Früherer US-Präsidentenberater

„Diejenigen, die bei Trump nach einer Strategie suchen, suchen vergebens“

Der frühere US-Präsidentenberater Douglas Lute teilt die Sorgen über Trumps Abkehr von Europa. Doch für die Verbündeten hat er auch einen Rat.

Douglas Lute, Ex-US-Botschafter bei der Nato: „Trump schaut nicht über den Horizont.“ Das sei „gefährlich“.

© Lichtgut/Max Kovalenko

Douglas Lute, Ex-US-Botschafter bei der Nato: „Trump schaut nicht über den Horizont.“ Das sei „gefährlich“.

Von Michael Weißenborn

Nach der Münchner Sicherheitskonferenz verbreiten viele europäische Politiker, aber auch US-Anhänger enger transatlantischer Beziehungen Endzeitstimmung: Opfert US-Präsident Donald Trump die Ukraine tatsächlich einem Handel mit dem neoimperialistischen Russland unter Präsident Wladimir Putin, fragen Europäer mit Sorge und fürchten auch um die eigene Sicherheit.

Trumps Tabubruch

„Frieden und Stabilität in Europa sind 80 Jahre im wohlverstandenen Eigeninteresse Amerikas gewesen“, sagt Douglas Lute, ein pensionierter US-Drei-Sterne-General, der dem republikanischen Präsidenten George W. Bush und dem Demokraten Barack Obama im Nationalen Sicherheitsrat zugearbeitet hat. Aber spätestens in München sei klar geworden, dass die neue US-Regierung womöglich andere Ziele verfolge.

Für Lute ist es ein Tabubruch, dass die Trump-Regierung über die Köpfe von Ukrainern und Verbündeten in Europa hinweg mit Putin verhandle und schon im Vorfeld vieles ausgeschlossen habe – das Wiederherstellen der ukrainischen Vorkriegsgrenzen, Kiews Nato-Mitgliedschaft sowie eine US-Beteiligung an Friedenstruppen.

„Diejenigen, die bei Trump nach einer Strategie suchen, suchen vergebens“, kritisiert Lute, der an der Münchner Konferenz teilnahm und für einen Vortrag beim Deutsch-Amerikanischen Zentrum in Stuttgart Halt machte. „Es gibt keine Strategie.“ Allenfalls ein improvisierendes Durchwursteln. Daher auch der vielstimmige, teilweise widersprüchliche Chor der neuen US-Regierung. Trump sei nur an einem schnellen Deal mit Putin interessiert, den er gegenüber seinen Anhängern als vorteilhaft verkaufen könne. „Er schaut nicht über den Horizont“, meint Lute. Und das sei „gefährlich“. Angesichts der kriselnden russischen Wirtschaft meinen andere westliche Beobachter, jetzt sei es der denkbar schlechteste Zeitpunkt für Washington, dem Kreml Entgegenkommen zu signalisieren. Putins Ziel bleibe es, die Ukraine zu zerschlagen und einen Keil zwischen Europäer und Amerikaner zu treiben.

Doch Lute redet auch Klartext über die jahrelange Selbstgefälligkeit der Verbündeten. „Die Europäer haben 30 Jahre Ferien von der Geschichte gemacht“, meint der Ex-Diplomat mit Blick auf ihr mangelndes Engagement für die eigene Verteidigung. Die Realitätsverweigerung der Europäer habe er nach der gewaltsamen russischen Annexion der Krim als Obamas Nato-Botschafter beim Gipfel der Allianz im Sommer 2014 in Wales aus nächster Nähe erlebt.

Hauptgegner Peking

Der US-Präsident habe dort durchgesetzt, erzählt er, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also der Wirtschaftskraft eines Landes, für Verteidigung aufzuwenden. „Es war die deutsche Regierung, die auf der Klausel bestand, sich dem Ziel bis 2024 anzunähern“, erinnert sich Lute. Ungläubig habe er die deutsche Seite damals gefragt: „Ist das Euer Ernst – zehn Jahre, um zwei Prozent zu erreichen?“ Deutschland gab damals unter der GroKo-Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank- Walter Steinmeier (SPD) 1,2 Prozent vom BIP für Rüstung aus. Schon damals hatte sich der außenpolitische Fokus der USA nach Asien verschoben. Und Trumps Vorgänger Joe Biden sicherte Zugang zu neuen Militärbasen im Indopazifik. Aus US-Sicht sitzt der Hauptgegner nicht in Moskau, sondern in Peking.

Trotzdem hält Lute es für hoch riskant, wenn die USA Europa nun den Rücken kehren würden. Zur Friedenssicherung und Abschreckung Russlands sei Amerika unverzichtbar. Zur Durchsetzung eines Waffenstillstands etwa. Wie auch immer eine Streitmacht zur Durchsetzung eines Friedens-Deals in der Ukraine aussehen mag, zu dessen Absicherung hält Lute eine Beteiligung von US-Streitkräften für unabdingbar. „Da werden amerikanische Ermöglicher gebraucht.“ Dazu zählt er Luftabwehr, Heeresflieger, Luftwaffe und raumfahrtgestützte Kommunikation und Aufklärung. Nicht zuletzt auch, um Russland davon abzuhalten, die robuste Friedensstreitmacht zu testen.

Grundsätzlicher sieht er eine fundamentale Verschiebung in der Weltpolitik seit 2014, dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine, hin zu einem internationalen System mit mehreren Polen: USA, China und Russland. In der Vergangenheit hätten die USA und Europa einen gemeinsamen Pol gebildet. Das habe Trump nun infrage gestellt. „Ob Amerika und Europa auch künftig zusammen bleiben oder in zwei Lager auseinanderbrechen“, bleibe offen, so Lute. Er rät den Europäern – von der Wirtschaftskraft mit den USA vergleichbar – sich endlich gemeinsam militärisch auf eigene Füße zu stellen, inklusive Koordinierung des Rüstungswesens. Nur so könnten sie international wieder mehr Gewicht bekommen.

Aber auch Amerika stehe vor einer Wahl: „In die Konkurrenz mit China können wir entweder mit ,Amerika zuerst‘ alleine gehen oder zusammen mit Europa“, so Lute. Für ihn ist der Fall klar: In den traditionellen Verbündeten sieht er „einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu unseren Gunsten“.

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Erstellt:
21. Februar 2025, 06:10 Uhr
Aktualisiert:
21. Februar 2025, 09:25 Uhr

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