Geld anlegen mit gutem Gewissen
Immer mehr Menschen wollen wissen, was ihre Geldanlage bewirkt – Einheitliche Kriterien gibt es bisher nicht
Vermögen - Was hat die Klimaschutzbewegung Fridays for Future mit nachhaltiger Geldanlage zu tun? Menschen sind sensibler geworden, auch beim Geld, meint GLS-Banker Wilfried Münch. Doch die Abgrenzung fällt oft schwer.
Stuttgart Die Deutschen sparen wie die Weltmeister. Doch spätestens seit klar ist, dass sich die Zinswende zeitlich immer weiter nach hinten verschiebt, werden immer mehr nachdenklich. Wilfried Münch erfährt das in vielen Kundengesprächen: „Die Leute sagen sich: Wenn ich schon keine Rendite mehr erziele, möchte ich wissen, was genau meine Geldanlage bewirkt.“ Münch ist verantwortlich für das Geschäft der GLS-Gemeinschaftsbank in Baden-Württemberg. Die Ökobank gehört zu den Vorreitern in Sachen nachhaltiger Geldanlage.
„Es ist etwas in Bewegung“, stellt Münch fest. Die Menschen seien zuerst sensibel bei ihrer Ernährung geworden, dann bei der Kleidung, und sie werden es zunehmend beim Geld. Die Fridays-for-Future-Demos für mehr Klimaschutz schärfen das Bewusstsein noch, ist Münch überzeugt. Auch wenn gut 170 Milliarden Euro in Deutschland in nachhaltigen Geldanlagen stecken – angesichts des Gesamtanlagevolumens in Deutschland von rund 6000 Milliarden Euro ist das wenig. Noch ist nachhaltige Geldanlage ein zartes Pflänzchen, aber es wächst. Nach Angaben des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) rechnet die Branche damit, dass der Markt in Deutschland, Österreich und der Schweiz in diesem Jahr um 15 bis 30 Prozent zulegt. Das FNG ist ein Fachverband, der sich für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft einsetzt.
Doch was bedeutet nachhaltig in Bezug auf die Geldanlage? Allgemein versteht man darunter, dass ethische, soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt werden müssen. Eine einheitliche europäische oder gar weltweite Definition für nachhaltige Geldanlagen gibt es bisher nicht.
Die EU erarbeitet gerade einen Kriterienkatalog für grüne Geldanlagen. Für Anleger wäre ein verbindliches Siegel sicher hilfreich, und Verbraucherschützer dringen darauf. Doch Münch befürchtet, dass im politischen Prozess eine Einigung auf dem niedrigsten Niveau stattfinden könnte. Das FNG hat Nachhaltigkeitskriterien entwickelt, an denen sich auch die GLS-Bank orientiert. Der Fachverband, der in der Finanzkrise in Stuttgart gegründet worden ist, inzwischen aber in Berlin sitzt, verleiht auch ein Gütesiegel, wenn Investmentfonds den Kriterien entsprechen. Rund 40 Fonds, so Münch, haben sich 2018 um so ein grünes Label beworben. Anleger können sich auch an Nachhaltigkeitsratings für Anleihen orientieren. Hier kann der Bankberater weiterhelfen oder das Internet.
Nicht nur Pioniere wie die GLS-Bank, auch andere Finanzdienstleister haben entsprechende Produkte wie Nachhaltigkeitsfonds oder grüne Anleihen im Angebot. „Die Kriterien sind vielleicht weniger streng als bei uns, aber jedes nachhaltige Angebot bringt einen Beitrag für die Gesellschaft“, sagt Münch. Wichtig sei, dass Unternehmen sich auf den Weg machen, so der Ökobanker und fragt: Wenn ein Verpackungshersteller eine Milchtüte nachhaltig produziert, ist es dann entscheidend, ob in der Tüte konventionell erzeugte Milch oder Biomilch drin ist? Für Münch braucht es beides: Pioniere, die streng nachhaltig handeln, und Unternehmen, die entwicklungsbereit sind.
Die Abgrenzung fällt ohnehin oft schwer. Auch für den Banker. Erfüllt etwa eine finnische Staatsanleihe die Nachhaltigkeitskriterien, wenn das Land stark in erneuerbare Energien investiert, sehr hohe Bildungsstandards aufweist, gleichzeitig aber eine hohe Quote an Atomenergie hat? Anleger sollten sich fragen, was ihre persönlichen Werte sind, und dann entscheiden, empfiehlt Münch. Für manchen sei es einfacher, mit Ausschlusskriterien zu arbeiten wie etwa: Atomwirtschaft, Rüstung oder Länder, die Menschenrechte verletzen, sind tabu. Eins steht fest: Anleger können nicht umhin, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Nachhaltig bedeute nicht, auf Rendite zu verzichten, betont Münch. Im Gegenteil: „Nachhaltigkeitskriterien verringern das Risiko und steigern die Rendite.“ Das Beispiel der VW-Aktie zeige, dass es für ein Unternehmen nicht erfolgreich sei, sich nicht nachhaltig zu verhalten.
Nicht nur Privatanleger, auch immer mehr institutionelle wie Pensionsfonds oder Versicherungen entschließen sich, ihre Mittel in nachhaltige Investments zu stecken. Gleichzeitig ziehen sie sich sukzessive aus kritischen Bereichen zurück. So haben vor wenigen Jahren beispielsweise die Rockefeller- Stiftung, Versicherungsunternehmen wie die Allianz oder der norwegische Pensionsfonds entschieden, sich aus Projekten mit fossilen Energieträgern zurückzuziehen. Weil dadurch viel Geld abfließt, verlieren die entsprechenden Vermögenswerte an Wert. Der Autoindustrie sollte das eine Warnung sein, meint Münch.