er am 4. Dezember 2012, als er in der Champions League beim 1:0-Heimsieg gegen Manchester City zehn Minuten vor Schluss zum 1:0 traf.
Zur Saison 2014/2015 verpflichtete Hertha BSC den Angreifer. In Berlin blieb Schieber vier Jahre. In 51 Partien für den Hauptstadtklub erzielte der Schwabe elf Tore und leistete viermal die Vorarbeit zu Treffern.
Vor eineinhalb Jahren unterschrieb Schieber beim FC Augsburg einen Dreijahresvertrag. Für die bayrischen Schwaben spielte der württembergische Schwabe seither in elf Partien und brachte es auf ein Tor.